Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig, und reitet auf einem Esel, und auf einem Füllen der lastbaren Eselin.
Es ist ein eigener Königszug, den der heutige Sonntag uns vorstellt. Der Herr zieht von Jericho her nach Jerusalem. Es ist aber keine Gestalt noch Schöne, die uns gefallen hätte. Das Tier auf dem er einzieht ist ein geborgtes. Zwei Jünger müssen eine Eselin in Bethphage ablösen und zu ihm führen. So zieht er nicht ein auf prächtigem Königsrosse, sondern wie Sacharja es geweissagt hatte, auf verachtetem Tiere. Wenn sonst die Könige in ihre Stadt oder Burg zogen, wurden die Wege belegt mit köstlichem Tuch und Decken, dass sie darüber hinritten. Hier breitete das arme Volk seine Kleider, die wenig gemein hatten mit Königsteppichen, auf den Weg. Sonst gingen und ritten dem König seine Herolde voran. Hier ziehen arme Kinder voran, sie ziehen mit ihm zur Stadt und zum Tempel hinein, und verkündigen seine Ehre. Und doch, wer die stillen, verborgenen Züge aus diesem Bilde herauslesen kann, muss sagen: es war ein wunderbarer Zug. Was zog diese Haufen an ihn? Was scharte die Kinder um ihn? Was bewog jenen Mann, auf das bloße Wort: „der Herr bedarf ihrer“, sein Tier zu lassen? Es war die in Christo verborgene Fülle der Gotteskraft: die Alle fühlen ließ: Siehe, dein König kommt zu dir!
Herr, barmherziger Heiland, wir danken dir, dass du in solcher Niedrigkeit zu uns kommst. Du hast deine Herrlichkeit verlassen um unsertwillen. In deinem Leiden willst du ja meine Sünde tilgen und meine Schuld tragen, darum wählst du die Dornenkrone statt der Ehrenkrone. Du willst unsern Glauben an dich wecken, darum kommst du nicht in Macht und Herrlichkeit, nicht in der Majestät, die Welt und Herzen zerscheitert wie der Blitz einen dürren Baum, sondern sanftmütig. Du willst uns anzeigen, welcher Art dein Reich sei. Es ist nicht von dieser Welt. Hoch und groß kann darin nur sein, was um des Herrn willen klein geworden ist. Lass uns auch klein werden angesichts deiner Niedrigkeit, dass du auch uns mit sammelst zu deinen Untertanen und uns eine Stätte gibst in deinem ewigen Reich. Dazu segne diese Adventszeit, dazu das ganze heute beginnende Kirchenjahr aus Gnaden. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Das ist die erste Botschaft, die das neue Kirchenjahr uns bringt: es soll ein Jahr des Heils und der Gnade für uns alle sein. Das ist die Überschrift der ganzen Adventszeit, in die wir heute wieder eintreten. Selige Zeit, über deren kurzen, dunklen Tagen etwas wie Glanz und Herrlichkeit aufgeht, näher und näher, bis in der heiligen Nacht die Klarheit des Herrn in vollem Glanz über uns leuchtet! Selige Zeit des Wartens und Hoffens aber wirklich selig doch nur dann für dich, wenn du ihn aufnimmst als deinen König, deinen Friedefürsten. Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig. Er bietet dir heute aufs Neue seine vergebende Gnade für Alles, was hinter dir liegt. Er bietet dir seine Kraft zu einem neuen, heiligen Leben. Er bietet dir Trost und Erquickung für jedes Kreuz, für jede Last. So nimm ihn auf in herzlicher Liebe und aufrichtigem Glauben. Leg ihm Alles zu Füßen, was dein ist. Weihe ihm deine Arbeit; schmücke zu seinem Empfang Herz und Haus mit den Palmzweigen des Friedens, mit den Blättern und Blüten eines neuen christlichen Lebens, Geduld, Freundlichkeit, Wahrheit. Barmherziger, ewiger Gott und Vater! Wir danken dir, dass du uns diese heilige Festzeit wieder hast erleben lassen. Hilf uns, dass wir immer fester an dich glauben und deiner Gnade in Jesu Christo immer zuversichtlicher uns getrösten. Getreuer Heiland, himmlischer Friedefürst, komme zu uns! Komme und richte in unsern Herzen deinen Thron auf, du unser sanftmütiger König. Vereinige Alle in diesem Hause, Alle, die wir lieb haben, in deinem heiligen Dienst und unter deiner gnädigen Hut, dass wir mit ihnen dein eigen seien und in deinem Reiche dir dienen in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Amen. (Adolf Clemen)
„Dein König kommt zu dir sanftmütig.“ Dies Wort ist sonderlich zu merken und tröstet lieblich die sündlichen Gewissen; denn die Sünde macht natürlich ein furchtsam, flüchtig Gewissen, das sich vor Gott entsetzet und verbirgt, wie Adam im Paradies tat, und kann nicht leiden die Zukunft Gottes; sintemal es weiß und natürlich fühlt, dass Gott der Sünde feind ist und sie gräulich straft; darum fleucht und erschrickt es, wo es Gott nur hört nennen; besorget sich, er schlage sobald mit der Keule drein. Dass nun solcher Wahn und Zag uns nicht jage, verheißt er uns hier tröstlich, dass dieser König komme sanftmütig, als sollte er sagen: Fleuch nicht und zage nicht, er kommt jetzt nicht, wie er kam zu Adam. Kam, zur Sündflut, zu Babylonien, zu Sodoma und Gomorra; auch nicht, wie er kam zum Volk Israel auf dem Berg Sinai; er kommt nicht im Zorn, will nicht mit dir rechnen, noch Schuld fordern; es ist aller Zorn abgelegt, eitel Sanfte und Güte ist da, er will einmal mit dir fahren, dass dein Herz Lust, Liebe und alle Zuversicht zu ihm haben soll; dass du hinfort ja so sehr und vielmehr dich zu ihm sollst halten und Zuflucht suchen, als du dich zuvor hast vor ihm entsetzet und geflohen. Siehe, er ist doch ganz eitel Sanftmut gegen dir, er ist ganz ein anderer Mann, stellt sich als dem es leid sei, dass er dich je einmal erschreckt und flüchtig gemacht hat mit seiner Straf und Zorn; darum will er dich nun wiederum kühne und getrost machen, und freundlich zu sich bringen. Siehe, das heißt, meine ich, einem armen sündlichen Gewissen tröstlich ins Herz sprechen, das heißt recht von Christo gepredigt und das Evangelium verkündiget. Wie ists möglich, dass eine solche Rede nicht sollte ein Herz fröhlich machen, und alle Furcht der Sünde, Todes und Hölle vertreiben, ein frei, sicher, gut Gewissen aufrichten, das hinfort mit Freuden tue und lasse Alles und mehr, denn man von ihm begehret. (Martin Luther)
Saget der Tochter Zion: Siehe dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Füllen der lastbaren Eselin.
Komm, HErr JEsu, wir harren Deiner von einer Nachtwache zur anderen, und unser Herz ist unruhig in uns, bis dass es ruht in Dir. Du willst auch in diesem neuen Kirchenjahre bei uns sein - o so verziehe nicht, eile uns zu helfen! HErr wir trauen Dir, lass uns nimmermehr zu Schanden werden! Sei und bleibe uns ein starker Hort, dahin wir immer fliehen mögen, wo wir Schutz finden unter den Flügeln Deiner unverdienten Gnade. Komm, ja komm HErr JEsu! (unbekannt)
Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig.
