Markus 14,3

Andachten

Und Maria zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt.
Eine der letzten Stationen vor dem Leiden des Heilandes war das stille Bethanien, wo der Heiland gerne noch einmal weilte im Kreis seiner Lieben, um sie zu stärken und sich bei ihnen zu erquicken. Tausende hatten den Herrn gehört im Land umher, und Vielen war er zum Segen geworden; aber Wenige hatten so viel erfahren im Umgang mit ihm, wie jene drei Geschwister in Bethanien. Sie hatten nicht nur seine Worte gehört, wie viele Andere, sondern auch das größte Wunder erfahren, das der Herr getan: die Auferweckung des Lazarus. Deshalb ging auch ihre Liebe und Dankbarkeit gegen den Herrn tief. Besonders die stille, für den Herrn so empfängliche Maria lässt ihn ihre Liebe dies Mal besonders fühlen durch die Salbung mit köstlicher Narde. Wir wissen nicht, was der Heiland in jenem stillen Kreise bei seinem letzten Besuch redete. Es lässt sich aber fast erwarten, dass er merken ließ, es sei sein Abschiedsbesuch und Maria, die die Mordgedanken der Hohenpriester und Pharisäer, die durch die Auferweckung ihres Bruders aufs Höchste stiegen, kennen mochte, ahnte vielleicht mehr als Andere, was in den nächsten Tagen wartete auf den Herrn. Jedenfalls spricht der Herr nach der Salbung aus, sie habe ihn zu seinem Begräbnis gesalbt und nennt ihre Tat ein gutes Werk. Es war ein gutes Werk, weil es ein Werk inniger, herzlicher Liebe und Dankbarkeit zum Herrn war. Wir in unseren Tagen erinnern uns an Jesu Worte: was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan, Matthäus 25,40. Wir können und sollen ihn salben in den Hungrigen und Durstigen, in den Armen, Nackten und Kranken und wenn es im Sinne der Maria geschieht, in herzlicher Liebe und Dankbarkeit für empfangenen Segen durch Jesu Worte, für Erfahrung seiner Auferstehungstraft, als wir tot waren in Übertretungen und Sünden, so sind wir Brüder und Schwestern der Maria, deren Werke offenbar werden, wenn er vergelten wird einem Jeglichen nach seinen Werken. O, gebe der Herr uns viele Bethanien, wo Marienseelen geboren werden!

Treuer Heiland! Kehre auch bei mir ein. Fülle mein Herz mit Deiner göttlichen Liebe, damit ich Dich wieder lieben möge in Deinen geringsten Brüdern, und so Dein rechter Jünger werde in Liebe und Barmherzigkeit. Amen. (Elias Schrenk)


Und da er zu Betanien war in Simons, des Aussätzigen, Hause, und saß zu Tische, da kam ein Weib, die hatte ein Glas mit ungefälschtem und köstlichem Nardenwasser, und sie zerbrach das Glas, und goss es auf sein Haupt.
Dieses Wort versetzt uns in die Zeit, wo die Mächte und Gewalten der Finsternis mehr und mehr entfesselt wurden. Nicht länger sollte die Feindschaft der jüdischen Theologen und Kirchenfürsten niedergehalten werden. Schon hatte Kaiphas, ob auch in satanischem Geist, das große prophetische Wort gesprochen: „Es ist besser, dass ein Mensch sterbe für das Volk, denn dass das ganze Volk verderbe“. Die ganze Hölle war jetzt tätig, um den Fürsten des Lebens zu verschlingen. Judas, das verlorene Kind, ging, Verrat brütend, hin und her zwischen Jesu und seinen Feinden auf finsteren Pfaden. (V. 1.2.10.11) Und Jesus wusste das Alles. Aber ach! Er, der für alle Not aller Menschen das liebevollste Verständnis hatte, Er allein fand für seine Not kein Verständnis. Die Jünger waren und blieben, allen Verkündigungen Jesu zum Trotz, vollständig arglos. Ja, wenn man noch sagen dürfte „arglos“! Nein, sie wollten nicht wissen, was ihrem Sinn und Herzen widerwärtig war; alle Gedanken von Tod und Leiden schoben sie weit von sich weg. Wie schmerzlich war das für das liebebedürftige zartfühlende Herz Jesu! So aber verstehen wir auch, welche Wohltat ihm durch die verständnisvolle Liebestat des Weibes in Betanien zu Teil wurde. Sie rettete gewissermaßen die Ehre des menschlichen Geschlechts.

