Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft.
Wie könnte ich es seltsam heißen, dass Paulus von Menschen spricht, denen das Leben durch das göttliche Urteil genommen wird? Wenn er die Menschen einteilt in solche, die sterben, und in solche, die gerettet werden, so ist daran nicht die erste, sondern nur die zweite Aussage wunderbar. Dass wir weggerafft werden und der Blume des Grases gleichen, die abfällt, ohne dass ihre Stätte kenntlich bleibt, das ist die einleuchtende Ordnung Gottes, gegen die es keine Einrede gibt. Aber geheimnisvoll, überraschend und unser Erstaunen erweckend ist die andere Tatsache, dass es in dieser sterbenden Schar solche gibt, die aus dem Tod heraus ins Leben gelangt sind durch Gottes rettende Tat. Wie unterscheiden sich die beiden Klassen von Menschen? Du siehst, sagt mir Paulus, wohin du gehörst, an der Weise, wie du dich zum Kreuz Jesu stellst; sagst du, es sei eine Torheit, so gehörst du zu den Sterbenden. Das Urteil, der Gang Jesu an das Kreuz sei eine Torheit gewesen und die Verkündigung desselben, die aus ihm die herrliche Gnade Gottes macht, sei närrisch, entsteht nicht durch eine Erkrankung unseres Gehirns oder durch eine seltsame Verengung unseres seelischen Vermögens; wir kommen vielmehr alle zu diesem Urteil, wenn wir nur das haben, was die Natur uns gibt. Dem natürlichen Begehren gefällt der, der sich selbst erhöht, nicht der, der sich erniedrigt, der, der für sich sorgt und sich Macht erwirbt, nicht der, der für andere stirbt, und wenn wir fromm sind, wird der Anstoß am Kreuz Christi noch besonders hart.
Werden wir vor sein Kreuz mit der Mahnung: sieh hier, was Gott will und dir gibt, so wenden wir uns ab, weil wir eine Gnade begehren, die uns in die Höhe hebt und uns unangreifbar und selig macht. Es gibt aber unter den Menschen nicht nur Sterbende, sondern auch solche, die gerettet werden, und ihr Merkmal ist, dass ihnen das Wort vom Kreuz Gottes Kraft offenbart. Sie reden nicht von einem tragischen Schicksal, das Jesus erlitten habe, durch das die göttliche Verheißung verkürzt worden und Gott vor der Sünde der Menschen zurückgewichen sei. Die Kraft Gottes war am Werk in dem, was auf Golgatha geschah, und die Kraft Gottes ist in dem Wort verborgen, das mir vom Sterben Jesu erzählt, die Kraft, die vergibt, und Vergebung ist Stärke, weil sie die Sünde ans Licht stellt und überwindet, Kraft, die Versöhnung schafft und Gemeinschaft stiftet, die Kraft der Liebe, die stärker ist als Schuld und Tod. Und nun senkt sich die Kraft, die am Kreuz Jesu ihr Werk vollbracht hat, in unsere Seele hinein und macht das Gewissen still, wenn es verklagt, und die Sünde tot, wenn sie uns lockt, und den Glauben wach, der sich Gott ergibt, und die Liebe lebendig, die dem Vater an den Brüdern dient. Weil solche Gotteskraft aus dem Kreuz Jesu strömt, gibt es unter uns Gerettete.
Wenn ich den Blick zu Deinem Kreuz erhebe, Herr Jesus Christ, dann sterben die dunklen Gedanken, die das schwach und töricht nennen, was Gottes Kraft und Weisheit schuf. An Dir, dem Gekreuzigten, erkenne ich, dass Gott Licht ist und ist nicht Finsternis in ihm und dass er Liebe ist in rettender Gerechtigkeit. Wird mein Blick trübe, dann schenke mir aufs Neue den Anblick Deiner Gnade. Amen. (Adolf Schlatter)
Das Wort vom Kreuze ist uns, die wir selig werden, eine Gotteskraft.
