Römer 7,1

Andachten

Was Paulus hier als eine besondere Erfahrung seines Herzens mitteilt, das ist zugleich eine allgemeine Erfahrung aller Menschen. Man hat viel darüber gestritten, ob hier der innere Kampf im bekehrten oder im unbekehrten Menschen beschrieben sei. Dieser Kampf findet sich gewiss im Herzen des unbekehrten Menschen in seiner schlimmsten Gestalt; aber im Herzen des Gläubigen wird er am deutlichsten erkannt. Dem Sündendiener ist er nicht klar geworden, obwohl sein Inneres schrecklich zerrissen ist; aber der Christ kennt ihn und seine Schmerzen genau, obwohl er durchgedrungen ist zum Siege. Der Christ erfährt eine leisere Wiederholung dieses inneren, heißen Streites in jeder Anfechtung der Sünde, und darum kann es bisweilen sogar scheinen, als hätte der eitle Mensch mehr Seelenruhe als er; nämlich dann, wenn jener in der Zerstreuung sich vergisst, wenn er in den Lüsten und Sorgen dieser Welt die Stimme seines Gewissens betäubt. Aber wenn er nicht umkehrt, so sinkt er zuletzt durch die finstere Ruhe der Verstockung in die Höllenangst der Verzweiflung, während der Christ durch jeden neuen Kampf einen neuen Sieg über die zurückgebliebene Sünde in seinem Innern erringt und zu einem reicheren Frieden hindurchdringt. Durch die Sünde ist in jedem ein doppeltes Gesetz, ein doppelter Wille entstanden; jede Menschenbrust ist ein ernster Kampfplatz zwischen Selbstsucht und Gottes Geist, Eigenwillen und göttlichem Willen; jeder fühlt beim Streben nach Vollkommenheit die Fesseln der Sünde: wer aber an Christum gläubig geworden ist, der hat in ihm den Sieg über die Sünde gefunden, und Christus ist nicht nur sein Versöhner, sondern auch sein Befreier von der Macht der Sünde. Wohl uns, wenn wir zu dieser Freiheit der Kinder Gottes hindurchgedrungen sind! Ob wir denn auch noch mit Paulus klagen: wer wird mich erlösen? wir können wie er auch hinzusetzen: Ich danke Gott durch Jesum Christum, unsern Herrn. Amen. (Friedrich Arndt)

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