Die Geschichte führt uns unter die Palmen und Weinstöcke des friedlichen Betaniens, dieses Dorfes, das unserm Heiland so oft zu einem Ruhehafen diente, nach dem Kampfesleben, Gewirre und Gestürme der fanatischen Stadt. Hier finden wir eine so wunderbare Tischgesellschaft wie wohl nie auf Erden gewesen war noch auch sein wird. (Vergleiche Johannes 12, 1 ff.) Der, um dessentwillen Alle da sind, ist Jesus, aller Welt Heiland, alles Todes Tod, alles Lebens Springquell und Ziel. Da sind ferner die Zwölf Apostel, die Männer, die berufen sind, das heilige Feuer Christi in alle Lande zu tragen und der Welt das Bild Jesu also vor Augen zu stellen, dass es muss ewig unvergessen sein. Aber ach, unter ihnen ist Einer, Judas, der, zum Höchsten berufen, durch Unlauterkeit in die finstersten Tiefen gesunken ist; Einer von den - hoffentlich Wenigen - davon auch der Mund der ewigen Liebe spricht: „Besser nie geboren“, - Wir sehen da weiter den Hauswirt, den Simon, der durch Jesu Wundermacht von der entsetzlichen Plage des Aussatzes erlöst war; ja da war sogar ein Mensch, der schon einmal gestorben gewesen war und nun wieder unter seinen Freunden bei Tisch saß, der Lazarus. - Seine Schwester Martha ist glückselig, in einer solchen Gesellschaft den Tisch bedienen zu dürfen, und wie geschäftig sie auch ist, kann sie sich doch nicht genug tun. Die Stillste und Unscheinbarste des ganzen Kreises, sie, die auch wohl in ihren Augen die Geringste war, nämlich Maria, sollte bald wider ihren Willen neben Jesu die Hauptperson werden.

Bis dahin hatte sie, stille beobachtend, den Worten Jesu gelauscht und sich mit Blicken inniger, tiefsinniger Liebe in Ihn hineinversenkt. Nun erhebt sie sich; ohne ein Wort zu sagen nimmt sie ein kostbares, alabasternes Gefäß, darin ist die köstlichste Narde, die das ganze Morgenland nur liefern konnte; sie naht sich damit Jesu, und wiederum, ohne mit einem Wort zu deuten, was sie tut, gießt sie mit königlicher Freigebigkeit den ganzen Inhalt über Jesu Haupt. Noch zerbricht sie das Gefäß, damit auch kein Tröpflein drinnen bleibe. Duftend ergießt sich die kostbare Flüssigkeit über den Leib Jesu, und wunderbarer Duft erfüllt das ganze Haus. O wohl dir, du holdseliges Weib, der Duft deiner heiligen Liebe ist das Duftigste in dieser Narde, dich selbst bringst du in deiner Gabe. Darum ist sie nicht, - wie der geizige Judas ausrechnet - 60 Taler wert, nein, alle Milliarden der Erde können sie nicht aufwiegen. Wir wollen hier das Liebeswerk des Weibes noch nicht deuten, das wird Jesus selbst gleich tun, nur so viel sagen wir hier schon: Sie spricht durch ihr Geben ihr ganzes Herz aus; sie kann nicht anders, sie muss dem Herrn ihre tiefe, innige Liebe irgendwie beweisen; ihr Herz würde ihr sonst zerspringen. Tag und Nacht hat sie wohl gesonnen, wie sie ihm tun könnte, da hat sie endlich diesen Weg gefunden. Dass sie ihr Geld grade so für den Herrn verwertete und mit dieser Narde ihn salbte, damit offenbarte sie das tiefste Verständnis für das Geheimnis der Person Jesu. Worte sind ihr viel zu wenig; auch verschmäht sie es mit Worten zu deuten, was sie tut. Sie verrechnet sich nicht, wenn sie denkt, mein Heiland versteht meine Liebe, so gewiss er mein Heiland ist. Ja freilich, er versteht sie sogar besser als du selbst, du treue Marienseele!

