Johannes 4,29

Andachten

Kommt, seht einen Menschen, der mir gesagt hat alles, was ich getan habe, ob er nicht Christus sei?
So ruft die Samariterin ihren Landsleuten zu, nachdem sie den Heiland gefunden hatte. Sie gibt, ohne es zu wissen, eine neue Definition von dem Messias der Welt. Jesus ist der, welcher uns Alles sagt, was wir getan haben. Er scheint so hell in Alles hinein, was verdeckt oder verworren dalag, dass es uns auf einmal klar vor Augen liegt. Mit vollem Recht nennt er sich das Licht der Welt, und wer ihm nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Es ist wunderbar, wie Jesus Alles aus der Verborgenheit hervorzieht, wie er uns unsere Schliche zeigt, alle Regungen unseres Herzens beim rechten Namen nennt, und wenn wir ausweichen wollen, noch viel näher rückt mit dem Licht, als möchte er alle Falschheit in uns verbrennen. Ein Mensch, der ohne Jesum seine Straße dahin zieht, sieht von Allem dem nichts; oder wer behauptet, er kenne Jesum, hat aber einen Heiland, der ihn nichts aufdeckt, der hat nicht den rechten. Auch die Bedürfnisse kann Jesus uns aufdecken, nicht nur die Sünden. Jene Samariterin war jeden Tag mit ihrem Krug nach dem Jakobsbrunnen gekommen und hatte nicht gedacht, dass es noch ein anderes Trinkwasser gibt, als das Zisternenwasser. Wie aber Jesus sich ihr geoffenbart hatte, verstand sie: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürften; wer aber von dem Wasser trinkt, das Er mir gibt, den wird ewig nicht dürften. Es schlafen tiefe Bedürfnisse in unserm Innern; auch in dem gleichgültigsten, verweltlichsten Menschen liegen sie. Man hat oft Ahnungen davon. Eine namenlose Wehmut ergreift zuweilen das Herz, aber man weiß noch nicht, dass es der Druck der Eitelkeit ist; und wiederum spürt man etwas von einem unendlichen Sehnen, weiß aber noch nicht, dass es eine Sehnsucht ist nach Wiedervereinigung mit Gott und nach dem Frieden Christi. Hat aber Jesus uns gefunden und haben wir uns finden lassen, so werden uns alle Seufzer des Herzens klar, und das Wort Christi beschreibt uns, je mehr wir es lesen, alle unsere Zustände, dass wir sagen müssen: Ja, das war es, was mich unglücklich machte, und wiederum das war es, was ich suchte. Jesus ist der rechte Prophet; ist auch unser Heiland: Der, welcher uns Alles sagt, was wir getan haben! (Friedrich Lobstein)

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