Galater 1,6

Andachten

Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst, von Dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, auf ein anderes Evangelium.
Keine Verfolgung und keine Reizungen der Wollust wurden den Galatern gefährlich: hingegen brachte sie der unbedachtsame Leichtsinn, oder die Untreue gegen die erkannte Wahrheit des Evangelii beinahe um ihren Gnadenstand. Sie ließen sich von dem himmlischen Vater, der sie in die Gnade Christi berufen hatte, auf ein anderes Evangelium abwenden, und zwar bald oder schnell, dass sich Paulus darüber wunderte. Vorher waren sie durch den Dienst Pauli von Gott in die Gnade Christi berufen worden, und hatten auch diese Gnade, welche Gerechtigkeit, Licht, Leben, Freiheit, Segen und Geistesgaben in sich fasst, durch den Glauben erlangt. Das Evangelium, durch welches sie berufen worden waren, war das wahre Evangelium. So lange sie dabei blieben, waren sie selige Leute. Es kamen aber in der Abwesenheit Pauli Leute zu ihnen, welche sich einen Anhang machen wollten, und sie überredeten, das Zeremonialgesetz, welches Gott den Juden gegeben hatte, sei der Weg zum Leben, und zwar nicht insofern es Vorbilder auf Christum enthielt, sondern insofern es mühsame Werke gebot. Sie sagten, diese Werke müsse man tun, damit man durch dieses Tun die Seligkeit erlange. Wie nun Paulus diesen Irrtum widerlegt habe, kann man in seinem ganzen Brief an die Galater finden. Im Anfang desselben bezeugte er seine Verwunderung über die schnelle Abkehr der Galater zu dem falschen Evangelio, welches sie doch ihrer vorigen Geisteskraft und ihres Friedens beraubte, und sie gleichsam in eine dürre und finstere Sandwüste führte. Es ist freilich immer wunderlich und beinahe unerklärlich, wenn ein begnadigter Christ seinen Gnadenstand verlässt, und sich zu etwas wendet, das ihm die Welt anbietet. In dem ersten Augenblick seiner Abkehr sollte er den Schaden merken, den er an seiner Seele leidet: allein ein Mensch kann sehr unvernünftig handeln. Er kann wie ein unverständiges Kind sich kostbare Kleinodien abschwätzen, und schlechte Scherben dafür geben lasen. Das Neue, so schlecht es auch ist, macht immer eine gefährlich Reizung bei ihm. Er kann also unbesonnen handeln, und sich selbst schaden, wie Einer, der bezaubert ist.

Zu unserer Zeit ist ein großer Teil der Christenheit es alten Evangelii, das Christus und die Apostel gepredigt haben, müde werden, und wendet sich zu einem andern unechten Evangelio, welches gelehrte Verführer so ausdenken, dass sie zwar das jüdische Zeremonialgesetz Niemand aufdringen, aber doch nur eine trockene Sittenlehre predigen, und dabei die Gottheit und Genugtuung Christi und die Wirkungen des Heiligen Geistes verläugnen. Die Sittenlehre soll also der Weg zum ewigen Leben sein. Sie selbst aber halten dieselbe nicht, und von ihren Anhängern kann keiner sie halten, weil sie Christum und Seinen Geist verläugnen. Was wird endlich aus diesem Allem werden? Der Abfall, von dem Paulus 2 Thess. 2. geweissagt hat, hernach eine gräuliche Verführung zu der antichristlichen Religion: am Ende aber wird der Fluch, den Paulus Gal. 1,8.9. ausgesprochen hat, die Verführer so treffen, dass sie ihn fühlen werden. Wer also die Wahrheit erkannt, und die Gnade Jesu Christi erlangt hat, halte, was er hat, dass ihm Niemand seine Krone nehme. (Magnus Friedrich Roos)

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