Christus ist die Versöhnung für unsere Sünden.
Wenn zwei Menschen miteinander versühnet werden, so lässt der Beleidigte seinen Zorn oder seine Feindschaft fahren, wenn derjenige, der ihn beleidigt hatte, ihm eine Abbitte tut, oder das angetane Unrecht ersetzt. Oft lenkt aber Gott dem Beleidigten das Herz so, dass er, ohne eine Abbitte zu erwarten, oder ohne einen Ersatz des erlittenen Unrechts zu bekommen, den Unwillen fahren lässt: da dann alles Dem heimgestellt bleibt, der da recht richtet. Die Regenten auf Erden nehmen’s noch genauer, wenn sie mit einem Missetäter, der ihr Untertan ist, versühnt werden sollen; denn sie sehen darauf, dass ihrer Ehre hierbei kein Eintrag geschehe, ihr Regentenamt nicht verlästert werde, und ihre Versöhnung nicht den Schein bekommen, als ob sie in der Bestrafung des Bösen nachlässig seien. Sie warten also auf Fußfälle, Abbitten, Fürsprache und dergl. Was soll man nun von dem großen Gott gedenken, der eine Welt voll Sünder, die nicht nur Seine Untertanen, sondern auch Seine Geschöpfe sind, vor Sich sah. Seine Rechte gehen unendlich weiter als die Rechte gemeiner Menschen und die Rechte aller irdischen Regenten. Seine Ehre gebührt Ihm wegen Seines göttlichen Wesens, und Er kann so wenig etwas davon vergeben, so wenig Er aufhören kann, Gott zu sein. Wer konnte nun eine Versöhnung zwischen Ihm und den bösen Menschen stiften? Er wollte ihnen vergeben und sie selig machen. Wer konnte aber zuwege bringen, dass solches auf eine geziemende Weise, ohne Verletzung Seiner Ehre, ohne Gefahr der Lästerung Seines Namens, und ohne Gefahr des Missbrauchs Seiner Lindigkeit geschehe. Es ist ebenso notwendig, dass Er als ein Heiliger und Gerechter erkannt werde, als notwendig es ist, dass Seine Güte und Barmherzigkeit offenbar werde. Wer sollte und konnte nun dieses Alles in ein geziemendes Gleichgewicht bringen? Welche Abbitte, welche Fürbitte, welche Erstattung des Ihm angetanen Unrechts, das freilich nicht in einem eigentlichen Schaden, aber doch in der Schmähung Seines herrlichen Namens besteht, sollte dazu hinreichend sein?
Sollte Er den Sündern den Auftrag geben, die gehörige Versöhnung mit Ihm zu stiften, so wäre solches vergeblich. Sünder können und wollen nicht zu Ihm nahen, oder ihm nicht geziemend begegnen. Sünder sind unrein, und all‘ ihr Tun ist unrein, und wenn sie mit Gott handeln wollen, so beleidigen sie Ihn aufs Neue. Sollte Er sie aber fromm und heilig machen, damit sie Ihm hernach die gehörige Genugtuung leisten können, so wäre die Sache verkehrt eingerichtet: denn die große Gnade, durch welche der Sünder zu einem Heiligen gemacht wird, setzt die Versöhnung schon voraus, und kann also nicht der Weg zur Versöhnung sein.
Was tut nun der große Gott? Er sandte Seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches, und übergab Ihm die Sache der Menschen auszuführen, und Dieser übernahm sie. Er wurde unter das Gesetz getan, und ehrte Gott durch Seinen unvergleichlichen Gehorsam und durch Seine Fürbitte so sehr, dass alle dem großen Gott von allen Sündern angetane Unehre dadurch ersetzt wurde. Er ließ aber auch alle Drohungen des Gesetzes an Sich erfüllen, und alle von den Sündern verdienten Strafen über Sich ergehen, damit die Wahrheit Gottes bestätiget, und Sein heiliger Hass wider die Sünde genugsam offenbar würde.
Und so ist Jesus die Versöhnung für unsere Sünden worden, wie Johannes schrieb, oder Er ist wie Paulus Röm. 3,25. sagt, der Gnadenstuhl worden, zur Erweisung der Gerechtigkeit Gottes, damit offenbar würde, dass Gott gerecht sei, und doch gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum. Er ist selber das Versühnopfer worden, und hat nichts Fremdes dazu gebraucht. Er hat Sich selbst gegeben für Alle zur Erlösung. (Magnus Friedrich Roos)
JEsus Christus ist die Versöhnung für unsere Sünde.
Wir glauben, dass die schärfste Strafpredigt, die die Menschen zusammenjagen und zu Winkel kriechen machen kann, dass sie sich keinen Rat wissen vor Angst - der Hammer, der die Felsen zerschlägt, wenn alles andere nichts mehr tun will, die Predigt vom Leiden des Heilands ist, da man das: „Wie heftig unsere Sünden den heiligen Gott entzünden“ den Leuten so klar, begreiflich und unwidersprechlich macht, dass sie nichts mehr zu sagen wissen und es machen müssen, wie die Leute, die vom Kreuz weggingen, da alles vorbei und Er entschlafen war: Sie schlugen an ihre Brust! (Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf.)