Jesaias weissagte K. 40,9.10., man werde bei dem Anbruch der Neutestamentlichen Gnadenzeit zu den Städten Juda sagen: siehe, da ist euer Gott; denn siehe, der HErr HErr kommt gewaltiglich, Sein Arm wird herrschen usw. Zacharias aber sprach weissagend K. 9,9.: du Tochter Zion freue dich sehr, und du Tochter Jerusalem jauchze: siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin. Fürwahr ein großer König, der auch Gott ist! Darum wird Jes. 52,7. von den Boten Gottes gesagt, dass sie zu Zion sagen: dein Gott ist König. Dieser König aber ist Jesus Christus, auf den man, da er im Stand der Erniedrigung auf Erden lebte, mit Fingern weisen, und sagen konnte: siehe, da ist Er, und der auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin zu Jerusalem eingeritten ist. Damals konnte man der Tochter Zion, das ist der Bürgerschaft zu Jerusalem, sagen: siehe, dein König kommt zu dir. Um einigermaßen sich durch Zeichen als ein König zu offenbaren, ließ Er Sich bedienen, und ritt auf einem Esel, welches Er sonst zu tun nicht gewohnt war. Er nahm auch die Ehrenbezeugungen und den lauten Zuruf des Volkes an, welches, wie Lukas K. 19,38. bezeugt, unter Anderem sagte: gelobt sei, der da kommt, ein König im Namen des HErrn, und wie Markus Kap. 11,10. sagt, auch ausrief: gelobt sei das Reich unsers Vaters David, das da kommt im Namen des HErrn. Der Gedanke von Jesu als einem König und von Seinem kommenden Reich hatte also damals alle Gemüter erfüllt. Sie glaubten, das Reich David komme jetzt, und werde von dem HErrn Jesu, als dem Messias und Sohn Davids, auf eine herrliche Weise angerichtet werden. Es war dieses an sich selbst auch wahr: nur geschah es nicht auf diejenige Weise, wie die Israeliten insgemein hofften.
Zacharias hatte den König Jesus einen Gerechten und einen Helfer und einen Armen genannt. Nun kann man das hebräische Wort, welches arm heißt, auch sanftmütig übersetzen. Matthäus, welcher bei dem Einritt Jesu zu Jerusalem gegenwärtig gewesen war, und Seine Gestalt und Art zu reden und zu handeln bemerkt hat, ist besonders bei dem Wort sanftmütig stehen geblieben, weil damals aus allen Worten und Werken Jesu eine besondere Sanftmut herausleuchtete. Der HErr Jesus ist aber noch jetzt sanftmütig. Er besänftiget die Seelen: Er lehrt und gibt Friede, Zach. 9,10. Die Seelen der Menschen werden wegen der Armut, wegen misslungener Anschläge, Beleidigungen des Nächsten und allerhand Plagen beunruhigt, verwundet, und in Kummer und Verdruss hineingetrieben. Dazu kommt noch das Gesetz Gottes, welches drohet, flucht, verdammt. Nun kommt Jesus als ein sanftmütiger König, und richtet Frieden in der Seele an, erquickt sie, und lässt sie Ruhe finden. Er macht sie nicht unempfindlich gegen das Leiden, stellt ihr aber dasselbe auf der evangelischen Seite vor. Er entschuldigt die Sünde nicht, vergibt sie aber, und erlässt die Strafe. Er schenkt Licht und Leben, züchtigt mäßiglich, und erlöst endlich von allem Übel.
Er kommt auch noch jetzt zu den Menschen, nämlich in demjenigen Verstand, in welchem Er’s Matth. 16,28. verkündigte, da Er sagte: es stehen etliche hie, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie des Menschen Sohn kommen sehen in Seinem (Gnaden-) Reich. So komme den der HErr Jesus jetzt in Seinem Reich zu Vielen, und auch zu mir und den Meinigen als ein sanftmütiger König, und Sein Name werde allenthalben erkannt und gepriesen! (Magnus Friedrich Roos)
Siehe, dein König kommt zu dir.
