Zu der Zeit kam Johannes der Täufer, und predigte in der Wüste des jüdischen Landes, und sprach: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbei gekommen.
Durch die Taufe ward unser Herr Christus eingesegnet zu seinem Amt, welches Er in seinem dreißigsten Jahr öffentlich antrat, wie auch die Leviten bei ihrem Eingang ins Amt so viele Jahre haben mussten. In der Taufe, „da fängt Christus an, ein Christus zu sein,“ sagt Luther; und unsere lieben Väter haben wohl recht gesagt: „Unsere Sünden liegen im Jordan, darin sind sie versenket. Wenn der böse Geist von deiner Sünde viel Gerede macht, so weise ihn in den Grund des Jordans, da mag er sie suchen und darüber ersaufen.“ Ja, Ambrosius saget sein: „Für uns ist Christus abgewaschen, ja, Er hat uns an seinem eignen Leibe gewaschen und gebadet.“ Das ist schon ungemein tröstlich und beruhigend für arme Sünder, wie wir sind, die wir alle Tage der Abwaschung bedürfen. – Nicht minder tröstlich ist, dass beim zweiten Adam sich der Himmel wieder geöffnet hat, der beim ersten Adam verschlossen wurde, da wir alle Nachkommen des ersten Adam sind und durch ihn einen verschlossenen Himmel von Natur über uns haben. – Vollends eine Quelle voll Trost und Friedens ist der Gottesruf: „Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Mit den Worten macht Gott aller Welt Herz lachend und fröhlich, und durchgießt alle Kreatur mit eitel göttlicher Süßigkeit und Trost. Wieso? Ei, wenn ich das weiß und gewiss bin, dass der Mensch Christus Gottes Sohn ist und dem Vater wohlgefällt, so bin ich auch gewiss, dass alles, was dieser Mensch redet und tut, das ist eitel liebes Sohnes Wort und Werk, welches auf das Allerbeste Gott muss gefallen. Wohlan, das will ich denn merken und wohl fassen. Wo ich denn nun hinfürder Christum höre reden oder sehe etwas tun, dass Er’s mir zu gute tut, wie Er denn allenthalben tut, da Er spricht: Er tue und leide Alles um meinetwillen, - so will ich an dieser Worte des Vaters gedenken, dass Er der liebe Sohn ist und dass solch Reden, Tun und Leiden Christi, das für mich geschieht, müsse Gott herzlich wohlgefallen. Ach, fühlte ich das immer und recht, mein Herz müsste vor Freuden in hunderttausend Stücken zerspringen! Um Deiner Taufe willen im Jordan und am Kreuz, Herr Jesu, hilf uns ererben, was Du uns erworben hast. Amen. (Friedrich Arndt)
Wo Gott ein Neues macht, da räumt er zuvor auf unter dem Alten. Wenn der Frühling kommen soll, räumt er auf unter dem alten Eis und Schnee. Er räumt auf auf dem Feld, denn die dürren Stoppeln müssen zuvor verwesen. Auf den Wiesen muss das alte Gras verwelken, und auf den Bäumen bricht er die dürren Zacken durch die Frühlingsstürme weg. Anders macht er es in dem Menschengeschlecht auch nicht. Er pflüget ein Neues. Er will sein heiliges Samenkorn nicht unter die Hecken und Dornen werfen. Der Herr konnte nicht kommen, ohne dass ein Johannes voranging und in dem Herzen des Volkes aufräumte. Er musste erst mit der scharfen Axt des Gesetzes die alten Dornen abhauen. Auch heute noch muss Johannes vorangehen, wenn Christus bei dir einziehen soll. Der Herr kann dir nicht zum Segen kommen im heiligen Abendmahl, wenn dir nicht das Gesetz deine Sünde aufgedeckt und in dem armen Herzen Klarheit gemacht hat. Siehe, so kann er auch bei dir nicht einziehen zum heiligen Christfest, wenn Johannes nicht vorangegangen ist. Da ist keine Weihnachtsfeier, da ist das Herz keine Krippe, wo wir alle unsere Selbstsucht, alle unsere alte Sündenbequemlichkeit behalten haben.
