Psalm 29,1
Andachten
Deine Stimme, o Herr, ist eine gewaltige Stimme. Sie geht durch die ganze Welt, und wer nur hören will, vernimmt die Offenbarungen Deiner Macht und Größe, Deiner Allgegenwart und Herrlichkeit. Sie geht durch die Natur bei Tag und Nacht, sie schallt aber noch lauter durch Dein geoffenbartes Wort im Reich der Gnade, insbesondere durch das Evangelium Jesu Christi, Deines lieben Sohnes, und bedenken wir das recht, so müssen wir wohl mit Luther beten.
„Lieber Gott, Du sprichst durch Deinen lieben Sohn die selig, so Dein Wort hören. Wie viel billiger wäre es, dass wir Dich, o ewiger, barmherziger Vater, ohne Unterlass mit fröhlichem Herzen selig preisten, Dir dankten und lobten, dass Du Dich so freundlich, ja väterlich gegen uns arme Würmlein erzeigest, und mit uns von der größten und höchsten Sache, nämlich vom ewigen Leben und Seligkeit redest. Gleichwohl unterlässt Du nicht, uns freundlich zu locken durch Deinen Sohn, Dein Wort zu hören, da Er spricht: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren,“ als könntest Du unseres Gehörs nicht entbehren, und wir, wie wir Erde und Asche sind, nicht viel tausendmal mehr Deines seligen Worts bedürften. O wie unaussprechlich groß und wundersam ist Deine Güte und Geduld! Wiederum Ach und Weh über die Undankbarkeit und Starblindheit derer, die Dein Wort nicht allein nicht hören wollen, sondern es auch mutwillig verachten, verfolgen und lästern!“
Nun, Herr, hier bin ich. Ich höre nicht bloß die Stimme Deines Donners, sondern auch die süße Stimme Deiner Sünden vergebenden Gnade. O höre mich wieder. Antworte mir väterlich, so will ich Deiner süßen Rede wie ein Kind folgen. (Friedrich Arndt)
Bringt dem HErrn, ihr Gewaltigen, bringt her dem HErrn Ehre und Stärke; bringt her dem HErrn Ehre Seines Namens.
Diese Worte sind eine Anrede an die Söhne der Gewaltigen, das ist an Leute, die von einem vornehmen Stamm herkommen, und unter den Menschen geehrt und mächtig sind. Diese Personen werden gewarnt, ihre Herrlichkeit und Macht sich selber nicht zuzueignen, folglich nicht sich selber zu vergöttern und vergöttern zu lassen, sondern dem HErrn Ehre und Stärke zu bringen, das ist, demütig zu bekennen, dass Er allein herrlich sei und gepriesen zu werden verdiene, und dass Er allein stark sei. Als ein Beweis der Herrlichkeit und Stärke Gottes werden in diesem Psalmen der Donner, der Sturmwind, und die Sündflut angeführt, bei welchen großen Bewegungen in der Natur die Könige und Fürsten und alle Herrlichen und Starken unter den Menschen niemals etwas hindern oder fördern konnten, sondern immer erkennen mussten, dass ein herrlicher und starker Gott über ihnen sei, und sie, und Alles, was sie haben, in einem Augenblick verderben könne. Auch beruft sich David V. 10. 11. darauf, dass Gott ein ewiger König sei, und dass Er nicht nur herrlich und stark in Sich selber sei, sondern auch Seinem Volk Kraft gebe, und es mit Wohlfahrt segne. Was nun David hier im Geist den Söhnen der Gewaltigen befiehlt, hat er selbst beobachtet, wie der Psalter beweist. Nirgends wird aber so deutlich und vollständig erzählt, wie er dem HErrn Ehre und Stärke gegeben habe, als 1 Chron. 