1. Mose 35,29
Andachten
Isaak starb; und seine Söhne Esau und Jakob begruben ihn.
Bist du in Streit mit deinen Brüdern? Hat euch irgend Etwas getrennt? O denk an deines Vaters, deiner Mutter Grab, an dem ihr schon steht oder noch stehen werdet, und versöhnt euch. Hast du ein Unrecht auf deinem Herzen, das du deinem Vater, deiner Mutter getan, und das du noch nicht gesühnt hast - denk an ihr Grab, und mach's wieder gut, das getane Böse, so lange du es noch kannst, ehe es zu spät ist, damit du nicht einst an ihrem Grabe stehen musst mit innerer Qual. Dann hast du nichts mehr, als eitle Wünsche, leere Seufzer; dann wünscht du wohl, das heftige Wort wäre nie gesprochen, die böse Tat nie getan, du hättest nicht Böses mit Bösem vergolten, du hättest mehr Geduld und Liebe bewiesen. Leere Wünsche, verlorene Klagen, der Tote hat nichts mehr davon. Haben wir irgend Einem Unrecht getan? Lasst es uns zurücknehmen, so lange wir können. Hat uns Einer Unrecht zugefügt? Lasst uns ihm vergeben, so lange er noch bei uns auf dem Wege ist. Sind wir mit irgend Einem in Unfrieden? Lasst uns Frieden schließen, damit wir ruhig sterben können. Und wenn solche versöhnliche Liebe und solche tragende Geduld uns schwer wird, wenn unser stolzes Herz sich dagegen auflehnen will und der Sturm der Leidenschaft in uns tobt über die großen und kleinen Kränkungen, die wir von Andern erfahren, lasst uns an jenen stillen Plass hinausdenken, wo die Nichtigkeiten des Lebens in Nichts zerrinnen vor der Ewigkeit; lasst uns denken an unser eignes Grab und unsere Ewigkeit, da wir Versöhnung nur dann empfangen sollen, wenn wir Versöhnung geübt haben. (Adolf Clemen)