Betet füreinander!
Es gibt kein Mittel, wodurch unsere Liebe zueinander gewisser wächst, als dadurch, dass wir füreinander beten. Willst du in weiter Ferne von deinen Lieben oder Freunden innerlich eng mit ihnen verbunden bleiben, so bete für sie. Willst du gern anderen lieb und wert bleiben und in ihrer Erinnerung fortleben, so unterhalte mit ihnen gegenseitige Fürbitte. Regt sich in deiner Seele Feindschaft gegen jemand, der dich beleidigt oder dir weh getan hat, und möchtest du dieses Gefühl überwinden, so flehe die Gnade dessen herab, der am Kreuz für seine Feinde betete und der alle Sünder, alle, die ihn selbst und ihre Mitmenschen beleidigen, bittet, sich versöhnen zu lassen. Will sich Kälte und Verstimmung einschleichen zwischen dir und deinen Brüdern, so klagt euch nicht gegenseitig an, sondern klagt bei dem Herrn eure Herzenskälte und euren Argwohn an, klagt den Feind an, der diesen bösen Samen zwischen euch säte - dann werdet ihr euch wieder als Mitsünder und auch als erlöste Gnadenkinder erkennen! Oft ist's geschehen, dass solche, die etwas gegen einander hatten, den erloschenen Funken der Bruderliebe neu in sich entzündet fühlten, wenn ernste Fürbitte vor dem Gnadenthron den Weg bahnte von Herz zu Herz. Und endlich zwischen Gatte und Gattin, Eltern und Kindern, Brüdern und Schwestern, wie kann gegenseitige Liebe und Achtung besser erhalten werden als durch das Gebet füreinander und miteinander? In den tausenderlei kleinen Veranlassungen zu Missmut und Hader, die im häuslichen Leben stets vorkommen, was kann da besser das Herz stärken, um diesen Versuchungen zu widerstehen, als das Gefühl: Er hat zwar gefehlt, aber der Herr, zu dem er fleht und zu dem auch ich für ihn flehe, wird ihn wieder zurechtführen; er fällt zwar oft, aber der Herr wird ihn aufrichten und endlich sein und mein Herz festmachen, um nicht mehr zu fallen! (Hermann Heinrich Grafe)
Es ist eine große Aufmunterung zur gegenseitigen, aus der Liebe fließenden Fürbitte, wenn wir bedenken, dass solches Gebet das lieblichste ist, das Gott je vernimmt, denn die Gebete Christi sind Gebete aus fürbittender Liebe. In all dem Räuchwerk, das unser großer Hohepriester ins goldene Rauchfass Seines Gebets gibt, ist auch kein einziges Körnlein für Ihn selbst. Seine Fürbitte muss vor aller Andern Gott angenehm sein und darum ist auch unser Gebet Ihm um so lieblicher, je mehr es dem Gebet Christi ähnlich ist; und wenn auch unsere Gebete für unsere eigenen Anliegen Gott wohlgefällig sind, so ist unser Flehen für Andere, dieweil es mehr Früchte des Geistes, mehr Liebe, mehr Glauben, mehr brüderliche Liebe in sich schließt, durch das unvergleichliche Verdienst Jesu Christi das süßeste Opfer, das wir Gott darbringen können, das Fett und Mark unseres Opfers. Beachte zugleich, dass die Fürbitte außerordentlich kräftig ist. Was für Wunderwerke hat sie nicht vollbracht! Das Wort Gottes ist überschwänglich reich an Erzählungen ihrer wunderbaren Wirkungen. Liebe gläubige Seele, du hast ein mächtiges Werkzeug in deiner Hand; gebrauche es fleißig, gebrauche es unaufhörlich, gebrauche es gläubig, so wirst du gewisslich deinen Brüdern Gutes erweisen. Wenn dir des Königs Ohr geneigt ist, so rede mit Ihm der leidenden Glieder Seines Leibes halben. Wenn dir die Gnade zu Teil wird, dass du dich Seinem erhabenen Throne ungehindert nahen darfst, und der König zu dir spricht: „Bitte, so will ich dir geben, was du begehrest,“ so lege ein Wort ein, nicht für dich bloß, sondern für die Vielen, die Seiner bedürftig sind. Wenn du der Fürbitte nicht obliegst, dann magst du zwar wohl begnadigt sein, aber diese Gnade ist klein wie ein Senfkorn. Dann ist dir gerade Gnade genug geschenkt, um Deine Seele über die Sandbank hinwegzusteuern; aber dir fehlen die tiefen Fluten der Gnadenströme, sonst würdest du im lustigen Schifflein eine kostbare Ladung der Bedürfnisse Anderer mit dir führen und brächtest für sie von deinem Herrn eine reiche Segensfülle mit zurück, die sie vielleicht ohne dich nie erlangt hätten. (Charles Haddon Spurgeon)
Betet für einander; das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.
