1. Korinther 4,7

Andachten

Denn wer ziehet dich vor? Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als der es nicht empfangen hätte?

Warum sind deine Augen geöffnet, und warum ist dein Herz bewegt? Warum bist du zu dem Bilde Christi erneuert, während andere, die du kennst, selbst vielleicht Glieder deiner Familie, ihrer natürlichen Finsternis und den Banden der Sklaverei der Sünde überlassen blieben? Warst du besser als irgend einer von ihnen? Nein, in keiner Weise; der einzige Grund dieses Unterschiedes, den du angeben könntest, ist der, den der Herr Jesus selbst bezeichnet: „Vater, also ist es wohlgefällig gewesen vor dir.“ (Mat. 11,26).

Alle Gaben, die du empfängst, die Verheißungen, die du ergreifst, so wie die täglichen Kämpfe, die du bestehst, sind die erfahrungsmäßigen Beweise dieser freien Gnade Gottes. Sie finden allerdings statt unter der Mitwirkung deines Willens; dennoch wirkt nach der Schrift Gott das „Wollen“ und das „Vollbringen“, und beides hängt nicht von den freiwilligen Anstrengungen des Menschen ab, sondern es ist das unmittelbare Werk Gottes des heiligen Geistes, „nach dem Wohlgefallen seines Willens“ (Eph. 1,5)

Wenn du dieser Vorstellung von der unumschränkten Macht Gottes die süßen Beziehungen hinzufügst, die er mit seinem Volk unterhält, dann wird sich in deinem Herzen die tiefste Ehrfurcht mit unbedingtem Vertrauen, die aufrichtigste Demut mit völliger Gewissheit, die wachsamste Tätigkeit mit willenloser Überlassung vereinigen; und was dann auch die Stellung sein möge, in die dich die göttliche Vorsehung versetzt hat, welchem Kreuz, welchen Feinden und welchen Prüfungen du zu begegnen berufen sein magst: Du wirst stets mit heiliger Freude daran denken, dass Gott der Herr, „der aller Welt Richter ist“ (1. Mo. 18,25, „der alle Dinge wirkt nach dem Rat seines Willens“ (Eph. 1,11), auch dir Recht schaffen wird.

Wir finden in einer auffallenden Weise die Ausübung dieser freien und unumschränkten Macht in dem Amt unseres Herrn Jesu auf der Erde. Seht ihn an im Geiste, wie er auf einen Berg steigt und diejenigen ruft, die er ausgewählt hatte; hört, wie er Wind und Meer, ja selbst die bösen Geister bedroht, und merkt, wie sie ihm gehorchen; steht still, um seine erhabene macht zu bewundern, durch die er alle Krankheiten heilt, der Blinden Augen öffnet, Tote auferweckt usw., und ihr werdet zweifelsohne erkennen, dass, „wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, also auch der Sohn macht lebendig, welche er will“ (Joh. 5,21). Ganz gewiss ist die Ausübung dieser freien Gnade einer der hervorragendsten Züge seines Amtes, und die Wirkung dieser Lehre auf das fleischliche Herz des Menschen war damals dieselbe, wie sie es auch heute noch ist; noch immer offenbart sich dieselbe Gesinnung bei ihnen, wie weiland in Nazareth: „Als sie das hörten, wurden sie voll Zorns.“ (Luk. 4,28) (Hermann Heinrich Grafe)


Äußerlich soll ein Unterschied sein, ein Fürst höher und besser, denn ein Bauer, ein Prediger gelehrter, denn ein geringer Handwerksmann. Da kann ein Herr nicht Knecht und eine Frau nicht Magd sein. Gleichwohl aber sollen die Herzen in solchem Unterschied gleichgesinnt sein, und sich derselben Ungleichheit nicht rühmen. Das geschieht, wenn ich dem Nächsten zu Gute halte, ob er wohl geringern Standes, ist, und weniger Gaben hat, denn ich, und lasse mir sein Werk, da er als Hausknecht seine Pferde wartet, ebensowohl gefallen, als meine Werke, da ich predige, oder Land und Leute regiere, obgleich das meine besser ist und mehr Nutzen schafft, als jenes. Denn ich muss nicht ansehen die äußerlichen Larven, sondern, dass er in demselben Glauben, und Christo lebt, und hat ebensoviel von der Gnade, Taufe und Sakrament, ob ich gleich höher Werk und Amt habe. Denn es ist einerlei Gott, der solches alles schafft und lässt sich das Geringste ebensowohl gefallen, als das Allergrößte! Amen. (Martin Luther)


