„Die Liebe Christi dringt uns also.“
Wie vieles verdankest du meinem Herrn? Hat Er je etwas für dich getan? Hat Er dir deine Sünden vergeben? Hat Er dich gekleidet mit einem Kleid der Gerechtigkeit? Hat Er deinen Fuß auf einen hohen Felsen gestellt? Hat Er deinen Gang gewiss gemacht in deinen Schuhen? Hat Er dir eine Wohnung im Himmel bereitet? Hat Er dich für den Himmel geschmückt? Hat Er deinen Namen in sein Buch des Lebens eingeschrieben? Hat Er dich mit unzählbaren Wohltaten überschüttet? Hat Er für dich Reichtümer der Gnade aufbewahrt, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat? Dann tue auch etwas, was seiner Liebe wert ist. Biete deinem sterbenden Erlöser nicht bloß das leere Opfer deines Mundes dar. Was musst du empfinden, wenn dein Meister kommt, und du Ihm bekennen musst, dass du nichts für Ihn getan hast, sondern dass du deine Liebe abgesperrt hieltest wie einen stehenden Wassergraben, so dass sie weder seinen armen Brüdern, noch seinem Werk zufloss? Fort mit einer solchen Liebe! Was halten die Menschen von einer Liebe, die sich nie durch Taten beweist und offenbart? „Ach,“ sagen sie, „öffentliche Zucht ist besser als heimliche Liebe.“ Wer mag etwas von einer Liebe wissen, die so schwach ist, dass sie dich nicht einmal zu einer einzigen Tat der Selbstverleugnung, der Großmut, des Heldensinnes oder der Begeisterung reizt! Bedenke, wie sehr Er dich geliebt hat, und hat sich selbst dahingegeben für dich! Kennst du die Macht dieser Liebe? Dann lass sie für deine Seele einen rauschenden, gewaltigen Wind sein, der die Wolken deiner Weltliebe hinwegfegt, und den Staub deiner Sünde vertreibt. „Um Christi willen,“ das sei die feurige Zunge, die sich auf dein Haupt setze; „um Christi willen,“ das sei das göttliche Entzücken, der himmlische Hauch, der dich über die Erde emporträgt, das sei der göttliche Geist, der dich kühn macht gleich dem Löwen, und schnell wie des Adlers Flug im Dienste des Herrn. Die Liebe sollte den Füßen der gottdienenden Tat Flügel verleihen, und Kraft den Armen des Wirkens. Auf Gott gerichtet mit einer Beständigkeit, die nichts erschüttern kann, entschlossen, Ihn zu ehren, mit einer Bestimmtheit, die sich durch nichts lässt abwendig machen, und vorwärts strebend mit einem Eifer, der nimmer ermüdet, wollen wir unsre Liebe zu Jesu laut bezeugen. Möge das Gewicht der göttlichen Waage uns himmelwärts heben, Ihm entgegen! (Charles Haddon Spurgeon)
Wir halten dafür, dass so Einer für Alle gestorben ist: so sind sie Alle gestorben.
Die Wahrheit, die Paulus in diesen Worten ausdrückte, war so wirksam bei ihm, dass sie eine sehr große Frucht hervorbrachte. Er sehnte sich nach seiner himmlischen Behausung, er befliss sich, während seiner Wallfahrt und dereinst in seiner himmlischen Heimat dem HErrn wohlzugefallen. Bei dem Eifer um Gottes Ehre überließ er sich zuweilen einem außerordentlichen Trieb, zuweilen aber handelte er auch mäßig, um der Leute, mit denen er zu tun hatte, liebreich zu schonen. Um nun die Korinther, ja uns alle in den tiefen Grund dieses Verfahrens, ja in sein Herz hinein sehen zu lassen, setzte er hinzu: Denn die Liebe Christi dränget uns also: sintemal wir halten, dass so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Paulus hatte also den Berg Sinai hinter sich, wo der HErr als ein eifriger Gott unter Donner und Blitzen gebot und verbot, und die Menschen dadurch schreckte und zu Versprechungen drang, welche sie nicht erfüllten, s. 2 Mos. 20,19.20. Paulus wusste gar wohl, was das Gesetz vermöge, welches auf diesem Berg gegeben ward, und hat es Röm. 7,9-24. ausführlich beschrieben. Man wird getötet, das ist verurteilt und niedergeschlagen durchs Gesetz: die Sünde aber wird nicht getötet, sondern durchs Verbieten lebendig. Man fühlt, dass man fleischlich und unter die Sünde verkauft sei. Man tut, was man nicht will, und tut nicht, was man will. Man hat Lust am Gesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen, sieht aber ein anderes Gesetz, das ist einen gewaltsamen Trieb, in seinen Gliedern, welches dem Gesetz Gottes, das man sich im Gemüt als eine notwendige Regel des Lebens vorstellt, zuwider ist, und den Menschen gefangen hält. Soweit bringt’s also der Berg Sinai mit seinem Gesetz, dass der Mensch bei einem unkräftigen guten Willen sich als fleischlich, als gefangen, als elend fühlen muss, und einen gewissen Tod in seiner Seele empfindet. Hier entsteht also nichts von derjenigen heiligen Sehnsucht, Fleiß, Eifer und liebreichen Zärtlichkeit, die Paulus von sich selbst bezeugen konnte, und überhaupt nichts von der Frucht des Geistes, die Gal. 5,22. beschrieben ist. Wie entsteht aber dieselbe? Sie entsteht, wenn der durch das Gesetz verurteilte und erschreckte Sünder, dergleichen einer Paulus auf seiner Reise nach Damaskus geworden war, von dem Heiligen Geist auf den Hügel Golgatha geführt wird. Da hängt und stirbt Einer, der Seines Gleichen nicht hat, am Kreuz. Wir wissen, wer dieser Einige sei. Er ist der eingeborne Sohn Gottes, das Wort, welches Fleisch geworden war, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Stellvertreter der Menschen, Jesus Christus. Er starb eines wahrhaftigen Todes. Er starb aber für Alle, Er gab sich selbst für Alle zur Erlösung. Aber Gott hielt davor, dass im Augenblick des Todes Jesu alle Sünder gestorben seien, und deswegen durfte es Paulus auch davor halten. Man stelle sich vor, ein einiger reicher Bürge bezahle für viele verarmte Schuldner. Wenn nun dieses geschieht, so hält man gerichtlich dafür, dass, da der einige Bürge bezahlte, alle Schuldner bezahlt haben, weil die Bezahlung in ihrem Namen geschehen ist.
