Und mein Geist freuet sich in Gott, meinem Heilande.
Der Geist ist es, der die unbegreiflichen Dinge fängt durch den Glauben. Darum nennet sie auch Gott ihren Heiland, oder Seligkeit, das sie doch nicht sah, noch empfand, sondern in fester Zuversicht traut, Er wäre ihr Heiland und Seligkeit. Welchen Glauben sie aus dem Gottes Werk, in ihr geschehen, empfangen.
Und fürwahr, ordentlich fängt sie an, dass sie Gott ehe nannte ihren Herrn, denn ihren Heiland, und ehe ihren Heiland, denn sie seine Werke erzählte, damit sie uns lehrt, wie wir sollen Gott bloß und recht ordentlich lieben und loben, und ja nicht das Unsere an Ihm suchen.
Der liebt aber, und lobt bloß und recht Gott, der ihn nur darum lobt, dass er gut ist, und nicht mehr, denn seine bloße Gütigkeit ansieht, und nur in derselben seine Lust und Freude hat. Welches ist eine hohe, reine, zarte Weise zu lieben und loben, die wohl sich eignet, einem solchen hohen, zarten Geiste, als dieser Jungfrauen ist.
Die unreinen und verkehrten Liebhaber, welche nicht mehr, denn lauter Rieslinge sind, und das Ihre an Gott suchen, die lieben und loben nicht bloß seine Gütigkeit, sondern sehen auf sich selbst, und achten nur, wie viel Gott über sie gut sei, das ist, wie viel er seine Güte empfindlich ihnen erzeige, und tue ihnen wohl, und halten viel von ihm, sind fröhlich, singen und loben ihn, so lange solch Empfinden wahret.
Wenn sich aber Gott verbirgt und seiner Gutheit Glanze zu sich zeucht, dass sie bloß und elend sind, so geht auch Liebe und Lob zugleich aus, und mögen nicht die bloße, unempfindliche Güte, in Gott verborgen, lieben, noch loben, damit sie beweisen, dass nicht ihr Geist sich in Gott, dem Heilande, erfreut hat, ist nicht rechte Lieb und Lob der bloßen Güte da gewesen; sondern viel mehr haben sie Lust gehabt in dem Heil, denn im Heilande; mehr in denen Gaben, denn in dem Geber; mehr in den Kreaturen, denn in Gott. Denn sie können nicht gleich bleiben im Haben und Mangeln, in Reichtum und Armut, wie St. Paulus sagt, Phil. 4, 11. 12: Ich habs gelernt, dass ich kann übrig haben und Mangel haben. Von diesen sagt der 49ste Ps., V. 19: Sie loben dich, so lange du ihnen wohl tust. Als sollte er sagen: Sie meinen sich, und nicht dich; hatten sie nur Lust und Gut von dir, sie geben nichts auf dich, wie auch Christus, Joh. 6,26, sagt zu denen, die ihn suchten: Fürwahr sage ich euch, ihr sucht mich nicht darum, dass ihr Zeichen gesehen, sondern dass ihr gegessen und gesättigt seid. Solche unreine, falsche Geister beschmeißen alle Gottes Gaben, und hindern ihn, dass er ihnen nicht viel gibt, auch nicht selig mit ihnen wirken kann. Davon wollen wir ein fein Exempel hören:
Es hat einmal ein fromm Weib ein Gesichte gesehen, wie 3 Jungfrauen bei einem Altar saßen, und unter der Messe lief ein hübsch Knäblein von dem Altar und ging zu der ersten Jungfrauen, tät freundlich zu ihr, herzte sie, und lachte sie lieblich an. Darnach ging er zu der andern, und tät nicht so freundlich zu ihr, herzte sie auch nicht; doch hub er ihren Schleyer auf, und lächelte sie freundlich an. Der dritten aber tat er kein freundlich Zeichen, schlug sie ins Angesicht, raufte sie und stieß sie, ging ganz unfreundlich mit ihr um, und lief schnell wieder auf den Altar und verschwand. Da ward demselben Weibe dies Gesicht ausgelegt, dass die erste Jungfrau bedeute die unreinen, genusssüchtigen Geister, welchen Gott muss viel Gutes und mehr ihren Willen, denn seinen tun, wollen Nichts mangeln, allezeit Trost und Lust an Gott haben. Die andere bedeutete die Geister, die angefangen, Gott zu dienen, und wohl etwas Mangel leiden, doch nicht ganz noch ohne eigen Genieß und Gesuche sind. Er muss ihnen zuweilen einen lieblichen Blick geben, und sie empfinden lassen seine Güte, dass sie damit lernen auch seine bloße Gütigkeit lieben und loben. Aber die dritte, das arme Aschenprödlein, hat Nichts, denn eitel Mangel und Ungemach, sucht keinen Genieß, lasst ihm begnügen, dass Gott gut ist, ob sie es auch nimmer mehr empfinden sollte, (das doch unmöglich ist,) bleibt gleich und einförmig auf beiden Seiten, liebt und lobt eben sowohl Gottes Gütigkeit, wenn sie nicht empfunden, als wenn sie empfunden wird; fället nicht auf die Güter, wenn sie da sind; fället auch nicht ab, wenn sie ab sind. Das ist die rechte Braut, die zu Christo spricht: Ich will nicht das Deine, ich will dich selber haben, bist mir nicht lieber, wenn mir wohl ist, auch nicht unlieber, wenn mir übel ist. (Martin Luther)
Mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes.
