Jesaja 40,6

Andachten

Wenn irgend eine Zeit in der Natur die Wahrheit dieser Worte predigt, so ist es die gegenwärtige Winterzeit. Die Bäume sind längst entlaubt und ihres Schmuckes beraubt. Die Sonne hat nur noch einen kurzen Gang am Himmel. Schon sind die kürzesten Tage angebrochen, welche fast nur aus Morgen und Abend bestehen. Der Frost fasst schon hin und wieder das Leben in seine kalten Todesarme. Die ganze Natur redet von den letzten Dingen, alles Fleisch ist wie Heu und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. – Gibt es denn nichts Bleibendes unter diesem Hauch der Vergänglichkeit? nichts Festes unter dem unaufhörlichen Wechsel? nichts Warmes und Erwärmendes mitten im Winterfrost? nichts ewig Lebendiges, diesem allgemeinen Sterben gegenüber? Der Prophet sagt: „Das Wort unseres Gottes bleibet ewiglich.“ Gottlob, was auch vergangen ist in der Welt und seine Sterbestunde hat kommen sehen, Gottes Wort ist nicht vergangen, es ist nicht einmal alt geworden, es ist geblieben und hat in seiner Wahrheit und Göttlichkeit sich unaufhörlich kund gemacht. Wohin es gekommen ist, hat es seine Triumpfe gefeiert, und seine glorreiche Vergangenheit ist das beste Unterpfand für seine noch glorreichere Zukunft. Wie es bisher unter uns geblieben, so wird es auch bleiben ewiglich, und weder kurze Tage noch Frost kennen, sondern, wo es erscheint, den hellen Tag bringen mit seiner fruchtbaren Wärme. O wir wollen es ergreifen, das teure Wort, mit beiden Händen; wir wollen es ans Herz drücken und täglich lesen und anwenden zu unserm Seelenheil, dass es uns nähre und labe auf unserer Pilgrimschaft durchs Erdental. Die Winterabende sind lang, wir sollen sie durch dies Lesen verkürzen. Die Wintertage sind kalt, wir wollen sie durch dies Lesen erwärmen. Das Jahr eilt seinem Ende zu: dies Gnadenwort segne unsern Ausgang und Eingang durch die Nachricht der großen Freude, dass uns der Heiland geboren ist. Amen. (Friedrich Arndt)


Alles Fleisch ist Heu und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Feld. Das Heu verdorrt, die Blume verwelkt; aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Der Schmuck, mit dem der Frühling die palästinische Erde kleidet, stellt Wunder neben Wunder; sie sind durch die Pracht ihrer Farben und die Zierlichkeit ihres Baus unvergleichlich schön, ein Ueberfluß von Leben und Blühen, das kein Kargen kennt. So ist die Menschheit, sagt der Prophet; in Kraft ihrer natürlichen Regsamkeit gleicht sie der blühenden Flur. Sie bringt vieles hervor, was Bewunderung verdient, Kraft betätigt und schimmernde Pracht besitzt. Aber auf die Blätter- und Blütenfülle fällt die unbarmherzige Glut der Sonne herab. Darum verschwindet die ganze Pracht und der ausgedörrte Boden wird dürr. Der Prophet dachte zunächst an das emsige Schaffen und künstlerische Bilden, das die Babylonier betrieben, an die Pracht ihrer Städte und Tempel, an die imponierenden Leistungen ihrer Kunst, an die gewaltigen Machtmittel ihres Staats. Doch mehr als das Werk des Fleisches ist dies alles nicht; es entsteht aus dem, was die Natur dem Menschen reicht, und schafft nichts Bleibendes. Von ihr hat der Prophet seinen Glauben gänzlich weggezogen und er tut dies ohne Groll und Gram; denn er hat einen Besitz, der nicht vergeht. Er hat die Rede Gottes vernommen und sagt dem Volk das göttliche Wort. Mit klarer Deutlichkeit unterscheidet sich dieses von allem, was das Fleisch in seiner natürlichen Regsamkeit erzeugt. Denn das Wort, das der Prophet hört und sagt, beschreibt nicht den Menschen und seine Pracht, sondern verkündet Gottes Willen. Gibt es etwas Flüchtigeres als ein Wort? und dennoch besteht es, wenn Babylons Größe im Wüstensand versunken sein wird. Denn es gibt nichts, was so innig und vollständig mit Gott eins wäre als sein Wort. Darum ist es mit ewiger Kraft und Wirkung gefüllt.
Nicht deshalb, weil wir das Wort deiner Hand und das Gebilde deiner schaffenden Macht sind, ist ewiges Leben in uns hineingelegt. Du hast uns, die von dir Geschaffenen, der Eitelkeit und Vergänglichkeit untertan gemeacht. Aber zu uns, die wir blühen und welken, ist dein Wort gekommen und nun, Herr, empfangen wir das, was bleibt. Dir, dem ewigen bleibenden Wort, gebührt mein Dank und meine Anbetung. Amen. (Adolf Schlatter)

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