Ist auch in uns etwas von dieser Glut der Liebe und der heiligen Dankbarkeit, die keine Ruhe findet bis sie etwas Rechtes für den Herrn getan hat; - ist in uns etwas von dem Sinn: „was Leib und Seel' vermögen, das soll ich billig legen, allzeit in deinen Dienst und Ehr'?“ - wie selten findet Jesus auf Erden diese reine, heilige Liebe, die nur liebt, weil sie lieben muss, und die weiter nichts will, weil ihr das Lieben selbst Bedürfnis ist! Und woher nehmen wir solch' beseligendes Lieben? Wahrlich nicht aus unserem so selbstsüchtigen Herzen, - wahrlich nicht aus der Welt, wo ein jeglicher auf seinen Weg sieht, - nein, aus dem Herzen des Jesus, den Maria liebt, aus der Liebe des Jesus, zu dessen Füßen sie schweigend, dürstend, anbetend saß und immer wieder saß, daher ist ihre Liebe geflossen. Eben daher muss deine und meine Liebe fließen, wenn sie des Namens wert sein soll. Ach, wenn man in stillen Stunden einmal recht zu sich selbst kommt und etwas aufrichtiger wird, nicht wahr, da möchte man sein Angesicht verhüllen, weil man erkennt, wie wenig wahre Jesusliebe in uns ist, und darum auch so wenig freudiger Opfersinn für seine großen Reichssachen, so wenig selbstlose, absichtslose Menschenliebe, Lust zu helfen, um zu helfen. Da kann auch nur auf eine Weise Wandel geschafft werden: Aus der Liebesfülle Jesu müssen wir die Liebe schöpfen, womit wir Ihn und unsere Mitmenschen wahrhaft lieben sollen.

Ach, zünde deine Liebe
In meiner Seele an,
Dass ich aus innerm Triebe
Dich ewig lieben kann;
Und dir zum Wohlgefallen
Beständig möge wallen
Auf rechter Lebensbahn. (Otto Funcke)


Und da er zu Bethanien war in Simon des Ausfähigen Haus, und saß zu Tische, da kam ein Weib, die hatte ein Glas mit köstlichem und ungefälschtem Nardenwasser, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da waren etliche, die wurden unwillig und sprachen: Was soll doch dieser Unrat! V. 6-8: Jesus aber sprach: Lasst sie mit Frieden! was bekümmert ihr sie! sie hat ein gutes Werk an mir getan! Arme habt ihr allezeit, mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte! sie ist zuvorgekommen, meinen Leichnam zu salben zu meinem Begräbnis.
Ob das Weib ahnte, was sie tat? - es trieb sie der übermächtige Zug ihres Herzens. Für das Beste, was Er ihr gegeben, musste sie Ihm geben das Beste, was sie hatte; für die Vergebung der Sünden das Glas mit ungefälschtem Nardenwasser. Ungefälscht, wie die Narde, ist auch der Trieb ihres Herzens. Freilich, was war das Nardenwasser im Vergleich mit dem süßen Heil, das sie empfangen? Darum sagt Jesus: sie hat getan, was sie konnte. Der gütige, milde Heiland! Er lässt sich genügen an Dem, was da ist, Er ist kein harter Mann! Nun, Seele, was ist denn Dein Bestes, das Du Ihm geben könntest? was hast Du Ihm darzureichen, über Sein Haupt zu gießen? etwa Gefühle, Gerede, Schwärmerei das taugt nichts vor Ihm. Jenes Weib hat etwas getan. Wie groß oder gering es war, was sie tat, das wusste sie selber nicht, aber sie musste etwas tun. Er fragt Dich ja auch noch immer in dieser Zeit: Das tat ich für Dich, was tust Du für mich. Ein tatenloses Wesen kann Er nicht gebrauchen! Damals sagte Er: Arme habt ihr immer bei euch mich aber nicht! Nun hat die Sache sich umgekehrt: jetzt haben wir Ihn nicht, wie sie Ihn damals hatten, aber Arme aller Art genug. Kranke und Gefangene, Aussätzige und Verkommene, Juden und Heiden, sie schreien Dich von allen Seiten an um ein Tröpflein Nardenwasser.

Aber ungefälscht muss es sein, das will sagen: aus Liebe, ohne Falsch muss es kommen. Das Falsche dabei ist Eitelkeit, Dünkel, Selbstgerechtigkeit und Werkheiligkeit. Dadurch verwandelt sich der köstliche Geruch der ausgeschütteten Salbe in lauter verpestete Dünste, davor der Herr Sein Antlitz abwendet. (Nikolaus Fries)

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