Hanna, die Mutter des Propheten Samuel, und Maria, die Mutter unseres Heilandes, stehen in einer großen Ähnlichkeit miteinander. Beide waren sehr gedemütigt, und konnten die Menschen durch ihr eigenes Beispiel lehren, wie Gott das Niedrige ansehe, die Hungrigen mit Gütern erfülle, und die Dürftigen aus dem Staub erhebe, s. 1 Sam. 2,5.7.8. Luk. 1,48.52.53. Beide wurden nach der Traurigkeit mit einer großen geistlichen Freude überschüttet; wie dann Hanna 1 Sam. 2,1. betete: mein Herz ist fröhlich in dem HErrn, mein Horn (meine Kraft) ist erhöht in dem HErrn. Mein Mund hat sich weit aufgetan über meine Feinde, denn ich freue mich Deines Heils. Maria aber sagte: meine Seele erhebt den HErrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes. Niemand ist würdiger, dass man sich seiner freue, als Gott unser Heiland, weil Er der Gütigste, der Freundlichste, der Mächtigste, der Herrlichste ist. Wir sind Geschöpfe; Er ist Gott: Niemand aber ist gut als der einige Gott. Wenn also Gott Sich dem Geschöpf mitteilt und von demselben als gut empfinden lässt, so kann es ohne innige Freude nicht abgehen. Wir sind sündhafte und notleidende Menschen, Er aber ist der Heiland. Wenn nun der Heiland Sich dem Sünder offenbart, wenn Er an ihm tut, was dieser Sein Name bedeutet, wenn Er die Sünde bedeckt, die Not wendet, oder wenigstens des Gläubigen Horn erhöht, wie Hanna sagte, das ist, seine Geisteskraft vermehrt, dass ihm Alles, was er tragen muss, leicht wird, und wenn Er ihm überdies einen Vorschmack und Vorblick von der himmlischen Wonne gibt, so kann man, wie David, zu Ihm sagen: Du erfreuest mein Herz, ob Andere gleich viel Wein und Korn haben. Die geistlichen Freuden währen freilich nicht an Einem fort, wie denn auch bei der heiligen Maria zu derjenigen Zeit, da wegen des Leidens Jesu ein Schwert durch ihre Seele drang, die Traurigkeit weit vorschlug, auch entstehen sie bei dem Einen sparsamer und seltener, bei dem Anderen aber reichlicher und öfter, doch sollen sie einem gläubigen Christen nicht ganz ganz unbekannt sein; wie denn auch Paulus die Christen in seinem Brief an die Philipper, und sonderlich Phil. 3,1. 4,4. sehr herzlich dazu aufgemuntert hat. Niemand warte hierbei auf seine Würdigkeit, denn das Wort Heiland schließt dieselbe aus, und macht das Warten auf dieselbe unnötig. Auch die heilige Maria, welche bei den allgemeinen Aussprüchen Röm. 3,23. 5,12. Gal. 3,22. keine Ausnahme machte, war aus Gnaden, was sie war, und hatte einen Heiland nötig, dessen sie sich auch freute. Ein jeder Christ darf also mit ihr, ungeachtet ihres großen Vorzugs, im Geist Gemeinschaft haben, und, wie sie, wenn der Heilige Geist ihn dazu erweckt, sagen: mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes. Göttliche Traurigkeit ist etwas Gutes: die Freude im Heiligen Geist ist aber noch besser. Jene bereitet zu dieser. Jene hört auf, wenn der Sünder in den Himmel aufgenommen wird, wo alle Tränen von seinen Augen abgewischt werden, diese aber währt ewig. Gott lasse mich jene und diese in der Zeit meiner Wallfahrt, wie ich’s nötig habe, erfahren, im Himmel aber diese ohne Aufhören empfinden. (Magnus Friedrich Roos)