“Sage mir an, Du, den meine Seele liebt, wo Du weidest, wo Du ruhest im Mittage.“
Diese Worte drücken das Verlangen der Gläubigen nach Christo aus und seine Sehnsucht nach dem Umgang mit Ihm. „Wo weidest Du Deine Herde?“ In Deinem Hause? Dann will ich gehen und sehen, ob ich Dich daselbst finde. Im Gebetskämmerlein? Dann will ich beten ohne Aufhören. Oder im Wort? Dann will ich's fleißig lesen. In Deinen Geboten? Dann will ich darin wandeln von ganzem Herzen. Sage mir an, wo Du weidest; denn wo Du stehest als der Hirte, will ich mich niederlegen als Dein Lamm; kein Anderer als Du kann mein Verlangen stillen. Ich kann mich nicht zufrieden geben, wenn ich nicht in Deiner Nähe bin. Meine Seele hungert und dürstet nach der Erquickung von Deinem Angesicht. „Wo ruhest Du am Mittage?“ Denn es sei Tag oder Nacht, Morgen oder Abend: meine einzige Ruhe finde ich nur, wo Du bist mit Deiner geliebten Herde. Die Ruhe meiner Seele muss ein Gnadengeschenk sein, und kann nur in Dir gefunden werden. Wo ist der Schatten dieses Felsens? Warum sollte ich nicht daselbst ruhen? Warum sollte ich sein wie Einer, der „hin- und hergehen müsse bei den Herden Deiner Gesellen“? Der Satan spricht zu mir, ich sei Deiner unwürdig; aber ich war ja immer unwürdig, und doch hast Du mich von Alters her geliebt, und darum kann meine Unwürdigkeit keine Schranke sein, die mich ausschlösse von der Gemeinschaft mit Dir. Wohl ist mein Glaube schwach und droht zu sinken; aber gerade meine Schwachheit ist ja ein Grund mehr, warum ich allezeit um Dich sein sollte, an dem Ort, da Du Deine Herde weidest, damit ich gekräftigt werde und wohl behütet an den frischen Wassern. Oder sollte ich mich von Dir abwenden? Ich wüsste dafür keinen Grund; aber es sind tausend Gründe da, dass ich bleibe, denn Jesus lotst mich zu sich. Wenn Er Sich mir eine kleine Weile verbarg, so will er mir damit nur die Köstlichkeit Seiner Gegenwart um so fühlbarer werden lassen. Und obgleich ich jetzt traurig und betrübt bin, dass ich Seine Nähe nicht fühlen kann, so weiß ich doch, dass Er mich wieder zur bergenden Hürde führt, wo die Lämmer Seiner Herde vor den brennenden Sonnenstrahlen geschützt sind. (Charles Haddon Spurgeon)
“Du, den meine Seele liebt.“
Köstlich ist‘s, wenn wir imstande sind, ohne alle „Wenn“ oder „Aber“ zum Herrn Jesus zu sagen: „Du, den meine Seele liebt.“ Manche können von Jesu nur so viel sagen: sie hoffen, sie lieben Ihn, sie glauben, sie lieben Ihn; aber nur armselige und oberflächliche Erfahrung kann sich hiermit begnügen. Keiner sollte seinem Geist die geringste Ruhe gönnen, bis dass er sich in einer so wichtigen, tief ins innerste Leben eingreifenden Sache völlige Gewissheit verschafft hat. Wir sollten uns nicht mit einer oberflächlichen Hoffnung, dass Jesus uns liebe, nicht mit einem haltlosen Vertrauen, dass wir Ihn lieben, zufrieden geben. Die Heiligen der Vorzeit sprachen nicht so unbestimmt mit „Aber“ und „Wenn,“ mit „Hoffen“ und „Vertrauen,“ sondern sie redeten aufrichtig und offen. „Ich weiß, an welchen ich glaube,“ spricht der Apostel Paulus. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt,“ spricht Hiob. Gewinne eine sichere Erkenntnis von deiner Liebe zu Jesu, und begnüge dich nicht mit weniger, als dass du mit völliger Gewissheit bezeugen kannst, du habest teil an Ihm; und das wird dir zur Gewissheit, wenn du empfangen hast das Zeugnis des Heiligen Geistes, und sein Siegel auf deine Seele durch den Glauben. Wahre Liebe zu Christo ist in allen Fällen das Werk des Heiligen Geistes und wird von Ihm im Herzen gewirkt. Er ist die wirksame Ursache dieser Liebe; aber der innere Grund, warum wir Jesum lieben, liegt im Heiland selbst. Warum lieben wir Jesum? „Weil Er uns zuerst geliebt hat.“ Warum lieben wir Jesum? Weil Er „sich selbst für uns dargegeben hat.“ Wir haben das Leben empfangen durch seinen Tod; wir haben Frieden erlangt durch sein Blut. Ob Er gleich reich war, ist Er doch arm geworden um unsertwillen. Warum lieben wir Jesum? Um der Vortrefflichkeit seiner Person willen. Wir sind erfüllt von der Bewunderung seiner Schönheit! von dem Entzücken über seine Liebenswürdigkeit! von der Erkenntnis seiner unendlichen Vollkommenheit! Seine Größe, seine Güte, sein liebliches Wesen verschmelzen sich in einen glänzenden Strahl, der die Seele entzückt, und sie in ein solches Meer der Wonne eintaucht, dass sie ausrufen muss: „Ja, Er ist ganz lieblich, ganz lieblich ist Er!“ O, selige Liebe - eine Liebe, die das Herz mit Seilen bindet, die sanfter sind denn Seide, mit Fesseln, die fester sind denn Diamant. (Charles Haddon Spurgeon)