Petrus antwortet Jesus und sprach: „Herr, bist du es, so heiß mich zu dir kommen auf dem Wasser. „ Und er sprach: „Komm her.“ Und Petrus trat aus dem Schiff und ging auf dem Wasser, dass er zu Jesus käme. Er sah aber einen starken Wind. Da erschrak er und hob an zu sinken, schrie und sprach: „Herr, hilf mir.“ Jesus aber reckte bald die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: „O, du Kleingläubiger, warum zweifeltest du?“
Jesus hebt uns über alles Natürliche empor. Wir lösen uns an seiner Hand vom sichtbaren Grund, auf den die Natur unser Leben stellt, und empfangen nicht mehr von ihr die Ziele unseres Handelns, sondern hängen an Jesu Wort wie Petrus, als er aus dem Schiff heraustrat, weil ihm Jesus sagte: „Komm zu Mir. „ Müssen wir nun nicht zweifeln? Zwei Mächte greifen nach uns und ziehen uns und wir können uns weder von dieser noch von jener lösen. Können wir den Boden entbehren, auf den die Natur uns gestellt hat? Nein. Wir bedürfen die Lebensmittel, an die sie unser Leben bindet, und können uns der Lust und dem Schmerz nicht entziehen, den sie in unsere Seele legt. Ebenso wenig können wir uns vom Wort Jesu lösen, durch das uns Gott wirklich und gegenwärtig geworden ist. So gleicht das Christusleben immer wieder dem Verhalten des Petrus, der auf den See hinaustrat und sank. Jesus heißt aber sein Schwanken Kleinglauben. Du hattest, sagte er ihm, Glauben, hast ihn aber jetzt nicht mehr. Ohne Glauben verlässt keiner das sichere Boot, um auf den stürmischen See hinauszutreten. Das tut Petrus deshalb, weil Jesus vor ihm steht und er seine der Welt überlegene Macht vor Augen hat und danach begehrt, bei Ihm zu sein, und sich an sein Wort hält, das ihm dies gewährt. Allein auch die Wellen und der Sturm, seine unaufhebbare Abhängigkeit von der Natur, füllen seinen Blick und vor ihnen entflieht sein Glaube. Warum, sagt ihm Jesus, zweifeltest du? Du hast dazu keinen Grund. Sind es nicht zwei widereinander streitende Mächte, die auf dich einwirken? Gott und Natur, sind sie denn entzweit und miteinander im Kampf? Der eine ist der Herr und die andere gehorcht. Der Herr gebietet nicht nur dir: „Komm!“, sondern er gebietet auch der Welle: trage ihn! Alles ist sein Werk und steht unter seinem Regiment, die Natur, die ihr ihr Leben gibt, und der Geist, der dir sein Leben gibt, das natürliche Gesetz, das dich der Natur gehorsam macht, und die Gnade, die dich frei macht von der Natur und Gott gehorsam macht, das natürliche Gut, das du nicht entbehren kannst, und der himmlische Beruf, vor dem alles andere weichen muss. Das sind nicht gegeneinander wirkende Gewalten, sondern der eine und selbe Gott und die eine vollkommene Gnade hat dich in die Natur und über sie gestellt, damit niemand gehorchst als Gott allein. Das fasse; so wirst du aus einem Kleingläubigen ein Gläubiger.
Strecke Deine Hand aus, wenn ich schwanke, und lass mich den Griff spüren, mit dem Deine Gnade mich hält. Was sichtbar ist, ist mir nah und spricht laut zu mir. Deine Hand dagegen reicht aus der unsichtbaren Höhe zu mir herab. Aber die Hand Deiner Gnade hat Gottes Kraft in sich und darum trägt sie mich auf dem stürmischen See. Amen. (Adolf Schlatter)
Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so heiß mich zu dir kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her. Und Petrus trat aus dem Schiff und ging auf dem Wasser, dass er zu Jesu käme. Er sah aber einen starken Wind. Da erschrak er und hob an zu sinken, schrie und sprach: Herr, hilf mir! Jesus aber redte bald die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: O du Kleingläubiger, warum zweifeltest du!