Als der HErr Jesus aufs letzte Osterfest nach Jerusalem kam, so zog Er mit einer gewissen Feierlichkeit zu Jerusalem ein, und das Volk rief Ihm zu: gelobt sei, der da kommt in dem Namen des HErrn, gelobt sei das Reich unseres Vaters Davids, das da kommt usw. Auch sagt Matthäus, dass damals die Weissagung des Zacharias erfüllt worden sei: sagt der Tochter Zion: siehe, dein König kommt zu dir. Es ist auch merkwürdig, dass der HErr Jesus in Seinen letzten Tagen, ob Er schon Seinen schmählichen Tod als nahe vor sich sah, öfter und deutlicher als sonst von Sich selbst als einem HErrn, König und Richter geredet hat. Er blieb auch so fest bei diesen Vorstellungen, dass Er hernach vor dem Pilatus in der tiefsten Niedrigkeit ein gutes Bekenntnis von Seiner königlichen Würde und von Seinem Königreich ablegen konnte. Durch dieses Sein unvergleichliches Beispiel hat Er uns gelehrt, dass ein gläubiger Christ bei der Schmach, die er vor sich sieht, an die Ehre, bei der Armut an den Reichtum, und bei dem Sterben an das Leben denken, und sich überhaupt in seinem Geist über das Sichtbare erheben solle.
Was nun insonderheit das Königreich Jesu anbelangt, so ist es ein herrliches, unbewegliches und ewiges Reich. Wenn ich glaube, dass Jesus König sei, so darf ich dafür halten, dass Er herrsche, schütze, rette, kriege, strafe, richte, von demjenigen, was Sein ist, Gaben austeile, und eine große Herrlichkeit habe. Ich bin Ihm als meinem König Ehrerbietung, Vertrauen und Gehorsam schuldig. Alles muss Ihm als einem König untertan werden; wo Ihm aber noch nicht Alles untertan ist, da will Er noch als König hinkommen, wie die Schrift zu reden pflegt, und Seine königliche Würde und Macht erweisen. Er komme denn auch zu mir und den Meinigen und zu allen Menschen, die jetzt leben; Er bringe, wie Ps. 72. geweissagt ist, das Volk Gottes zur Gerechtigkeit, und errette Seine Elenden. Er lasse die Berge den Frieden bringen, und die Hügel die Gerechtigkeit. Er erhalte das elende Volk bei Recht, helfe den Armen, und zerschmeiße die Lästerer. Ihn fürchte man, so lange die Sonne und der Mond währt, von Kind zu Kindeskindern. Er fahre herab (in Seinem Königreich), wie der Regen auf das Fell (Gideons), wie die Tropfen, die das Land feuchten. Es blühe unter Ihm der Gerechte, und es sei unter Seiner Regierung großer Friede, bis der Mond nimmer sei. Er herrsche von einem Meer bis ans andere, und vom Wasser an bis zu der Welt Ende. Vor Ihm sollen sich die in der Wüste neigen, und Seine Feinde Staub lecken. Alle Könige sollen Ihn anbeten, und alle Heiden Ihm dienen usw. Zur gegenwärtigen Zeit fehlt freilich an diesem Allem noch Vieles. doch darf ein Christ darum bitten, weil es verheißen ist, und dabei hoffen, dass dasjenige, was noch nicht ist, werden werde. Derjenige, der dieses Alles vorher verkündigt hat, wird’s auch tun. Ja Er wird’s tun, ob’s schon unmöglich scheint. Sein Rat ist wunderbar, Er führt ihn aber herrlich hinaus. Weil Er aber seit Seiner Himmelfahrt Sein Reich auf Erden durch den Dienst Seiner Knechte ausbreitet, so sei ein Jeder zu diesem Zweck gern Sein Knecht, und opfere sich zu Seinem Dienst gern auf. Durch die vereinigten Bemühungen aller Seiner Knechte wird etwas Großes ausgerichtet, wiewohl Keiner weiß, wie viel er dazu beigetragen habe. (Magnus Friedrich Roos)
Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig, und reitet auf einem Esel, und auf einem Füllen der lastbaren Eselin.