Einsam und verlassen sehe ich dich, mein Heiland am Kreuze hängen mitten inne zwischen zwei Schächern. So ist's auf Erden lästernde, tobende und zerschlagene, anbetende Schächer: und du, o Jesu, in der Mitte du am Kreuze! Es ist ein rechtes, dürres Kreuz, ein Fluchholz, woran du hängst. Du selbst, du Sohn des Hochgelobten, du Freude der Engel und Trost deiner Auserwählten, bist es, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt ist. Es war die dritte Stunde des Tages, als man dich ans Kreuz erhöhte; es war um die sechste Stunde, dass die Sonne ihren Schein verlor und Finsternis dich am Kreuze umhüllte. In der neunten Stunde schrie der Herr laut am Kreuze und gab seinen Geist auf, Nun ist Gottes ewige Kraft und Herrlichkeit geoffenbart am Kreuze Christi. Sünde musste Sühne finden und fand sie am Kreuze des Gekreuzigten. Gott ist nimmer ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt. Gottesliebe in ihrer Unergründlichkeit wird nun gepriesen, dass er seines einigen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für mich dahingegeben hat als das Lamm, das meine Missetat trägt. Nun ist die Liebe geoffenbart. Nun falle es mir wie Schuppen von den Augen. Es ist der Fluch, welchen meine Seele vor Gott und seinen reinen Augen trägt und welchen mein Heiland auf sich genommen hat an dem Holz des Fluches. Es ist nur Segen, welcher vom Kreuze Christi zu mir herniederkommt, hinter diesem Kreuze liegt kein Zorn Gottes mehr verborgen. Meinen Fluch trug er hinauf an sein Kreuz, den Segen bringt er mir hernieder. Jesu, du gekreuzigter Heiland, so ist nun Gottes unsichtbares Wesen an deinem Kreuze geoffenbart, und so werde ich vor dir offenbar, dass ich am Fluche Gottes krank bin und durch deinen Segen gesunde. Herr, das ist Gottes Kraft. Ja Kraft, Kraft! Was nutzen Worte mir? Was sollen Schatten meiner Seele helfen? Die Welt und der Tod und die Sünde in mir sind auch Kräfte und weichen nur der Kraft. Es müsse Kraft Gottes Kraft, Kraft aus der Höhe sein, wie du sie versprochen. Herr, mein Erbarmer, lass das Wort von deinem Kreuze eine blitzeshelle Kraft in meinem Gewissen sein, die mich beuge mit allen meinen Kräften unter Gott. O lass es eine warme Kraft der Liebe sein in mir, dass ich vor Gott blühe in Vertrauen und Dankbarkeit. O Jesu, wende dich zu meinem Gebete und lass das Wort von deinem Kreuze wie großes Wasser rauschen voll Gerechtigkeit und Frieden vor mir sein. Vor dir stehe ich, zu dir rufe ich, dich bete ich an. Du bist für mich gekreuzigt und ich bin durch dich errettet und gesegnet.
Ich bleibe nun in diesen Stunden, Da Gott die Welt gehüllt in Nacht, Da hingesenkt in Qual und Wunden Mein Freund verschied, der Herr der Macht; Da flammt sein Geist auf mich hernieder, Sein Himmel leuchtet im Gemüt, Ich höre Harfen, höre Lieder, wie nie auf Erden klang ein Lied. (Theodor Schmalenbach.)
Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gottes-Kraft. Denn es steht geschrieben: Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.
Torheit und Gotteskraft - so teilt sich das Wort vom Kreuz zur Rechten und Linken. Das ist schon auf Golgatha dargestellt an den beiden Schächern. Demnach geht nun auch die große Scheidung durch die Menschheit, die sich bezeichnet mit den Worten: „verloren werden“ und „selig werden“. Woher aber kam es doch, dass der zur Linken gekreuzigte Schächer sich so klug dünkte, von oben auf den Nazarener herabzusehen? und woher kommt es, dass die Weisen und Klugen und Verständigen aller Zeiten sich überheben und das Wort vom Kreuz als eine Torheit verurteilen? Es liegt nur am unbußfertigen Herzen, an dem tiefinnerlich verborgenen Trotz, der sich auflehnt gegen das gerechte und heilige Gericht Gottes über Allem, was Sünder heißt und ist. Man denke doch ja nicht, dass es wirklich Gründe der Vernunft und Wissenschaft seien, welche den Menschen die Annahme des Wortes vom Kreuz verwehren; wie mans so oft hört und auch Viele es sich selbst vorreden, dass sie nicht glauben können; es sind immer nur Gründe des alten, bösen Herzens, der fleischlichen Natur; sie wollen nicht, es tut ihnen zu weh und ist zu hart, dies altgewohnte Sündenleben dran zu geben. Darum macht der Herr die Weisheit der Weisen zunichte und verwirft den Verstand der Verständigen, und so fahren sie dahin als die größten Toren, und müssen's ertragen, wenn Satan und die ganze Hölle sie ewig auslachen, um der Torheit willen, dass sie sich selbst um die Seligkeit betrogen haben; o, es muss über alle Begriffe furchtbar sein, so ausgelacht zu werden. Ist aber das Wort vom Kreuz Dir eine Gotteskraft, dann musst Du auch stark sein am inwendigen Menschen, stark im Glauben, der die Welt überwindet, stark in der Heiligung, Dich selbst zu verleugnen und das sündliche Fleisch zu töten, stark im Gebet, dem Himmelreich Gewalt anzutun, stark auch im Tode, dass Du Dich fest, fest anklammerst an das: „Heute mit Mir im Paradiese!“ (Nikolaus Fries)