Wenn aber Jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu: wie bleibt die Liebe Gottes bei ihm? Meine Kindlein, lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.
1. Joh. 3, 17. 18.
Wer von Gott mit zeitlichem Vermögen gesegnet ist, soll von seinem Segen dem Nächsten mitteilen, denn wir sind Haushalter und nicht Herren, und haben die Güter empfangen, nicht dass wir sie für uns behalten, sondern dass wir sie unter Gottes Kinder austeilen sollen. Die Kreatur ist dazu erschaffen, nicht dass sie herrschen, sondern dass sie dienen soll. So geht's recht nach Gottes Ordnung und der Kreatur Bestimmung, wenn deine Gabe den Armen erquickt, dein Brot den Hungrigen speist, dein Bier und Wein den Durstigen tränkt, dein Gewand den Nackenden kleidet. Darum wirft es Gott manchem reichlich zu, dass er's reichlich wieder austeilen soll. Hast du viel, so gib viel; hast du wenig, so gib von dem Wenigen, was du gibst, mit einfältigem Herzen. Wir sollen aber im Geben nicht ansehen Gunst, Freundschaft und Beförderung, sondern die Not unseres Bruders. Danach sollen wir unsere Gabe abmessen. Darum gedenke, dass du an deinem Nächsten zum Mörder wirst, wenn du ihn darben lässt; gib dem Armen deine Güter, so sammelst du Schätze im Himmel. Gedenke, dass der Nächste dein Bruder ist, und entzieh dich nicht von deinem Fleisch. Gedenke, dass Gott an dir tun werde, wie du an deinem Nächsten tust. Mancher rühmt sich, er werde hoch von Gott geliebt, und erbarmt sich doch seines durstigen Bruders nicht. Ein solcher Ruhm ist eitel. Wo keine Barmherzigkeit ist, da ist kein Glaube noch Gefühl der Liebe Gottes. Gedenke, dass Niemand Gott von Herzen lieben könne, er übe denn Barmherzigkeit an seinem Nächsten, fühlte seinen Jammer in seinem Herzen und mache sich seines Elendes teilhaftig.
Damit wir aber die Liebeskunst recht fassen, malt sie uns Johannes in der kurzen Regel vor: „Meine Kindlein, lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“ Die reine Liebe ist nicht nur Schaum auf der Zunge, sondern eine Kraft im Herzen. Sie redet nicht anders als sie es denkt und meint. Sie gibt mehr, als sie verspricht, und befleißigt sich, dem Nächsten zu dienen aus allen Kräften. Was nützt eine Wolke ohne Regen, ein Baum ohne Früchte, ein Quell ohne Wasser? Willst du recht lieben, so nütze. Gott liebt dich nicht mit Worten allein, sondern mit der Tat. Wie herzlich nimmt er sich deiner Seele an, wie reichlich überschüttet er dich mit Wohltaten! Die ganze Natur beweist ihre Liebe und dient dir mit allem ihrem Vermögen; dir leuchtet die Sonne, dir bringt die Erde ihre Früchte, dir leistet das Wasser seine Erquickung, So tue dem Nächsten auch! (Heinrich Müller.)