Dein König kommt zu dir. Ist er dein König, so bist du sein Untertan. Ehrt nicht ein Untertan seinen König? Wo ist denn seine Ehre? Ach, ehre ihn mit deiner Zunge, hat er sie doch zu seinen Ehren dir gegeben. Ehre ihn mit deinem Leben und suche in allen Dingen nicht deine, sondern seine Ehre. Denn wer ihn ehrt, den will er wieder ehren. Gehorchet nicht ein Untertan seinem König? Ist er dein König, wo ist dein Gehorsam gegen ihn? Ach, nimm doch alle Vernunft gefangen unter den Gehorsam Christi. Ihm gehorchen ist allein die wahre Freiheit. Bringt nicht ein Untertan seinem Könige Schoß und Zoll? Ist er dein König, wo bleibt dein Schoß und Zoll? Er bringt dir alles, drum gib ihm alles, dein Herz zur Liebe, deine Zunge zum Lobe, deinen Leib und deine Seele zum Opfer.
Dein König kommt zu dir. Du solltest zu ihm kommen, denn du bedarfst sein; nun kommt er zu dir, als bedürfte er dein. Sein Wille ist dein Heil; dasselbe zu erwerben ist er in die Welt gekommen, dasselbe dir zu bringen geht er dir nach im Wort, kommt dir sehr nahe, klopft ans Herz und spricht: „Ach, lass mich ein, ich bringe dir mit dein Heil und Seligkeit.“ So gern wollte dich Jesus selig haben, darum wartet er nicht, bis du zu ihm kommst, um dein Heil bei ihm zu suchen, sondern er kommt zu dir und trägt dir den Schatz nach. Ach, so komm doch und lass dir helfen! Den ganzen Tag streckt er seine Hände nach dir aus. Lauf ihm doch in die Arme!
Dein König kommt zu dir. Aus dem „dir“ mache du ein „mir“ und sprich: „Mein König kommt auch zu mir.“ Denn was nützt es, dass dieser König zu andern Heiligen kommt, so er nicht auch zu dir kommt? Was hilft dir's, dass die Sonne das ganze Land erleuchtet, so sie ihre Strahlen allein vor dir verbirgt und nicht auch ein Licht in dein Kämmerlein hinein fallen lässt? Ach, darum sei am allermeisten bekümmert, dass dein König auch zu dir komme, dich erleuchte, dich tröste, dich gerecht und selig mache. (Heinrich Müller)
Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig.
Es gibt wenige Worte der Bibel, die sich unsrem Herzen so tief eingeprägt haben, als dieses. Er weckt die schönsten, glücklichsten Erinnerungen aus unsren Kinderjahren. Wenn das Evangelium von dem Einzug Jesu in Jerusalem gepredigt wurde, dann wussten wir: nun ist die liebe, die lang ersehnte Adventszeit da; Advent war eine Wartezeit des Hoffens und Sehnens für die Kinder, und in der Vorfreude, die es brachte, war es so selig. Wir hatten gehört, Advent heiße Ankunft, und wir wussten, wer da kommen würde; Symeon und Hanna konnten sich kaum lebhafter auf Ihn gefreut haben, als wir, denn wenn Er kam, dann brachte Er Seine reichen Gaben mit, nach denen unsre jungen Herzen sich sehnten; Er war es, von dem die Lichter des Weihnachtsbaumes brannten und alle die Herrlichkeiten, die seine Äste und Zweige schmückten, sie stammten von Ihm. Er hatte sie den Vater- und Mutterhänden anvertraut; Er hatte die