2. Könige 5,15
Andachten
“Naeman sprach: Siehe ich erkenne, dass kein Gott ist in allen Landen, ohne in Israel.“
Dieser Naeman war der syrische Feldhauptmann, der aussätzig geworden war, und von einem israelitischen Mägdlein, das als Kriegsgefangene in sein Haus gekommen war, hörte, dass in Israel so ein großer, Wunder tuender Prophet wäre. Er kam und wurde durch siebenmaliges Untertauchen im Jordan von seinem Aussatz völlig befreit. Je weniger Umstände der Prophet Elisa mit ihm gemacht hatte, - denn der General meinte anfänglich, er sollte mit der Hand über seinen Leib fahren etc.; Elisa aber sieht ihn gar nicht an, sondern lässt ihm nur einfach sagen: „Gehe hin und wasche dich siebenmal im Jordan!“ - aber wie gesagt, je weniger Umstände der Prophet mit ihm machte, desto klarer war's, dass es nur allein der Gott Israels war, der ihn gesund machte. Darum konnte er ganz hingenommen sagen: „Siehe, ich erkenne, dass kein Gott ist in allen Landen, ohne in Israel.“ Das Unterscheidende des Gottes Israel von allen andern Göttern ist das, dass der Gott Israels sich zu fühlen gibt, die andern nicht, dass der Gott Israels ein Gott ist, der dem Menschen nahe kommt, Sich ihm offenbart, Sich ihm bezeugt, der ihn für wert achtet, dass Er persönlich und unmittelbar Sich ihm nahe mache und ihm helfe, ja Seine Allmacht, wenn es sein müsse, ihm darbiete. Das ist der Gott Israels, in höchster Höhe in JEsu offenbar geworden; und diesen Gott, den wir auch haben sollen, haben viele Christen heutzutage nicht mehr, oft auch sogenannte rechtgläubige Christen nicht. Es erscheint und ist ihnen wie etwas Fremdes, dass Gott Sich sollte eines Menschen wunderbar annehmen. Das zu glauben ist nicht jedermanns Sache. Vielen bleibt der HErr ein ferner Gott; und nur was natürlich etwa verläuft, erwarten sie von Ihm. Wenn sie auch beten, so verlangen, suchen und glauben sie doch kein unmittelbares, kein wunderbares Herzutreten des HErrn, sondern eben eine auf natürlichem Wege vor sich gehende Vorsehungsleitung, oder wer weiß was, ein Nichts statt einem Etwas.
Weil es vielfältig so steht bei den Christen, wird auch Gott nicht mehr gefürchtet, wie vormals, und fehlt's eben im ganzen Wesen der Christen mehr als viel. Denn erst wenn man Erfahrungen irgendwelcher Art hat von der wunderbaren Freundlichkeit des großen Gottes Himmels und der Erde, mit welcher Er zu dem geringsten Menschen freundlich herzutreten und ihm helfen kann, wie in inneren, so auch in äußeren Nöten, erst dann weiß man, was Gott ist, und fühlt man sich in einem Frieden, der über alles hinaushebt, - wenn es heißt (Ps. 68,21): „Wir haben einen Gott, der da hilft, und einen HErrn HErrn, der vom Tode errettet.“ Ach, dass unser Glaube es lernte, diesen Gott in Wahrheit zu erfassen, wie Er uns nahe ist!
Zusatz. Es ist oft eine gar eigene Sache, wenn die Leute verlangen, dass man viel mit ihnen mache, wenn sie in Nöten herkommen. Da kommt es gleich bei ihnen vom Echten ins Unechte hinein. Es ist bei ihnen nicht mehr der wahrhaftige, lautere Glaube an den unsichtbaren Gott, der aus Gnaden herzutritt und hilft, ohne eines Menschen zu bedürfen; sondern es wird zu viel auf den Menschen selbst, dessen Fürbitte angesprochen wird, abgehoben. Sobald man so vielerlei vornimmt, namentlich so viel Wesens mit Handauflegungen, Satzungen, langen Gebeten, ernsten und formellen Andachten und Kraftworten macht, so steckt entweder viel Unglauben und gesetzliches Wesen dahinter, oder sieht es einer der falsch berühmten Künste ähnlich, als da sind: Sympathie, Magnetismus, Somnambulismus, weiße Magie und dergleichen. Zum Wenigsten nimmt es viel von dem rechten Eindruck weg, hat auch oft andere gar üble Folgen, wie das immer ist, wenn der Weg der Einfalt und Nüchternheit verlassen wird. Da hat denn Elisa weislich gehandelt, da er wusste, dass in der Heimat Naemans auch mancherlei Zauberkünstler waren, mit welchen derselbe leicht hätte den Propheten zusammenstellen können.
Dem Naeman gab der Prophet mit seinem Benehmen zugleich zu verstehen: Du bist nur ein Heide, ich brauche dich nicht anzusehen; und du sollst wissen, dass ein Israelite, der den wahrhaftigen Gott anbetet, ganz etwas Anderes ist, als so ein Heide, der wer weiß wie viele und wie abgeschmackte Götzen anbetet. Auf diese Weise ist dem Naeman auch ein demütigender Eindruck gegeben worden, ungefähr wie der Kanaaniterin, zu welcher der Herr sagte: „Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brod nehme und werfe es vor die Hunde“ (Matth. 15,26.), da es sich auch darum handelte, es der Heidin ins Bewusstsein zu bringen, sie sei's als abgöttische Heidin nicht wert, aber doch, weil sie komme, solle es werden.
Naeman war auf diese Weise gedemütigt. Natürlich so ein stolzer Herr hat geglaubt, wenn er komme, was werde da der Prophet nicht alles vornehmen? Doch er wurde sehr enttäuscht, als Elisa, ohne ihn anzusehen, ihn gleich wieder fortschickte. Er hat sich aber demütigen lassen, und hat getan, was der Prophet sagte, und wurde gesund. Da ist denn sein ganzes Herz umgewandelt worden; und so kam er gleichsam als ein getaufter, als ein echter Israeliter zum Propheten zurück. Jetzt haben sie miteinander gesprochen. Dem Naeman war's nun gewiss, dass nur in Israel der große Gott sei, und sonst in keinem Land ein Gott zu finden sei, wie der. (Christoph Blumhardt)