29,10. u.ff. David, der König Israels, der Beherrscher vieler heidnischen Länder, der Sieger in vielen Kriegen, der reiche König über ein reiches Volk, stand als ein Greis unter den Häuptern und Fürsten, Kämmerern, Offizieren und tapferen Männern Israels, und hatte eine ungeheure Menge von Gold, Silber, Erz und Eisen vor sich, welche zum Bau des Tempels von ihm und seinen Gewaltigen zusammengelegt war. Er freute sich hoch, und lobte Gott, und sprach vor der ganzen Gemeinde: gelobt seiest Du HErr Gott Israels, unsers Vaters, ewiglich. Dir gebührt die Majestät und Gewalt, Herrlichkeit, Sieg und Dank. Denn Alles, was im Himmel und auf Erden ist, ist Dein. Dein ist das Reich, und Du bist erhöht über Alles zum Obersten. Dein ist Reichtum und Ehre vor Dir. Du herrschest über Alles: in Deiner Hand steht Kraft und Macht: in Deiner Hand steht es, Jedermann groß und stark zu machen – denn was bin ich? was ist mein Volk? – denn von Dir ist Alles kommen, und von Deiner Hand haben wir Dir’s gegeben, usw. Dieses heißt, Gott Herrlichkeit und Stärke geben. Dieses heißt anbeten im heiligen Schmuck. Alle Menschen sollen dem König David hierin nachfolgen. Alle sollen erkennen, dass Gott allein wegen Seines Wesens und wegen Seiner Werke gepriesen zu werden verdiene, dass Er allein mächtig, allein weise sei, allein Unsterblichkeit habe, und Niemand gut sei, als Er. Alles Gute in den Geschöpfen ist Sein Werk und Seine Gabe. Wie billig ist’s also, dass man Ihn wegen Allem preise! Von Ihm, durch Ihn, zu Ihm hin sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Nicht nur ihre Söhne der Gewaltigen, sondern auch ihr Völker: bringt her dem HErrn, bringt her dem HErrn Ehre und Macht, bringt her dem HErrn die Ehre Seinem Namen, bringt Geschenke, und kommet in Seine Vorhöfe (die zur Zeit des Neuen Testaments allenthalben sind, wo man Gott anbetet), betet an den HErrn im heiligen Schmuck, es fürchte Ihn alle Welt, sagt unter den Heiden, dass der HErr König sei! Ps. 96,7-10. (Magnus Friedrich Roos)
Das Wetter fährt daher und der Psalmist gibt ihm die denkbar größte Stärke. Sturm und Blitz zersplittern die Zedern. Der Felsblock stürzt ins Tal. Das Laub wird von den Bäumen gerissen und die Gazelle erschrickt, wenn der Donner über ihr kracht, so, dass sie ihr Junges von sich wirft. Aber über dem Bereich, in dem das Wetter tobt, steht ein höherer Raum, in dem sich die Himmlischen befinden. Sie wenden ihren Blick nicht von der Erde weg, über die der Sturm dahinfährt; denn es ist Gottes Stimme, die durch das Land hin schallt, und ihr Ruf schafft das Ungewitter. Deshalb sind die Himmlischen seine Zeugen. Sie werden aber von ihm nicht geängstigt, sondern begleiten den Sturm mit ihrer Anbetung und preisen Gottes Stärke und Ruhm. Und Israel? Der Libanon schwankt und die Wüste Kades gerät in wirbelnde Erregung; aber die Mauern Jerusalems fallen nicht. Die Gazelle erschrickt und gebiert, nicht die Töchter Zions. Auch wenn Gottes Sturm über das Land dahinfegt, gibt er seinem Volk Kraft und setzt es in seinen Frieden. Das ist die Unterweisung des Geistes dann, wenn Gottes Gewitter über die Erde ziehen. Es gibt keine Entfaltung seiner Macht, auch wenn er den Pharao verhärtet und in das Meer stürzt und Jerusalem verfinstert, dass es für Jesus das Kreuz errichtet, aus der nicht die Anbetung der Himmlischen entstünde und bei der nicht seine Hand sein Volk deckte und schirmte. Es weiß ja, wem die Stimme gehört, die so mächtig ruft. Was dieser Psalm ausspricht, hat die Weissagung des Johannes im Blick auf den kommenden Sturm, der durch die Völker fahren wird, mit verstärkter Deutlichkeit gesagt.