So sehe ich denn den Augenblick, da Christus am Kreuz gestorben ist, als denjenigen an, in welchem das ewig geltende Versühnopfer für mich geopfert, meine Schuld bezahlt und mir der Zugang zu Gott geöffnet worden. In demselben Augenblick Seines Todes hat Christus die größte Probe Seiner Liebe gegen die Welt abgelegt, für welche Er ewiglich gepriesen werden wird. Und diese Seine Liebe dränge mich, nicht mir selber zu leben, sondern Demjenigen, der für mich gestorben und auferstanden ist. (Magnus Friedrich Roos)
Einer ist für Alle gestorben. Ein Tod war zur Versühnung der Welt nötig: diesen Tod aber hat Christus gelitten. Einer ist für Alle gestorben. Sein Tod geschah zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem Alten Testament waren, das ist, er galt für die Sünden, die zur Zeit des Alten Testaments begangen worden, und zwar den Bußfertigen und Gläubigen vergeben, aber noch durch keine Versühnung getilgt worden waren: damit diejenigen, welche unter dem Alten Testament berufen worden, und den Beruf angenommen haben, das verheißene ewige Erbe am jüngsten Tag rechtmäßig empfangen könnten, Hebr. 9,15. Der Tod Jesu geschah aber auch zur Erlösung von den Sünden, die unter dem Neuen Testament geschehen. Er trug überhaupt als das Lamm Gottes die Sünde der Welt; und wurde durch Seinen Tod die Versühnung für unsere und der ganzen Welt Sünde. Christus starb nicht so für Alle, wie Jemand für sein Vaterland, das ist zum Besten seines Vaterlandes, sterben kann, oder wie ein Christ das Leben für die Brüder, das ist zur Rettung der Brüder, lassen soll. Alle solche Vorstellungen sind noch zu niedrig, als dass sie der Wichtigkeit des Todes Jesu völlig entsprächen, denn Paulus sagt 2 Kor. 5,14.: wir halten dafür, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Hier werden wir also auf den Gedanken von einer gerichtlichen Ästimation oder Schätzung geleitet. Da Christus am Kreuz starb, galt es bei Gott so viel, als ob alle Sünder am Kreuz gestorben wären, und die Genugtuung für ihre Sünden geleistet hätten. Wir halten dafür, dass dem so sei, wie Paulus sagt: und warum dürfen wir so denken? Darum, weil Gott selber den Tod Seines Sohnes so angesehen hat; denn in Glaubenssachen müssen unsere Gedanken den Gedanken Gottes gleichförmig sein. Einer ist für Alle gestorben. Die Folge davon ist unaussprechlich wichtig bei denjenigen, welche an Jesum gläubig werden. Gleichwie nämlich durch Einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist, und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben: also ist vielmehr Gottes Gnade und Gabe Vielen reichlich widerfahren, durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi, der für Alle gestorben ist; und um des willen die Sünde durch die Gnade und der Tod durch die Gabe des ewigen Lebens verschlungen und aufgehoben werden soll, Röm. 5,12.15. Lasst uns also oft an den Augenblick gedenken, da Adam sündigte, und denselben Augenblick als den Anfang alles Unheils in der Welt ansehen. Lasst uns aber ebenso oft, ja noch fleißiger an den Augenblick gedenken, da Christus am Kreuz im lautersten Gehorsam Seinen Geist in die Hände Seines Vaters übergab: denn an diesem Augenblick hängt das Heil Aller, die selig werden. Lasst uns von Herzen zu Jesu sagen: lieber HErre mein, Dein Tod soll mir das Leben sein; Du hast für mich bezahlet. Unsere Leiber werden zwar auch durch den Tod zerbrochen: wenn aber dieser Tod die Sünde als einen verderblichen Stachel nicht mehr in sich hat (und diesen soll er bei keinem Gläubigen mehr haben), so ist das Sterben ein Gewinn, und ein sehr glücklicher Schritt in ein besseres Leben. (Magnus Friedrich Roos)