Der Glaube, womit Petrus jenes Wort sprach, und womit er aus dem Schiffe auf das Meer dahintrat und wandelte, war groß, und der Glaube, womit er zweifelnd und sinkend schrie: Herr, hilf mir! war auch groß vor dem Glauben vieler tausend gläubiger Menschen; doch tadelt der Herr diesen Glauben als einen kleinen Glauben. Aller menschliche Glaube, auch da, wo er am größten ist, ist klein gegen die unermessliche Heiligkeit und Tiefe der Liebe Gottes, gegen die Unendlichkeit seiner allgegenwärtigen Macht und gegen das Unaussprechliche, was in keines Menschen Herz gekommen ist, wohin er den gläubigen Menschen leiten will, und was er ihm in seiner Ausdauer und Vollendung zum Lohne und Ziele bereitet hat. Doch ist aller Glaube in Hinsicht auf den Menschen groß; denn er ist edel, ja das Edelste, wovon jedes andere Hohe und Heilige, das der Mensch hat, bedingt wird, damit steht oder fällt, aller Glaube ist groß; denn er ist schwer, und der geprüfte, durch Leiden bewährte Glaube, den die Ströme nicht ersäuft und die Flammen nicht verzehrt haben, der, mit Christo gepflanzt zu gleichem Tode, mit ihm stirbt, um mit ihm zu leben, der ist von allem Großen das Größte.
Es kann Leiden in unserem Leben geben, also heiß, also dunkel und erschrecklich, dass wir eben so leicht ohne Furcht und Zweifel auf empörtem Meere wandeln könnten, wie ohne Erschrecken und Angst, ohne Zagen und Geschrei solche Leiden bestehen. Wir denken, wir müssen versinken, und indem wir das denken, sinken wir wirklich; wir wandeln nicht, wir ringen mit den Wellen; wir sind von Nacht bedeckt, vom Sturme umdrängt, sehen dem Untergange mit jedem Atemzuge entgegen, und können, wenn wir uns matt geschrieen haben, nur noch seufzen. Da sind wir die elendesten Menschen, und da ist von des Glaubens Gewissheit, Frieden und Kraft so wenig zu erblicken, wie von der Herrlichkeit der Gestirne in tiefbewölkter, finsterer Mitternacht. Doch ist es unser Glaube allein, der uns hält, dass wir nicht ver sinken, der uns hält, dass wir noch leben. Da hat, unseren Glauben zu strafen, dass er so klein ist, nur allein der das Recht, der unsichtbar erbarmend die rettende Hand über uns hält, und im dunkelsten und heißten Augenblicke, wo es daran ist, dass wir versinken, sie uns entgegenstreckt, dass wir sie fassen können. Wehe dem Sünder, der dann mit kaltem Herzen und mit weiser Miene höhnend fragen will: Wo ist nun dein Glaube? Wer in solchen Leiden unbefugten, herzlosen Fragen Antwort geben möchte, der könnte sagen: Mein Glaube ist in meiner Seele und in den großen Taten meines Duldens und meines Geschreies und meines um Hilfe jammernden Seufzers; ja selbst in meinem Sinken ist er; denn du an meiner Stelle wärst längst von den Wellen verschlungen und wärst versunken, ohne dass du auch nur ein: Herr, hilf mir! sterbend in lebendigem Glauben hättest rufen können. Sei erst selbst gläubig und wandele und leide im Glauben, ehe du des Glaubens Nacht und Not, Kampf und Sieg beurteilen wollest.
Der Glaube kann wohl sinken, aber er versinkt nicht. Mit ihm ist der, der aus der Finsternis den Morgen und aus dem Tage die finstere Nacht macht; der dem Sturme Stille und dem wilden Meere Ruhe gebieten kann in jedem Augenblick. Durch welche Nächte und Tiefen er die Seinen auch führt: in Gnade und Macht wird er doch auch an dem Geringsten der Seinen sich verherrlichen! Nur getrost und getreu, demütig und mutig, um seinetwillen, um des Gottessohnes willen, der in die Welt gekommen ist! Was wir hienieden von ihm erkennen und erfahren, ist nicht viel mehr als der Saum seines Gewandes, der Genesung gab allen, die ihn anrührten. Was wird es sein dort oben, wenn des irdischen Glaubens: Du bist wahrlich Gottes Sohn! sich verwandelt in des himmlischen Schauens: Mein Herr und mein Gott! (Gottfried Menken)