Mein Auge sieht nicht alles, großer Herr und Gott, was du als deine Welt aufgebaut hast. Die Anbetung der Himmlischen vernehmen wir nicht und sehen nicht hinein in die Stätte deiner Herrlichkeit. Über unseren irdischen Boden fahren die Stürme dahin, die die menschliche Größe beugen und die Furcht vor dir erwecken. Sie rufen uns aber auch auf zum Glauben an dich. Deine Macht, die die starke Zeder zerbricht, ist der Fels, auf dem wir glaubend ruhen. Amen. (Adolf Schlatter)
Auslegungen
1. Ein Psalm Davids. Bringt her dem HErrn, ihr Gewaltigen, bringt her dem HErrn Ehre und Stärke. 2. Bringt dem HErrn Ehre seines Namens, betet an den HErrn in heiligem Schmuck. 3. Die Stimme des HErrn geht auf den Wassern; der GOtt der Ehren donnert, der HErr auf großen Wassern; 4. Die Stimme des HErrn geht mit Macht; die Stimme des HErrn geht herrlich; 5. Die Stimme des HErrn zerbricht die Zedern; der HErr zerbricht die Zedern in Libanon, 6. Und macht sie löcken wie ein Kalb, Libanon und Sirion, wie ein junges Einhorn; 7. Die Stimme des HErrn haut wie Feuerflammen; 8. Die Stimme des HErrn erregt die Wüste, die Stimme des HErrn erregt die Wüste Kades; 9. Die Stimme des HErrn erregt die Hindinnen, und entblößt die Wälder. Und in seinem Und in seinem Tempel wird ihm Jedermann Ehre sagen. 10. Der HErr sitzt, eine Sintflut anzurichten. Und der HErr bleibt ein König in Ewigkeit. 11. Der HErr wird seinem Volk Kraft geben; der HErr wird sein Volk segnen mit Frieden.
Der 29. Psalm heißt wiederum 1) in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids, und in demselben redet er 2) die Gewaltigen und Vornehmen an, dass sie GOtt die Ehre geben und sich vor Ihm demütigen sollen, wie sichs gebührt, V. 2-8. Was kann aber ein Mensch dem HErrn bringen? Anbetung und darin Bekenntnis, dass der HErr Alles habe, und von Ihm alles Gute komme. Wir können dem HErrn nichts geben, aber Seinen Namen, und Alles, was Er zu Seiner Selbstoffenbarung und Verherrlichung tut, erkennen und bekennen das ist unsere Sache. 3) Er stellt ihnen bekannte, handgreifliche, ihnen selbst oft vorkommende Taten GOttes vor, wodurch sie zum Demütigen unter die gewaltige Hand GOttes sollen bewegt werden. Dass die gesamten Werke des HErrn Seiner Stimme zugeschrieben worden, zeigt an, dass Er Alles ohne mühsame Arbeit, ohne fremde Hilfe, bloß durch Seinen Willen und Wort ausrichte; und dass die Rede zuletzt wieder auf das Lobsagen in Seinem Tempel zurückgeführt wird, zeigt an, dass auch die Werke GOttes in der Natur bei Wettern, im Felde, bei wilden und zahmen Tieren und dergleichen, eine Materie zum Anbeten im Tempel abgebe, gleichwie diejenigen von den Menschenkindern, welche am nächsten zu dem Thron hinreichen, noch in der Ewigkeit dem HErrn darüber Ehre geben, dass Er alle Dinge geschaffen habe, und sie durch Seinen Willen ihr Wesen haben und geschaffen seien. 4) Zuletzt legt er sein eigen Glaubensbekenntnis von GOtt und Seinem ewigen Reich ab, und bezeugt den Grund seiner Hoffnung, auf dem er stehe, V. 10 u. 11. Der HErr hat an der ersten Welt Seine richterliche Obermacht bewiesen, und es hat Ihn keiner der vorigen Riesen vom Thron gestoßen. Die heutigen Feinde Seines Reichs werden Ihn auch müssen sitzen lassen: Wohl Allen, die auf Ihn trauen. Wenn Er auch noch das Fürchterlichste aus Seinen Schätzen wird offenbar werden lassen, müssen, zur Zeit, wenn Sein Zorn und der Menschen Zorn noch einmal aufeinander stoßen werden, so wird Er darunter Alles zu der Seinigen Besten wenden, und Sein Volk segnen mit Frieden. (Karl Heinrich Rieger)