Bescherung der Kinder von ihrem Gehorsam, von ihrem guten Betragen abhängig gemacht. O, wie nahmen wir uns zusammen, um der Mutter keinen Anlass zum Vorwurfe zu geben, dass unsre Sünde das heilige Christkindlein von unsrer Schwelle nicht ferne halte! - Unsere Vorstellungen waren unseren kindlichen Jahren angemessen, aber erst im späteren Leben konnten wir es inne werden, dass der Kinderfreude eine tiefe Wahrheit zum Grunde lag, und wer nicht so glücklich ist, durch den Glauben mit Ihm in Verbindung, und in der Erfahrung Seiner Kraft und Seines Segens zu stehen, den mochte man bitten: strecke dich nach Ihm aus, dass Er dein eigen werde! Das heutige Wort will dazu ermuntern. „Siehe,“ so beginnt es; „der Herr will die schlafenden Sinnen aufwecken.“ Er will uns gemahnen, einen festen Standort zu suchen, wenn die Stunde der Heimsuchung hereinbricht. „Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig.“ Er kommt vom Himmel. Wir konnten nicht zu Ihm kommen, darum kam Er zu uns. Wir wissen es, wie Er auf Erden gelebt, und was Ihm den Königsnamen erworben hat. Ein so vollendetes Lebensbild hat die Weltgeschichte in keinem der übrigen Sterblichen aufgerollt. Kein sinnender Menschengeist konnte es aussinnen, aber alles Gute and Edle und Wahre, alles Hohe und Herrliche, wonach je eines Menschen Seele sehnend ausgeschaut hat, das findet sie in Ihm verwirklicht, in Seinem Leben lebendig geworden. Und Seine Erscheinung gehört nicht bloß der Vergangenheit an. Er gehört allen Zeiten; von Seinen Jüngern ist Er geschieden mit der Verheißung, bei ihnen bleiben zu wollen alle Tage bis an der Welt Ende. Dies Wort hat Er ihnen gehalten. Wo sie Seiner bedurft haben, da ist Er ihnen nahe gewesen mit Trost, Licht, Kraft, Hülfe und Errettung. Immer als ein König, der die Berge ebnet, der die Welten lenkt, der die Herzen erobert. Er will auch unser König sein, auch über unser Leben eine bestimmende Macht ausüben, und uns die Wege weisen, auf denen wir zu Ihm kommen und selig werden können. Wir brauchen uns nicht vor Ihm zu fürchten; unsre Sünden dürfen uns nicht hindern, Ihm zu nahen. Er ist der Sünder Freund; Er ist sanftmütig. Er hat Geduld mit den Schwachen; Er will das geknickte Rohr nicht zerbrechen und das glimmende Tocht nicht gar auslöschen; aber das Schwache will Er stark, das Tote lebendig machen, So bezeugt es die Schrift von Ihm in den Tagen Seines Fleisches: „Er ist umhergezogen, und hat wohl getan und gesund gemacht Alle, die vom Teufel überwältigt waren.“ (Apostelgesch. 10, 38.) Und so ziehet Er noch immer über diese Erde, und suchet die Herzen der Menschenkinder, um sie zu Seiner heiligen Wohnung zuzurichten; lasst uns Seinem leisen Nahen lauschen, lasst uns Sein Werk in uns nicht hemmen; Er will auch in uns ein Leben wecken, das dem Seinen verwandt ist, und wir sollen, wie einst Seine Jünger, aus Seiner Fülle schöpfen Gnade um Gnade. (Julius Müllensiefen)
Sanftmütig.