Den du lieb hast, der liegt krank. So gewiss die Genesung mit davon abhängt, ob du ihn treulich pflegst, so gewiss hängt sie davon ab, ob du für ihn betest. Wie das geschieht, das bleibt freilich für uns auf Erden in Dunkel gehüllt. Gott kennt die verborgenen Wege, auf denen unsere Fürbitte dem Andern zu Gute kommt. Aber dass die Fürbitte dem Andern Segen bringt, das sagt uns Gottes Wort. Der Apostel schreibt an die Korinther: „Wir hoffen auf Gott, er werde uns auch hinfort erlösen von unserer Trübsal, durch Hilfe eurer Fürbitte für uns.“ Die Fürbitte ist nie umsonst. Wenn sie es wäre, würde Jesus uns so ernstlich dazu mahnen? würde er selber sie so ernstlich geübt haben? - Lasst uns nicht zweifeln, sondern Gott preisen, der der schwachen menschlichen Liebe solche Macht gegeben hat. Und wenn's das schwächste Geschöpf wäre, Gott hat in seine Hände die Macht gelegt, die ihm nahe stehen; zu segnen mit seiner Fürbitte. Und er hat diese Macht in deine Hände gelegt. Willst du sie nicht brauchen zum Heil der Deinen? Du kennst alle dunklen Stellen ihres Lebens, kennst ihre besondern Gefahren - willst du nicht aus jeder einzelnen die Mahnung hören: Bete für mich? Wohl haben sie also mit ihren Lippen vielleicht noch nie zu dir gesprochen. Und doch, aus den Kämpfen deines Vaters, aus den Anfechtungen deines Gatten, aus den Gefahren deines Kindes steigt Jahr ein, Jahr aus, bei Tag und bei Nacht, wie lange, lange schon, der stumme Seufzer auf: Bete für mich, dass ich nicht erliege! Du bist vielleicht ein armes Kind, ein schwaches Weib, kannst noch nicht oder nicht mehr, die du liebst, beschützen. Und doch eine Engelwache kannst du um sie stellen, mit deiner Fürbitte. Kannst du mit deiner Fürbitte auch nicht immer die Versuchung, Leid und Tod von ihnen fern halten, du kannst doch in der Versuchung, in Leid und Tod sie dadurch stärken und bewahren, sie dadurch leichter und sanfter durch alle Kämpfe hindurchtragen, und im Himmel droben werden sie dir es einst sagen und danken. (Adolf Clemen)
Des Gerechten Gebet vermag viel.
Zum erfolgreichen Gebet gehört ein mächtiges Durchdrungensein davon, dass Jesus lebt, für mich lebt, dass Er, der Herr der Herrlichkeit, mich in Sein Herz eingeschlossen hat, mich vertritt vor Gott und allewege bereit ist, mir himmlische und irdische, geistliche und leibliche Güter aus Gnaden zu geben. Der Glaube an den persönlichen, lebendigen Heiland ist die Grundlage des erhörlichen Betens. Wenn wir bekennen: Jesus lebt, so muss sich das durch Lebenskundgebungen des Herrn als Wahrheit erweisen. Ein Götze kann nicht hören und nicht antworten, der lebendige Gott aber offenbart sich denen, die Ihn anrufen, Er hört ihr Schreien und hilft ihnen. Dem Beter muss es feststehen und über alle Zweifel erhaben sein: Gott ist treu und wahrhaftig und hat die herrlichsten Verheißungen gegeben, weil Er sie erfüllen und verwirklichen will. Es macht dem gnadenreichen Gott Freude, wenn wir ein großes Zutrauen zu Ihm haben; uns wohlzutun ist Seine Lust. Wir müssen nur recht stille und geduldig sein und kindlich und vertrauensvoll warten, wenn der Weg, den der Herr uns führen muss, um uns erhören zu können, dunkel, rau und unverständlich ist. Bete fort und warte, verzage nicht und werde nicht aufgeregt, harre des Herrn; wenn Seine Stunde gekommen sein wird, kann sich alles aufs herrlichste gestalten. Habe nur nicht deine, sondern Seine Ehre im Auge. Gott kann sich als der Wunderbare erweisen. Wieviel das ernste Gebet vermag, das wird treuen Betern immer wieder aus Erfahrung klar: „Glaubet nur, und nichts wird euch unmöglich sein!“ Matth. 17, 10. (Markus Hauser)
„Betet füreinander.“
