Folge Mir nach.
Luk. 9, 57-62.
Jesu, Heiland meiner Seele, sage mir, wer bist Du, dass man Dir nachfolgen und Alles dahinten lassen soll? Was bietest Du, dass Du mit solcher Unbedingtheit zu mir sagst: folge Mir nach? Bist Du denn nicht arm geboren, ärmer, als ich? Hast Du nicht arm gelebt, ohne dass die Gunst der Gewaltigen Dich umgab? Hast Du nicht vierzig Tage und vierzig Nächte gehungert? Bist Du nicht nackt, hungrig, durstig, zerrissenen Leibes am Kreuze erhöht und gestorben? Nicht einmal den Rock, um welchen die Kriegsknechte losten, ließt Du den Deinen zurück? Joh. 19, 24. Im fremden Grabe ruhtest Du. Herr, mein Heiland, deute mir, warum es würdig und recht, billig und heilsam ist, dass ich Dir nachfolge? Du bist nicht wie diese Welt, die ein übertünchtes Grab ist inwendig voll Moder und Totengeruch. Du bist schöner als die Sonne, reicher als die Wolken und Meerestiefen sind; denn Du gehst einher in meiner armen Gestalt und bist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Du hast Augen, die mein Elend ansehen und meine Seele in der Not erkennen. Ps. 31, 8. Du hast ein Angesicht, das Menschen und Engel scheuen und Hände, die voll Segen sind. Dein Herz ist der Brunnen des ewigen Lebens und Dein Leib ist die rechte Speise und Dein Blut der rechte Trank. Da Du starbst, hast Du Dein Haupt gen Himmel gerichtet, anzuzeigen, dass Du der Sohn des Wohlgefallens bist und uns Wohlgefallen bei Gott erworben hast; Deine Hände breitest Du der weiten Welt entgegen und Deine Füße sind der Erde zugestreckt, als des Siegers, der alle finstere Gewalten und ihren Fürsten zertreten hat. Der einsamen Mutter gibst Du einen Sohn und dem Sohne eine Mutter und Einem, der in der Verdammnis des Todes lebt und bebt, gibst Du das Paradies. So bist Du, o Jesu. O wie gern denke und rede ich von Dir, wenn mein Schweigen nicht lauter von Dir spräche als all mein Reden. Du bist aller, aller meiner Wünsche und all meines Verlangens Erfüllung; es ist mir nicht die Hälfte gesagt. Selig sind Deine Leute und Deine Knechte, die allezeit vor Dir stehen und Deine Weisheit hören. 1 Kön. 10, 7. 8.
Nun komm, o Herr, meiner Seele zu Hilfe, Dir nachzufolgen. Eile, Herr und hilf! Leuchte mir wie die Sonne. Mat. 17, 2. Schenke mir zu dieser Winterzeit ein Weniges von der Inbrunst der ersten Christen, von dem Eifer jener Jungfrauen, die dem Bräutigam entgegen gehen. Erbarme Dich meiner und nimm den Irrtum von mir, als ob Dein Joch hart und Deine Last schwer sei. Ist denn von nun an der Himmel offen (Joh. 1, 51), so lass den Tau des Himmels und die Kraft und Wahrheit Gottes auf mich kommen; umgürte mir mein Gemüt, stärke meinen Mut, binde meine Gedanken und Begierden mit dem süßen Band der Liebe, dass ich Dir folge. Kurz sei der Abschied von dieser Welt und ihrer Liebe, das ist von ihrem Betrug. D Herr, heiße mich Dir folgen und lass mich inne werden, dass Du wie ein Durchbrecher vor mir hinfährst (Mich. 2, 13) und Worte des ewigen Lebens von Dir ausgehen; sei mir gegenwärtig Tag und Nacht, wie jene Wolkensäule am Tage und die Feuersäule des Nachts Israel leitete. Lass mich nicht erst die Toten begraben. erlaube mir nicht einen Abschied zu machen.
Wohin aber soll ich Dir folgen? Du führst in Gericht und Recht; ich bekenne Dir, dass ich gesündigt habe, verachtet war meine Seele, da ich geboren war. Hes. 16, 5. Wer Dir folgt, rückt gern herunter; Deines Geistes Kinder eifern um die Demut und lernen wohl, denn sie lernen von Dir, Du Meister niedrig sein und achten den Andern höher als sich selbst. Aber Du erhebest auch die Niedrigen und gibst den Armen das Himmelreich. Du krönest mit Gnade und Barmherzigkeit, lässt ausfahren mit Flügeln wie die Adler und gibst zu laufen und nicht matt zu werden, zu wandeln und nicht müde zu werden. Jes. 40, 31. Und hattest Du nicht, wohin Du Dein Haupt legtest, so hast Du doch eine treue, starke Hand, worin ich meine Seele lege und ein Herz, worauf ich alle meine Zuversicht setze und Dein ist der Vater im Himmel, der mich segnet ewiglich um Deinetwillen und Dein ist der Geist, der mich in alle Wahrheit leitet. Nun, mein liebster Heiland, hilf, dass ich willig folge, wie Rebecca dem Elieser und wenn ich Dich endlich sehe, will ich mich schämen, wie Rebecca (1 Mos. 24, 65) und mich mit Abraham, Isaak und Jakob freuen im ewigen Leben. (Theodor Schmalenbach)