Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie, und sprach: Es sei denn, dass ihr euch umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt, wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.
Wir müssen dem Kinde ein Wenig ins Gesicht und ins Herz sehen, wenn wir das Wort: „werdet wie die Kinder“ recht verstehen wollen. Du möchtest wohl fragen: „Wem hat dieses Kind angehört? und was ist hernach aus ihm geworden?“ Die Sage berichtet, dies Kind sei jener Ignatius gewesen, welcher dem Herrn als Bischof von Antiochien lange treu gedient hat und im Jahre 105 nach Christo als Märtyrer in Rom von wilden Tieren zerrissen ward. Warum stellt Jesus ein Kind hin als ein Bild des Größten im Himmelreich? Rechte Kinder sind klein, und dies Kleinsein ist ihre wahre Größe. Sie stehen im Glauben noch so, dass sie das Wort Gottes hinnehmen, wie es lautet. Sie stehen zu ihrem Gotte noch so, dass sie mit ihm reden, wie mit Vater und Mutter. Kinder bekennen leicht ihre Schwachheit. Ohne Scham sprechen sie das Wort aus: „Das kann ich nicht,“ welches den Großen in ihrem Hochmute so schwer über die Lippen geht. Auch zum Bekenntnis ihrer Sünde haben sie noch ein viel offeneres Herz. Mit dem Bekenntnis bricht bei ihnen wie die Blume aus dem Frühlingstaue auch das Gelübde hervor: „Ich will es nicht wieder tun, ich will mich bessern, vergebt es mir.“ Das sind Kinder. Habt ihr noch solch weiches, offenes Herz? Oder könnt ihr bei euren Sünden kalt, ohne Bekenntnis, ohne Tränen, ohne Gelübde vor Gott oder euern Eltern stehen? Dann seid ihr keine Kinder mehr. Rechte Kinder sind eben klein, demütig und weich vor Gott und Menschen.
Ach Herr, unser Gott, du weißt, dass wir alle Lust haben, höher von uns zu halten, denn sich geziemet zu halten. Du weißt auch, wie schwer sich gerade diese Sünde bekämpfen und ausrotten lässt. Zeige uns doch im heiligen Geist unsere eigene Torheit recht deutlich! Du hast uns alle Gnaden und Güter geschenkt. Was Gutes an uns ist, das haben wir von dir. Herr, mache uns klein. Tilge die eitle Ehre. Gib die Demut, die sich ihrer Schwachheit rühmt. der sich deiner Erbarmung rühmt, der da preist deine Gnade nicht vergebens an uns gearbeitet hat. aller andere Ruhm dahinfällt wie welke Blätter, dann lass diesen als ein grünes Reis mitten im Herzen bleiben. Amen. (Friedrich Ahlfeld)