Psalm 130,5
Andachten
Ich harre des HErrn; meine Seele harret und ich hoffe auf sein Wort.
Er spricht: ich habe Gottes gewartet, d. i. in diesem Geschrei und Kreuze bin ich nicht zurückgelaufen oder gezweifelt, sondern Gottes Gnade, die ich begehrt habe, deren harre und warte ich, wenn es meinem Gott gefällt, mir zu helfen. Nun sind etliche, die wollen Gott das Ziel, Weise, Zeit und Maß legen, und Ihm selbst gleich vorschlagen, wie sie sich wollen geholfen haben, und wenn sie ihnen nicht so widerfährt, verzagen sie, oder, so sie mögen, suchen sie anderweit Hilfe: diese harren nicht, sie warten Gottes nicht; Gott soll ihrer warten und alsbald bereit sein, wie sie es abgemacht haben und nicht anders. Die aber Gottes warten, die bitten Gnade, aber stellen es frei zu Gottes gutem Willen, wann, wie, wo und durch was Er ihnen helfen will; an der Hilfe zweifeln sie nicht, geben ihr auch den Namen nicht, sie lassen sie Gott taufen und nennen, und sollte es auch lange ohne Maß verzogen werden. Wer aber der Hilfe einen Namen gibt, dem wird sie nicht, denn er wartet und leidet Gottes Rat, Willen und Verziehen nicht.„ (Martin Luther)
Ich harre des Herrn, meine Seele harrt, und ich hoffe auf sein Wort.
Auch bei allen christlichen Überzeugungen kann man oft bettelarm sein. Das geschieht, wenn Gott uns harren lässt. Man kann oft Stunden lang vor dem Kreuz Christi stehen, und die Kraft des Kreuzes will immer noch nicht wirken. Man kann sich, wie Luther, mit einem Stück Kreide den oder jenen Kraftspruch auf den Tisch schreiben, aber man hat ihn nur in Worten vor sich, und nicht in der Erfahrung des Herzens. Und in solchen Stunden kann uns kein Mensch zu Hilfe kommen. Da heißt es: Ich harre des Herrn, meine Seele harrt, und ich hoffe auf sein Wort. Harren heißt festhalten, auch wo kein Gefühl der Sache im Herzen ist. Danken wir in solchen dürren Stunden, dass unsere Vergebung nicht von dem Gefühl derselben abhängig ist; wir haben ein festes prophetisches Wort, und noch mehr, wir haben Tatsachen, Christi Leiden, Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt; das sind Sachen, die wir nicht aus unserm Gefühl hervorzubringen haben, sondern die geschehen sind und wovon die Geschichte Zeuge ist. Harren heißt darum nicht an uns selber festhalten, sondern an dem, was Gott in Christo für uns getan und in seinem Wort uns zugesichert hat. Je fester unser Glaube hieran wird, je mehr kommen wir auch zur Erfahrung dieser Trosteswahrheiten. Man muss sich bei dem Harren nur nicht die Zeit verdrießen lassen. Es ist keine Zeit besser angewandt, als wenn man in irgendeiner Wartburg sitzt. Der trockene, nackte Glaube, in aller Herzensstille und Nüchternheit, ist eine köstliche Sache. Die Bächlein werden dann schon wieder fließen, aber man werde nur innerlich fest in der Zwischenzeit; das ist nötiger als alle zu frühen Erquickungen. (Friedrich Lobstein)