Wer hat dich vorgezogen? Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast, was rühmst du dich denn, als der es nicht empfangen hätte?

Wie weise wäre es doch, wie viel Schmerzen und Demütigungen könnten wir uns sparen, wie viel weniger Menschen würden wir verletzen und viel mehrere erfreuen, wenn wir uns immer klar machen wollten, dass Alles, was wir haben, Gottes Gabe ist. Wenn du gescheiter, liebenswürdiger, geistreicher oder schöner bist wie dein Nachbar, hast du dir das denn selbst gegeben? Hast du es nicht ohne all dein Zutun, Verdienst und Würdigkeit als Naturgabe empfangen, ehe du denken konntest? Und auch das, was du dir erworben hast, sei es Ehre oder Reichtum oder Würde oder Gelehrsamkeit, musst du nicht bekennen, dass du ohne die „Gunst der Umstände“ (wie man sagt), auch trotz all deines Eifers und Fleißes nichts oder nur wenig würdest erlangt haben? Wohl sagt das Sprichwort: „Jeder ist seines Glückes Schmied“, aber es ist doch nur wahr, wenn Gott das Feuer bläst. Musst du nicht bekennen, dass Andere trotz größerer Gaben und treuerer Arbeit doch nichts vor sich gebracht haben? Ist also nicht Alles, was wir sind und haben, Gabe und Gnade? Sollte es uns also nicht bescheiden und demütig machen, wenn Gott uns vorgezogen hat?

Aber ach, wir Narren, wie schmücken wir uns so gerne mit Gottes Federn und tun uns groß mit dem, was wir doch nur empfangen haben, als ob wir es nicht empfangen, sondern durch unsere Tüchtigkeit erworben hätten! Fordern wir nicht mit solcher Großtuerei Gottes Gericht über uns herab, dass Er uns wieder nehmen muss, was uns demütigen sollte und was wir doch nur gebrauchen, uns damit zu zieren und Solche, die weniger als wir empfingen, zu demütigen? Lieber Mensch, sei doch so ehrlich, so demütig, so mutig, so praktisch, so vernünftig und predige es dir an jedem Tag und an jedem Ort: Was ich bin und was ich habe - Gottes Gabe ist es und nichts als Gabe. Weihe dir in deinem Kämmerlein einen besonderen Winkel, wo du deine Eitelkeit und deinen Stolz zerdrischst und zerstampfst, zertrittst und folterst auf alle Art, gleichviel ob es Geldstolz oder Adelstolz, Bauernstolz oder Pfaffenstolz ist - gleichviel ob du dir auf deine schöne Stimme oder auf deine schönen Kinder, auf deine Energie oder auf deinen Witz, oder auf deine geistlichen Erfahrungen was einbildest. Das erst hast du wirklich, worüber du in Demut dankst, und das erst genießt du, was dich vorher in den Staub gebeugt hat, und nichts behältst du auf die Dauer, wovon du nicht festhältst, dass es eine der guten und vollkommenen Gaben ist, die von Oben herabkommen von dem Vater des Lichts.

Ich weiß, mein Gott, dass all' mein Tun
Und Wert in deinem Willen ruhn,
Von dir kommt Glück und Segen;
Was du regierst, das geht und steht
Auf rechten guten Wegen.

Dein soll sein aller Ruhm und Ehr',
Ich will dein Tun je mehr und mehr
Aus hocherfreuter Seelen
Vor deinem Volk und aller Welt,
So lang' ich leb', erzählen. (Otto Funcke)

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