Psalm 118,26
Andachten
„Gelobet sei, der da kommt im Namen des HErrn!“
Mit diesen Worten - welche einst bei besonderen großen Festversammlungen in Israel vor dem Tempel gesungen wurden - wird aufs lebendigste die Zuversicht zum HErrn ausgedrückt, der nach vielem Warten mit Seiner Allmacht und Hilfe herzutritt. Die Worte sagen mehr, als wenn man nur bittend spricht: „Komm, HErr, und hilf!“ Denn sie stellen die kommende Hilfe schon in die Gegenwart und wollen andeuten, dass man die ersten Spuren davon, gleichsam die ersten Strahlen einer aufgehenden Sonne, erblicke.
Die Worte des Psalms sind aber auch prophetisch gewesen auf den kommenden Heiland der Welt, den man, wenn man im Glauben recht erregt war, sich eben als kommend vorstellte. Deswegen hat auch beim Einzug Jesu in Jerusalem das Volk diese Worte gesungen, um damit zu bekennen, dass sie in Jesus den Verheißenen erblickten. Der war ja denn gekommen, und zwar „im Namen des HErrn“, d.h. mit der Kraft des Höchsten angetan, die bezeugte, dass Er ein Heilsstifter und Friedensbringer war. In Erinnerung an Ihn singen wir jetzt: „Gelobt sei, der gekommen ist im Namen des HErrn, ein Trost aller Welt, der allem Jammer ein Ende machen wird!“
Indessen ist Er wieder aufgefahren zu Seinem Vater; und wie viel Jammer ist bei uns zurückgeblieben, soviel Trost uns auch durch Ihn geboten ist! Da stehen wir in einer abermaligen Sehnsucht nach Seinem Kommen und möchten gerne den Tag anbrechen sehen, da wir ausrufen dürfen: „Gelobt sei, der da kommt im Namen des HErrn, in der Kraft und Herrlichkeit Seines Vaters!“
Doch erfahren wir, dass Er auch wieder in beständigem Kommen begriffen ist, namentlich, wenn wir Ihn anrufen. Er hat ja selbst zu Seinen Jüngern gesagt: „Ich will euch nicht Waisen lassen, Ich komme zu euch.“ So können wir uns bei allem, was in Seinem Reime geschieht, Sein Kommen, Sein Mitdazukommen denken und müssen uns einstweilen mit dem begnügen. Wie oft können wir das erfahren, wenn wir das Wehen Seines Geistes verspüren, wenn unser Herz in uns brennt wie in den Jüngern, die nach Emmaus gingen! Auch wenn oft unerwartete Hilfe in Nöten aller Art uns zuteil wird, können wir uns gedrungen fühlen zu sagen: „Gelobt sei, der da kommt, der hilft vom Himmel her!“
Aber doch warten wir auf Sein wirkliches Kommen, mit welchem sich alles vollendet, wonach sich unser Herz sehnt. „Komm, Herr Jesu!“ sind wir angewiesen zu rufen.
Und endlich wird es heißen: „Er kommt! Er kommt!“ Zu einer Zeit, da alles in großem Gedränge ist, alles verloren scheint: Wie werden die Seinen doch da ihre Häupter erheben, wenn sie Ihn vom Himmel kommen sehen! Und mit welchem Jubel und welchem Frohlocken werden sie sagen: „Gelobt sei, der da kommt im Namen, in der Kraft des HErrn!“
Denn alles und alles ist uns unser hochgelobter Heiland Jesus Christus mit Seinem Kommen! (Christoph Blumhardt)
Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch im Namen des Herrn.
Jeder, der da kommt, um Feste des Herrn zu begehen, kommt auch uns in dem Namen des Herrn; und besonders an einem Tage wie der heutige, wo mit einem neuen kirchlichen Jahr auch der Kreislauf unserer schönen christlichen Feste sich erneuert, mögen wir gegenseitig uns immer sowohl Alle auf diese Weise begrüßen: Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! als auch uns unter einander segnen als solche, die da sind von dem Hause des Herrn. Denn schon wenn die Seele der Glieder jenes Volkes erfüllt war von einer solchen Andacht und durchdrungen von solchen Empfindungen, wie dergleichen hochfeierliche Tage sie mit sich brachten: wieviel mehr denn wir, die wir, in einem weit höheren Sinne denn jene berufen, das Salz der Erde zu sein, andächtig vor dem Herrn erscheinen, nicht um eine leibliche und zeitliche, sondern um eine ewige und geistige Erlösung zu feiern, indem wir nicht wieder dem Herrn dienen nach dem Gesetz des Buchstaben, sondern im Geist und in der Wahrheit ihn anbeten: wieviel mehr also muss auch Jeder unter uns, den Segen christlicher Andacht und Frömmigkeit um sich her verbreitend, wie er ihn in sich fühlt, wenn er mit dem wahrhaft geistigen Schmucke angetan erscheint, um die Feste des Herrn durch seine Teilnahme zu verschönern, billig von allen anderen mit demselben Zuruf begrüßt werden: Gelobt und gesegnet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn.
