Prediger 2,1

Andachten

Im zweiten Kapitel zeigt Salomo die Nichtigkeit des Irdischen an seinem eignen Beispiele. Er beginnt mit der Weisheit und behauptet, sie sei kein Gut, sondern eine Plage. Denn der Gegenstand der Weisheit, die irdischen Dinge, ist nichtig, und diese Nichtigkeit tritt umso schärfer hervor, je tiefer sie erforscht werden. Die Weisheit, die nicht bei der Oberfläche der Dinge stehen bleibt, sondern ihnen auf den Grund geht, zerstört die Täuschungen, den beglückenden Wahn. So kann also der Besitz der Weisheit nur Kummer und Schmerzen eintragen. Je weiser, desto unglücklicher. In der Welt des Scheines ist ein weiser Mann ein armer Mann. Ist es mit der Welt nichts, so kann auch die Weltweisheit nicht viel wert sein. – Von der Weisheit wendet sich Salomo zum Besitz und Genuss der Güter dieser Welt. Alles hat ihm zu Gebote gestanden, er hat Freude gesucht und Sinnengenuss in großen Werken und Anlagen, in reichem Besitztum, glänzenden Verhältnissen, aber nirgends hat er ein wahrhaftiges Gut gefunden, nirgends etwas, womit das Herz gestillt werden konnte, nirgends einen Ersatz für die mannichfaltige Qual und Unruhe, welche das Schaffen desselben bereitet. Der Gedanke an einen schlechten Nachfolger, den er nach der Welt Lauf zu erwarten hat und auch wirklich fand, an die mannichfachen Unfälle des Lebens, die oft in einem Augenblicke zerstören, was man mit so vieler Mühe geschaffen hat, an den Tod, für den kein Kraut gewachsen ist, an die Vergessenheit, welche in Zukunft nicht minder den Weisen deckt als den Toren – alles dies vergällt ihm die Freude an seinen Schöpfungen. Da ist es doch besser, dass der Mensch, solchem Treiben und Jagen entsagend, dem Augenblicke lebt und die Freude genießt, die sich von selbst darbietet. Doch solch heiterer Genuss der Gaben Gottes steht auch nicht in der Menschen Macht, sondern kommt von Gott, der das Herz genussfähig machen und aus den Banden des Geizes erlösen muss. – Die Moral daraus ist: blicke nicht in schmerzlicher Sehnsucht auf Salomo und seine glänzende und vermeintlich freudenreiche Zeit. Ihr Reichtum an Freude ist, näher betrachtet, Eitelkeit. Der unscheinbare Quell der Freude, aus dem Salomo wirklich schöpfte, was er an Freude genoss, steht auch Dir noch offen in jedem, auch dem dürftigsten Verhältnis. Lass mich aus demselben schöpfen, o Herr, im neuen Jahre und allezeit. Amen. (Friedrich Arndt)

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