Psalm 62,12
Andachten
Gott hat ein Wort geredet, das habe ich etlichemal gehört, dass Gott allein mächtig ist.
David stellt sich hier ja wohl als ein Kind, oder als einen einfältigen Menschen dar, dem man eine Sache etlichemal sagen muss, ehe er sie einigermaßen fasst. Wahre Christen werden dem Gold verglichen. Dasselbe muss aber mehrmals und umso öfter in den Tiegel, je reiner es werden soll, wo zugleich die Glut immer stärker wird. Man kann glauben, man kenne nur das menschliche Verderben in seiner Große und Umfang, da man aus diesem Kelch vielleicht nur eben die Lippen genetzt hat und später noch viel anders davon wird denken und reden lernen. Man kann auch glauben, dem Evangelio bis auf den Grund zu sehen, und später noch viele erstaunenswürdige Einsichten darin erlangen. Zwei können mit gleicher Aufrichtigkeit die nämliche Wahrheit bekennen, der Eine aber in einem weit tieferen Sinne, als der Andere. Kommen auch grade nicht die nämlichen Erfahrungen aufs Neue wieder vor, so werden doch die vorigen gründlicher gemacht, wiewohl man sich wie ein Perpendikel1) vorkommen kann, der sich immer bewegt, ohne doch weiter zu rücken. Gewiss aber muss der Christ Einen Weg wohl mehrmals machen und am nützlichsten ist es, wenn der Weg zwischen seinem Herzen und Christo so fleißig von ihm betreten wird, dass kein Grashalm der eigenen Gerechtigkeit oder Weltliebe darauf wachsen kann. (Gottfried Daniel Krummacher)