Muss man das immer wieder sagen? Unwillkürlich frage ich mich: was gibt's denn für starke Hemmungen der Fürbitte, dass die Mahnung dazu in den Briefen der Apostel so oft wiederkehrt? Einwände des Verstandes, Gründe der Wissenschaft werden es dazumal so wenig gewesen sein, als sie es heute eigentlich sind, die den Betern ihr Schwert aus der Hand nehmen. Nein, es sind Trägheit und Selbstsucht, die am allermeisten lähmen. Oder ist's nicht wahr, dass wir, wenn uns eine dringende Not traf, mit großem Eifer für uns beten? Aus Selbstsucht überwinden wir die Trägheit. Wenn wir den Bruder wirklich ehrlich lieb haben, dann ist's uns sofort leichter, seinen Schmerz auch als unsern zu empfinden und mit Inbrunst für ihn zu beten. Also der Mangel an Liebe ist schuld. Aber Bruderliebe ist der einzige Beweis für unsere Liebe zum Heiland. Sie muss also bei uns in Blüte stehen, wenn unser Glaube echt ist. Wollen wir so anfangen: zuerst wirklich glauben an die Vergebung der Schuld. Wem viel vergeben ist, der liebt viel. Jetzt wendet sich unser Lieben auf Jesus, und er liebt uns wieder. Dann muss die nächste Folge sein, dass wir die Brüder besser lieben, und diese bessere Liebe treibt die Trägheit aus und drängt zur Fürbitte.
O, Herr Jesu, mach uns treuer im Lieben und Beten, damit in der unsichtbaren Welt Riegel zurückgeschoben werden und deine Segensfluten niederströmen auf deine Beterschar. Segne unsere Brüder und durch ihr Wachstum uns. Amen. (Samuel Keller)
„Betet füreinander.“
Warte nicht, bis dein Nächster über seiner eigenen Zerfahrenheit und Zerklüftung bekümmert zu dir kommt und dir mit abgewandtem Blick leise sagt: „Bete für mich!“ Lange vorher sagt es dir dein Heiland schon; lange vorher wartet er darauf, dass deine Liebe so rein von selbstsüchtigen Gedanken werde, dass sie mit Sehnsucht und heißem Drang für den andern eintreten kann. Du bist dann erst dazu geworden, was man in der unsichtbaren Welt von dir erwartet. Diese geistliche Reife erschließt dir dort neue Rechte, neue Ansprüche, so dass du auf solches Guthaben hin kommen darfst und dich einsetzen für jenen andern. Gläubige Fürbitte fällt dort, wo man die Schicksale formt, als eine Einzahlung von Liebe und Güte ins Gewicht. Gott kann sie nicht übersehen; irgendwie gestaltet sie das Ergehen des andern um. Entweder wird die Tür des Glaubens dem Zaudernden noch länger offen gehalten, oder deine Fürbitte hebt ein Verhängnis auf, das sonst über ihn kommen müsste. Ach der unerkannten Macht von der Heil'gen beten!
Hier stehe ich vor dir, mein Gott, und flehe für mein Weib und meine Kinder, meine mitverbundenen Gläubigen, meine Kranken, meine Angefochtenen, meine besonderen Freunde und erbittertsten Gegner: Herr, erbarme dich! Amen. (Samuel Keller)
„Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
Woher denn bei uns, Gebetsfreunde, bisweilen die Unlust zum Beten? Wenn nicht körperliche Ursachen vorliegen (die man bei etwas Aufmerksamkeit meistens vermeiden kann), oder eine bestimmte Anfechtung des Bösen sich dahinter versteckt, meine ich den Hauptgrund im halb unbewussten Leben der Seele suchen zu müssen. Unser Bewusstsein ist doch immer nur ein kleines Stück von der Oberfläche; was uns im Augenblick nicht bewusst ist, bildet den eigentlichen Bestand unseres Seelenlebens. Wenn dort alte Schuld, neue Untreue, Verstimmung gegen andere Menschen, Empfindlichkeit, Geld- oder Ehrliebe vorherrschen, gibt das einen Luftdruck, der dem Gebet an der Oberfläche des Bewusstseins schädlich ist. Lässt man sich dadurch abhalten zu beten, wächst dort im Dunkel die Abneigung. Also zwing dich nie zum Gebet vor Menschen; aber zwing dich täglich zum leisen anhaltenden Beten vor Gott! Ernstlich, d.h. wir meinen im Augenblick wirklich das, was wir erbitten. Bittest du um Geld, musst du ehrlich auch geben wollen, bittest du um Gesundheit, musst du auch das deine dazu tun; bittest du um Erbarmen für andere, so musst du ihnen auch Erbarmen zeigen.
