Psalm 148,2
Andachten
„Lobet ihn, alle seine Engel, lobet ihn, alle sein Heer!“ Zu den lieblichsten Lehren der heiligen Schrift gehört die Lehre von den Engeln. Was die Heidenwelt schon ahnte, was dem Besonnenen kaum zweifelhaft sein kann, dass die Stufenleiter der vernünftigen Geschöpfe über das Geschlecht der Sterblichen noch hinausrage, dass die Kluft zwischen dem majestätischen Gott und dem geringen Menschenkunde nicht völlig unvermittelt sei: das bestätigt uns das Wort Gottes durch die Lehre von den heiligen Engeln. Welch' ein schöner, tröstlicher Glaube: Gott hat uns die leuchtenden Legionen, die seinem Throne näher stehen als wir, zur Hut bestellt, dass sie uns teilnehmend umschweben, unsere Kindlein hüten, den Frommen begleiten und die erlöste Seele emporheben gen Himmel! Welche freundlichen, erquickenden Bilder, diese Engelerscheinungen, die die heilige Schrift aufgezeichnet hat, von jenen drei himmlischen Gästen an, die einst Abraham bewirten durfte unter'm Schatten seiner Bäume im Hain Mamre, bis zu dem leuchtenden Engel, der in finstrer Mitternacht den gefangenen Petrus gleich einem Träumenden durch die wohlverwahrten Türen seines Kerkers führte!
Wie groß die Menge dieser himmlischen Geister sei, die der Herr vor der Schöpfung der Menschen ins Dasein rief, die vor ihm versammelt sind, und die nicht im Spiegel und Rätsel, sondern von Angesicht zu Angesicht schauen, wer kann es ausdenken oder aussprechen? Welche Andacht mag aus ihren Blicken strahlen, welche Freude ohne Trübung sie entzücken! Welche Liebesglut und welche Sehnsucht, Gott zu sehen, und doch auch welche Befriedigung ihres seligen Verlangens! Tag um Tag verkündigen sie die Ehre Gottes, und anbetend rufen sie aus: „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth!“ Freudig und vollkommen und immerdar richten sie aus, was Gottes heiliger Wille ist. Sie sind gleichsam die heilbringenden Hände Gottes, die sich zu keinem Werke bewegen, außer wozu er sie leitet. Wohl könnte der Herr uns, seine Kinder, führen und regieren, erhalten und vor allem Übel Leibes und der Seele schützen ohne der Engel Dienst. Eben wie er uns wohl konnte zu Menschen schaffen, wie Adam und Eva, ohne Vater und Mutter, wie er wohl könnte Land und Leute regieren ohne Fürsten, die Gemeinde weiden ohne Hirten und Lehrer, uns ohne Sonne und Sterne das Licht, ohne Säen und Pflügen das tägliche Brot geben. Aber er will, dass immer eine Kreatur der andern dienen soll.
So sehen wir denn die Boten Gottes in die heilige Geschichte eintreten als Vermittler und Träger der göttlichen Offenbarungen, als schützende und dienende Geister, als fürsorgliche und hilfreiche Hüter und Begleiter der Frommen in den Tagen der Verheißung und der Erfüllung: dem Abraham bringen sie eine Freudenbotschaft, den Lot entreißen sie dem Verderben Sodoms, den Jakob grüßen sie auf seiner Pilgerfahrt, den David strafen sie um seines Hochmuts willen, den Daniel beschützen sie mitten unter den Löwen. Aus Engelsmund empfängt der greise Zacharias die langersehnte Botschaft, und Engelsgruß erschallt im stillen Gemach der gebenedeieten Gottesmagd. Engelslippen verkündigen die Geburt des Weltheilandes, und eine Engelserscheinung zeigt dem heiligen Kinde den Weg der Rettung aus drohender Gefahr. Engel dienen dem Herrn in den Tages seines Fleisches, sind die Zeugen seiner Auferstehung und Himmelfahrt, und Engel werden ihn begleiten, wenn er kommt zum Gericht.
Und die starken, demütigen Helden sind auch uns in Liebe zugetan, helfen uns, wenn wir arbeiten, ermutigen uns, wenn wir streiten, krönen uns, wenn wir siegen und bringen unsere Seele zum ewigen Frieden. Herr, was ist der Mensch, dass du sein gedenkest, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Amen. (Christian Wilhelm Spieker)