Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und entschliefen. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; geht aus, Ihm entgegen! Da standen diese Jungfrauen alle auf und schmückten ihre Lampen. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen! Da antworteten die klugen: Gehet hin zu den Krämern und kauft für euch selbst! Und da sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und welche bereit waren, gingen mit Ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen.
O, JEsu Christ, wie lange zögerst Du!
Soll unser Harren denn verloren sein?
Die Lampen sinken hin, die Augen zu.
Die frommen Jungfrau'n alle schlafen ein.
Zur Mitternacht - horch - Wächterruf:
Der HErr ist da! Frisch aufgewacht!
Die Lampen hoch! Halleluja!
Beinahe aber doch nicht!
Beinah verloren aber doch nicht!
Beinah' verloren, aber doch noch selig!
Die Hälfte nur der Frommen ist bereit,
Sie führt der HErr zur sel‘gen Wonne ein.
Die anderen stehn bestürzt in großem Leid;
Er kennt euch nicht. Ihr waret niemals Sein!
Ihr eilt und fleht; - Doch ach, die Gnadenzeit ist aus.
Ihr weint zu spät; Verschlossen ist das Hochzeitshaus.
Beinahe - aber doch nicht!
Beinahe selig aber doch nicht!
Beinahe selig, aber doch verloren!
Ihr Gläubigen in dieser letzten Zeit,
Ihr seid die Jungfrau'n Gottes keusch und rein.
Das Welten-Sodom schläft in Sicherheit;
Der letzte blut'ge Kampf bricht bald herein.
Der HErr ist nah! Nun Schwert und Fackel frisch zur Hand!
Viktoria! Dann zieh'n wir heim ins Vaterland.
Beinahe - aber doch nicht!
Beinah am Ziele aber noch nicht!
Nun gilt es: Selig oder doch verloren! Amen. (Ernst Mühe)
Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie Alle schläfrig und entschliefen.
Christus verzieht oft in deinem Leben. Wenn du Lust hast, zu sterben, dann stirbst du nicht. Und wenn du sterben sollst, hast du keine Lust zum Sterben. Er verzieht in der Geschichte. Wie viele Seelen haben schon auf seine hochherrliche Ankunft gewartet? Warum verzieht er zu kommen? Auch dies ist Liebe. Er will seinen Himmel voll, er will seiner Seligen recht viele haben. Aber auch dies ist heiliger Ernst. Er will Gelegenheit geben, dass die Seinen auch im langen Harren den Glauben nicht verlieren. Leider haben Viele die Glaubensstücke, die noch in der Zukunft liegen, aus ihrem Bekenntnis geworfen. Ihnen ist es noch ärger gegangen als den zehn Jungfrauen. Diese wurden alle schläfrig und entschliefen. Sie dachten: „Jetzt kommt er nun doch nicht. Wir brauchen eine Weile nicht so auf der Hut zu sein.“ Sie wurden lauer in der Freudigkeit, matter im Gebet, träger im Fortschritt in der Heiligung. Auch die klugen Jungfrauen waren nicht ohne natürliches Wesen. Aber sie wussten, dass eine Schläfrigkeit in ihrer Natur war, und versahen sich eben darum mit Öl, dass dennoch Alles bereit wäre. Darum war der Schlaf der törichten und klugen doch verschieden. Jene hatten keinen Vorrat, als die arme Freudigkeit, die zur Neige ging; diese hatten ein Herz und Leben, das in dem Herrn stand, in dem der Herr stand.
Herr, wir klagen vor dir, dass des Schlafes so viel ist in deiner Christenheit, und wir bekennen, auch wir wachen so wenig deinem Kommen entgegen. Wie viele, die dein Heil haben wollen und mit dem Munde dich bekennen, sehen gleichgültig oder mit Angst deinem Kommen entgegen. Ja, deine Kirche ist eine große Schlafkammer geworden. O wecke uns, wecke deine ganze Christenheit auf, damit die Welt erkenne, wie nur im Wachen und Beten das Heil zu erhoffen ist, und damit wir selbst unser Heil nicht verschlafen. Amen. (Friedrich Ahlfeld)