Allein auch in dieser Hinsicht ist kein anderer mit dem Erlöser zu vergleichen, ja auch der Frömmste und Gesegnetste so wenig, dass wir mit Recht sagen mögen, Christus allein sei es, der da gekommen ist in dem Namen des Herrn. Denn fragen wir uns nur, wie es denn steht ohne Ausnahme bei einem Jeden von uns mit dem festlichen Schmuck, in welchem allein auch damals schon Einer wohnen sollte in der Hütte des Herrn und bleiben auf seinem heiligen Berge; nämlich das rechttuende Einhergehen ohne Wandel, und die Zunge, die nur Wahrheit redet, und die unschuldigen Hände, die allein aufgehoben werden sollen zu dem Vater im Himmel, und das reine Herz, welches allein Gott schauen kann (Ps. 15,1.2 und 24,3.4), ob wir diesen unentbehrlichen Schmuck als unser Eigentum besitzen und ihn anlegen können, wo es gilt: so müssen wir wohl sagen, wenn wir vor Gott erschienen, wie wir für uns selbst sind und durch uns selbst geworden wären, so hätten wir Alle nichts Anderes zu erwarten, als die vernichtende Frage: Freund, wie bist du hereingekommen, und hast doch kein hochzeitlich Kleid an? (Matth. 22,12.) Er allein war ursprünglich und eigentümlich so angetan; er allein, der einzige Reine und Gerechte, hob immer unschuldige Hände auf zu seinem und unserem Vater, um seine Brüder zu vertreten; er schaute immer reines Herzens empor zu. Gott und den Werken Gottes, die sich ihm immer herrlicher offenbaren sollten; er allein konnte ursprünglich von seinem Vater zeugen und ihn verklären, nicht nur durch das feste prophetische Wort seiner Lehre, nicht nur durch das teure Gebet seines Mundes, sondern schon dadurch, dass wer ihn sieht, auch den Vater steht, in der Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes die Herrlichkeit des Vaters, in dem Abglanz des göttlichen Wesens das göttliche Wesen selbst. In diesem Glanz und dieser Herrlichkeit kann er allein würdig erscheinen auf dem heiligen Berge; das ist das festliche Gewand, welches seine Seele immer so umfloss, wie seine Jünger ihn auch leiblich glänzend auf dem Berge der Verklärung erblickten. - Wir besitzen ein solches nicht; aber wenn der Glaube, durch die Erscheinung des Erlösers geweckt, auch nur den Saum seines Gewandes fasst, so merken wir bald, dass eine reinigende Kraft von ihm auf uns ausströmt, in welcher wir uns denn auch können begrüßen lassen als solche, die da kommen im Namen des Herrn, weil der Sohn denen, die ihn aufnehmen, Macht gibt, Gottes Kinder zu heißen, und weil der Geist, den er ausgegossen hat, und der bald uns bei Gott vertritt durch unausgesprochene Seufzer, bald laut und vernehmlich aus unsern Herzen Lieber Vater emporruft, uns immer. schon das Zeugnis gibt, dass wir Gott angenehm geworden sind in seinem Sohne, so dass wir die Tugenden dessen verkündigen können, der uns berufen hat.
Darum, weil auch schon in diesem festlichen Sinne alle anderen nur durch den Erlöser kommen können in dem Namen des Herrn, wollen wir auch an diesem Jahresanfang in Bezug auf alle uns noch bevorstehenden Segnungen ihn, nicht vorzüglich nur, sondern allein begrüßen als den Gelobten und Gesegneten, der uns kommt im Namen des Herrn. Wie er verheißen hat, auf geistige Weise überall zu sein, wo auch nur Zwei oder Drei in seinem Namen versammelt sind: so zieht er auch in jedem kirchlichen Jahre aufs Neue wieder ein in unsere Mitte. Da wird das erneuerte Bewusstsein unserer Gemeinschaft mit ihm uns zur festlichen Freude; der Friede mit Gott, der sich durch ihn in unsere Herzen ergießt, gibt auch uns eine feste Zuversicht und eine sichere Stätte auf dem heiligen Berge, seinem geistigen Zion; und wenn wir uns durch sein Wort getröstet fühlen in unseren Herzen über alle Not der Erde und der Sünde in dem Genuss seiner geistigen Gegenwart; wenn wir die Segnungen christlicher Andacht erfahren, indem unser Herz von dem Irdischen gelöst und zu Gott erhoben wird; wenn wir uns aller Schätze der Kindschaft Gottes bewusst werden, die weder geraubt noch verzehrt werden können: o dann lasst uns voll Dankes ausrufen: Gelobt sei, der da gekommen ist in dem Namen des Herrn! (Friedrich Schleiermacher)