O treuer Heiland, gib Gnade, dass wir recht angetan hinkommen vor deinen Herold Johannes. Behüte uns, dass wir nicht vornehm vor dem treuen Gesetzesprediger hintreten, als ob seine Predigt für uns überflüssig sei. Behüte uns, dass wir nicht denken: Wir haben Christum, was brauchen wir da Johannes? Wir haben den freundlichen Heiland, was brauchen wir den harten Mann? Wo wir an einem Tag das Gesetz nicht fühlen mit seinen Drohungen und mit seinem Gericht, da haben wir auch dich nicht recht. So erbarme dich unser, dass wir uns erst in der Wüste holen das zerbrochene und zerschlagene Herz, damit wir dann auch an deiner Wiege singen können: „Meine Seele erhebe den Herrn und mein Geist freue sich Gottes meines Heilandes. Du hast angesehen das Elend deines Knechts, und hast seine Seele errettet von den Ketten des Todes, dir sei Preis und Dank und Anbetung in Ewigkeit!“ Amen. (Fr. Ahlfeld)
Tut Buße! predigt uns des Herrn Wort. „Es ist kein Sinn so gut, er muss geändert werden; es ist kein Sinn so schlecht, er kann geändert werden. Es ist keine Sünde so klein, sie muss vergeben werden. Es ist keine Sünde so groß, sie kann vergeben werden.“ Tut Buße. Ohne Buße keine Vergebung, und darum keine Seligkeit. Nur dass die Buße ehrlich und wahrhaftig sei! Wer nicht rechtschaffene Früchte der Buße bringt, wer nicht feine Sinnesänderung in seinem Leben und Wandel zeigt, der wird als unfruchtbarer Baum abgehauen und ins Feuer geworfen, der wird als Spreu verworfen werden, wenn der Herr kommt zum Gericht. Darum, willst du selig werden, so tue Buße. O Herr, führe uns allezeit dein Gericht vor Augen, wann du den Weizen in deine Scheune sammeln, die Spreu aber mit Feuer verbrennen wirst. Hilf uns, dass wir von Herzen Buße tun, und rechtschaffene Früchte der Buße bringen, damit wir nicht zu Schanden werden an deinem großen Tage. Dazu schenke uns deinen Geist auch heute. Umgib uns rings, o Herr, mit deinem Schilde. Erhalte uns in deiner Furcht, dass wir heute nicht sündigen, sondern dich herzlich lieben. Gib dein Gedeihen auch zu unserem Amt und Stand; segne unser täglich Brot, und richte all unser Tun und Leiden zu deiner ewigen Ehre. Amen. (Adolf Clemen)
Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste des jüdischen Landes, und sprach: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
Das Himmelreich kommt zu den Menschen mit diesem Wort: „Tut Buße, denn ich bin da.“ Das Wort ist ernst. Es liegt ein Urteil darin über den Menschen. Es ist ein Richterspruch, von dem man gern appellieren möchte, aber jedes Gericht, sei es das Gericht des Gewissens oder des Gesetzes oder heiliger Menschen oder heiliger Engel oder das allerhöchste Gericht des lebendigen Gottes, wird es bestätigen, was er zu einem jeden sagt: du bist ein sündiger Mensch, du bist auf dem Weg zum ewigen Verderben? Es ist aber auch ein frohes Wort; denn es heißt: dir kann noch vergeben, du kannst noch gerettet werden; siehe dein König kommt zu dir, nicht herrlich und ein Richter, sondern arm und ein Helfer, um dich zu retten, um dich selig zu machen; kehre also um, eile zu seinen Füßen, in seine Arme, an sein Herz, so setzt er dich zum Erben aller Güter seines Reiches, seines Herzens, seines Hauses ein. Und so ist es endlich auch ein dringendes Wort; denn das ganze Wohl des Menschen, das ganze Himmelreich für den Menschen hängt daran. Wem dieses Wort zugerufen wird, dem öffnen sich die Tore des Himmelreichs; wer es nicht achtet und weiter fortgeht auf seinem Wege, hinter dem schließen sie sich wieder zu, und nirgends wird er einen anderen Eingang finden. Es war eine sehr bewegte Zeit in Israel, als mit diesem Worte das Himmelreich zu ihnen kam. Alles klagte still oder laut über unerträgliche Zustände. Alles fühlte, so könne, so dürfe es nicht länger bleiben, es müsse anders, es müsse besser werden, es müsse ein Himmelreich der Freiheit, des Friedens, des Wohlseins kommen. Aber dass, wenn es anders und besser werden sollte, sie selbst, die Klagenden, anders und besser werden müssten, dass die schlechten Zustände von der schlechten Beschaffenheit der Menschen herrühren, daran dachte niemand. Dass jeder schuldig und sündig sei, dass also jeder zu der Masse des unerträglichen Elends das Seinige beitrage, das wollte niemand wissen. Sie meinten, das Himmelreich der Freiheit und des Wohlseins, das könne so von außen kommen; das könne man machen, wenn man nur wolle; die Menschen könnten bleiben, die sie waren, könnten irdisch, fleischlich, höllisch bleiben, und doch könne man sie in himmlische Zustände versehen. Und das meinen die Menschen noch immer, sogar in unseren aufgeklärten Zeiten. Da klagen die schlechtesten Menschen, die am meisten Ursache hätten über sich selbst zu klagen, am allerlautesten über die äußeren Zustände, und die ganze Welt meint man umbilden zu können, während die Menschen in ihr so schlecht bleiben, wie sie sind. Hinweg mit solcher Torheit! Das Himmelreich, ohne welches die Menschen nie zur rechten Freiheit, nie zum rechten Dasein und Leben und also auch nie zur Ruhe kommen, kommt mit dem Ruf: „Tut Buße“, zu uns und sagt uns damit, dass der Schauplatz der Veränderungen und Reformen nicht außer sondern in uns ist, dass in uns eine gänzliche Veränderung vorgehen muss, welche die Schrift die Bekehrung nennt, die sich vollendet im Werk der Wiedergeburt zu einem ganz neuen himmlischen Dasein.