Zion soll über seinen König sich freuen, ja jauchzen. Sacharja 9, 9. Zion bist du, meine Seele in mir und so tief und groß ist die Barmherzigkeit Gottes, dass man sich freuen, ja jauchzen soll. O meine Seele, wache früh auf. Ps. 119, 148. Es ist wahr, dass es eine Erde ist, welche der Herr verflucht hat. 1 Mos. 5, 29. Und gewiss ist, dass auf der Erde verflucht, von Gott verflucht ist Jedermann, der nicht bleibt in Allem, was geschrieben steht in dem Buche des Gesetzes, dass er es tue. Gal. 3,10. Aber derselbe große Gott, der heilig und gerecht ist, sendet Botschaft, dass du, meine Seele, jauchzen sollst, weil Christus der König, dein sanftmütiger König ist. So schaue, wie groß Er ist! Der Vater hat Ihm Alles in Seine Hände gegeben. Joh. 13, 3. In Seinen Händen liegen alle Kräfte und Gewalten des Himmels, in Seinen Händen ruht die Macht über die bösen Geister der Finsternis, in Seinen Händen ist auf Erden die vollkommene Gewalt über dich, meine Seele, über all deine Not, über all deine Verkehrtheit, über Alles, was dich beugen und erheben kann. Dies ist der König, dem alle Gewalt gegeben ist. Matth. 28, 18. O Jesu, wie groß bist Du! Welch ein Glück genießen Alle, über welche Du König bist! Durften Juda und Israel sicher wohnen ein Jeglicher unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, so lange Salomo lebte (1 Kön. 4, 25), wie sollte meine Seele unter Dir, Jesu mein König, nicht in tiefem Frieden leben können! Friede wird sein inwendig in den Mauern und Glück in den Palästen, in allen Kammern meines Herzens (Ps. 122, 7), darum weil Du mein König bist. Wer will verdammen (Röm. 8, 34), da dieser König alle Verdammnis überwunden hat! Wer will beschuldigen (Röm. 8, 33), da der König Selbst bezahlt hat?
Seele, Seele, wach auf und höre. Höre, dass Er sanftmütig ist. Jakob war froh, als er hörte, dass Joseph noch lebte - wie froh werde ich sein, wenn ich erst verstehe, dass Du sanftmütig bist, Heiland meiner Seele. Petrus hatte alle Ursache, niedrig von sich zu halten, denn er war tief gefallen; aber das wagt er doch zu sagen: Herr, Du weißt alle Dinge, Du weißt, dass ich Dich lieb habe. Joh. 21, 17. Wie sollte er es nicht wagen, so kühn zu reden, da er die Sanftmut Christi als das tiefste Labsal erfahren hatte. Und wie sollte ich Dir nicht, mein Heiland, bekennen dürfen, dass ich Dich lieb habe, da eben Deine unbegreifliche Sanftmut in meine arme Seele hinableuchtet? Lass nur Dein Angesicht über mir leuchten, Du König voll Sanftmut, so will ich mich freuen und jauchzen. Jesu, Du König, Du Sanftmütiger, nimm mir meinen Unverstand, entdecke mir die Lüge des Lügners, der mir Deine Sanftmut ableugnen will. Lass mir Dein Wort gewiss sein, dass Du sanftmütig bist. Tritt herzu, du große Sünderin (Luk. 7), komm, du Mann, an welchem der König alle Geduld erzeigt hat (1 Tim. 1, 16) und bezeugt meiner Seele und Allen, die es bedürfen, dass die Größe des Königs unaussprechlich ist (Ps. 145, 3); denn Er ist sanftmütig. Schweig du Furcht und Grauen in mir vor Tod und Gericht, denn mein König ist König über euch und Er ist sanftmütig und will, dass ich komme und nicht fliehe. Herr, ich komme, ich spüre die heilende Kraft Deiner Sanftmut, ich genese von allen meinen giftigen Wunden, auch von dem Misstrauen gegen Gott. Willst Du, so will ich mich freuen und jauchzen über Deiner Sanftmut, die mir leuchten wird, wenn meine Augen brechen.
Du großer König, Du hast gesagt, dass Deine Kinder sein sollen, wie Sterne am Himmel 1 Mos. 22, 17. Und Du hältst Glauben ewiglich Ps. 146, 6. Wenn denn nun meine Seele genesen ist im Lichte Deiner Sanftmut, so bitte ich, lass das stille, süße Licht Deiner unbegreiflichen Sanftmut in mir leuchten und um Deines Namens willen lass meine Brüder und Schwestern merken, wenn sie in mich sehen, dass Du sanftmütig bist und die Deinen lehrst, was Du bist und tust.
Und gleich wie Dein' Zukunft war
Voller Sanftmut ohn' Gefahr,
Also sei auch jederzeit
Deine Sanftmut mir bereit. (Theodor Schmalenbach)