Lieber Vater im Himmel, wir Armen bitten um deinen Reichtum! Schenk' uns den Heiligen Geist, vollkommene Freude und Kraft zum Lauf nach dem Ziel. Ohne dich verkümmern wir. Darum nimm dich unseres Betens an und mach es gesund und stark und wahr. Amen. (Samuel Keller)
Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.
Dies Wort soll uns in Erinnerung bringen unser kostbares Christenvorrecht, nicht nur mit Wirken und Arbeiten, sondern auch mit Beten viel zu erreichen. Das Gebet vermag viel - das gibt uns einen neuen Sporn, den Mahnungen des Wortes Gottes zum Beten zu folgen, das fasst die zahlreichen Beispiele der heiligen Geschichte von rechtem, erhörlichen Beten in eins zusammen, das bestätigt sich in den Erfahrungen der Christenheit aller Zeiten. Und dennoch meinen viele, die Christen heißen, für ihre Person diese Erfahrung nicht gemacht zu haben und daran zweifeln zu dürfen, dass das Gebet eine Macht im Menschenleben sei. Das würde anders werden, wenn man überall, wo man noch betet, das obige Schriftwort genauer ins Auge fassen und in seinem vollen Umfange auf sich anwenden wollte. Des Gerechten Gebet vermag viel, schreibt der Apostel; es kommt also darauf an, ein Gerechter zu sein, um die Macht des Gebets erfahren zu können. Um eine Gerechtigkeit aber handelt es sich hierbei, Gott sei Dank, die nicht durch Werke erworben wird, so dass nur große Heilige, gerechte Fromme, bewährte Täter des Wortes recht beten können, sondern um eine Gerechtigkeit, die allen armen Sündern aus Gnaden um Christi willen geschenkt und durch den Glauben empfangen wird, so dass jeder, welcher danach verlangt, es an sich selbst erproben kann, welches die Macht des Gebetes sei. Trachten wir nur zuerst nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, bitten wir Morgens und Abends und besonders in aller Not nur vor Allem um Vergebung unserer Sünden, durch welche wir der Rechtfertigung immer wieder gewiss gemacht werden, bringen wir all' unser Anliegen als die Gerechten, als die Kinder vor unseren Vater im Himmel; gewiss, es wird unser eigenes Erfahrungsbekenntnis werden: Der Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. „Wenn es ernstlich ist,“ das ist freilich die unerlässliche Bedingung für jedes einzelne Gebet, soll es was vermögen, so wie die Gerechtigkeit für das Gebet überhaupt. Ernstlich beten heißt aber ernstlich meinen das, was man im Gebet vor Gott redet, keine Phrasen und Worte machen, und, wo man bittet, ernstlich wünschen das, warum man bittet. In diesem letzteren Stücke wird sich das ernstliche Beten bewähren müssen durch ein tatsächliches Streben nach Erfüllung des Wunsches, den wir im Gebet aussprechen. So ist allerdings rechtes Beten immer mit einem Tun verbunden, nicht als ob man durch das Tun ein Verdienst geltend mache vor Gott, sondern indem das Tun das Siegel für die Ernstlichkeit der Bitte bildet. Jede besondere Bitte muss auch ein besonderes Tun bei sich haben; wer da bittet ums tägliche Brot, der arbeite im Schweiße seines Angesichts; wer bittet um Errettung aus dieser oder jener Not, der trachte auch sich selbst daraus zu helfen und begebe sich nicht in Gefahr, tiefer ins Elend hineinzugeraten; wer da bittet für seine Mitmenschen, der verleugne sich selbst und diene oder helfe ihnen; wer um Vergebung der Sünden bittet, der lasse die Sünde und kämpfe gegen sie; sonst ist's kein ernstlich Gebet und vermag nichts. Und wenn wir unter schwerer Last und in größter Schwachheit oder einer Not gegenüber, der Menschentun in keiner Weise abhelfen kann, vermeinen nichts tun zu können, so belehrt uns des Herrn Wort Matth. 1, 29 und 30 eines Besseren, wenn er spricht: „nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir;“ sanftmütig und demütig sein Kreuz tragen, das ist auch ein Tun, das auf das Ziel unserer Gebete, Ruhe für die Seelen, hinführt; dann wird das Gebet ernstlich sein und viel vermögen, nämlich das, dass das Joch sanft und die Last leicht wird. Wer es also ernstlich nimmt mit dem Gebet und es lernt im Glauben, als ein Gerechter, zu rufen: Abba, lieber Vater! dessen Gebet wird eine Macht in seinem Leben und an dem erfüllt sich die Verheißung: bittet, so wird euch gegeben. (Thomas Girgensohn)