O lasst uns auf dieses Wort: „Tut Buße“, achten, lasst es uns bewahren und bewegen in unserem Innern, und es wird damit das ganze Reich Gottes mit seinen Gnaden und mit seinen Gaben einziehen in unser Herz und damit auch in unser Haus. Es wird sich als ein Neues offenbaren, das uns selbst rein macht, und das die Wüste und Einöde dieses Erdenlebens mit Himmelsblumen schmückt. Und so werden wir denn auch alle Veränderungen und Stürme und all das Zittern und Schwanken der Reiche dieser Welt um so leichter ertragen, indem wir uns dessen freuen, dass wir einem Reiche angehören, welches ewiglich währt, das auch im Sturm Friede, im Schmerz Freude ist, und je ärger es in der Welt ist, um so lauter werden wir frohlocken können: Gelobet sei Gott, der uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes! (Friedrich Mallet.)
Zu der Zeit kam Johannis, der Täufer, und predigte in der Wüste des jüdischen Landes und sprach: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
Diese in den obigen Worten zusammengefasste Predigt des Täufers ist seit den Tagen Johannis nicht verstummt; es werden noch immer Boten ausgesandt, die dem Herrn den Weg bereiten sollen, und der Kern und Stern ihrer Predigt ist noch immer geblieben: tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Nur ist, seit das Himmelreich in Christo erschienen, das Wort erfüllt: der der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer denn Johannis der Täufer (Matth. 11, 11); größer sind die Boten, die selbst zu dem Reiche Jesu Christi gehören, auch in Hinsicht ihrer Predigt, in dem der erhöhte, gegenwärtige Heiland selbst durch sie redet, indem er durch ihre Verkündigung mit Feuer und Geist tauft. Aber in Bezug auf den Hauptgehalt ist die Predigt Johannis doch ein Vorbild aller Predigt, die größeren Segenswirkungen der christlichen Predigt werden wir nur erfahren, wenn wir aus ihr heraushören jenen Ruf, den schon Johannes an das Volk Israel ergehen ließ, und diesen einheitlichen Inhalt aller Predigt, uns ins Herz prägen lassen. „Tut Buße“, wird uns in jeder Predigt zugerufen, indem durch dieselbe unser Gewissen geweckt werden soll, dass es uns im Lichte des verkündigten Wortes unsere Sünde und Übertretung zum Bewusstsein bringe. Indem alle Predigt im Namen des Herrn darauf gerichtet ist, dass es durch sie ein Gefühl der Schuld, ein Schmerz über die Sünde, ein Verlangen und Sehnen, dem Fluch der Sünde zu entrinnen und zu Gott zurückzukehren, entstehe, wird das Zeugenamt Johannis des Täufers fortgeführt, ertönt immer aufs Neue der Ruf.: tut Buße. Aber gleichwie bei Johannes ist auch in der christlichen Predigt mit dem Bußrufe unauflöslich verbunden die Freudenbotschaft: das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Diese Predigt soll uns erkennen lassen, die Heilstaten Gottes, durch welche er das Himmelreich auf Erden begründet hat, sie soll uns schauen lassen den Herrn, der für uns den Eingang ins Himmelreich bereitet hat, sie soll uns spüren lassen die vergebende Gnade in Christo, durch welche wir ins Himmelreich eingeführt werden, sie soll uns erfüllen mit der Kraft dessen, der in den Schwachen mächtig ist und der uns hilft im Himmelreich nach seinem Willen zu leben. In alledem bezeugt uns die Predigt: das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Aber während Johannes als der letzte Prophet des alten Bundes auf den hinwies, der nach ihm kommen sollte, lässt uns die Predigt der neutestamentlichen Boten die Stimme des guten Hirten vernehmen, welcher spricht: siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, und welcher denen, die ihn aufnehmen, Macht gibt, Gottes Kinder zu werden (Joh. 1, 12). Darum ist Johannes der Täufer zwar nur ein Vorbild der Boten Gottes im neuen Bunde, aber seine Predigt ist und bleibt eben darin ein Vorbild aller Predigt, dass dieselbe nimmer abirren darf von den beiden Angelpunkten: schauet an die Güte und den Ernst Gottes, tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, und mit Hinweis auf dieselben die Hörer zu mahnen hat: wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. (Thomas Girgensohn)