Psalm 73,25

„Ps. 73, 25. Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“

Andachten

Wenn wir zu Gott sagen, dass wir Ihn von ganzem Herzen lieben, ist es oft nur eine Redensart, ein leeres Geschwätz. Man hat uns in der Kindheit gelehrt so zu sprechen, und wir tun es weiterhin, wenn wir groß sind, ohne oft recht zu wissen, was wir sagen. O die Liebe zu Gott besteht darin, dass wir keinen anderen Willen haben, als den Seinigen, Sein heiliges Gesetz treulich beobachten und Abscheu vor der Sünde haben; dass wir lieben, was Jesus Christus geliebt hat, nämlich Armut, Demütigung und Leiden aller Art; dass wir hassen, was Christus gehasset hat, nämlich die Welt, die Eitelkeit und die Leidenschaften. Kann man glauben, dass man einen Gegenstand liebt, ohne den Wunsch zu haben, ihm ähnlich zu werden. Die Liebe zu Gott besteht darin, dass wir Freude empfinden an unserem Verkehr mit ihm, dass wir den heißen Wunsch haben, heimzukommen zu Ihm, und dass wir nach Ihm seufzen und uns sehnen. Wie falsch ist jene Liebe, die sich nicht darum kümmert, den Gegenstand ihrer Liebe auch sehen zu wollen.

Der Heiland ist gekommen, um ein göttliches Feuer auf die Erde zu bringen, und sein Wunsch ist, das Feuer brennete schon, und möchte alles verzehren (Luk. 21,49). Aber die Menschen leben in einer totähnlichen Kälte, sie lieben ein Häufchen klingendes Metall, ein Haus, einen Namen, einen Titel, der in der Luft schwebt, ein Phantasiegebilde, das sie guten Ruf nennen. Sie lieben eine Unterhaltung, ein Vergnügen, das vergeht. Nur für Gott bleibt ihnen gar keine Liebe übrig. Aber alles erschöpft sich auch für die verächtlichsten Kreaturen. Werden wir niemals das Glück der göttlichen Liebe schmecken? Wie lange ziehen wir die mit Gift behafteten Geschöpfe vor? Gott! regiere in uns trotz unserer Untreue! O dass das Feuer deiner Liebe alles andere Feuer in uns auslöschte. Was können wir außer Dir der Liebe Wertes sehen, das wir nicht in vollkommener Weise in Dir finden, der Du die Quelle alles Guten bist?

Gib uns die Gnade, Dich lieben zu dürfen, und wir wollen nichts anderes mehr, als Dich lieben und wollen Dich ewig lieben. (François Fénelon)


Das ist es, meine Freunde, was in der Spur des großen Bekenntnisses Asaphs im Text liegt; möchten auch wir dieselbe finden, möchten wir sein Exempel uns reizen lassen! Der Apostel Paulus gibt uns viel zu denken, wenn er den Korinthern schreibt: „ich weiß euren guten Willen“ (2 Kor. 9,3). Nur in dem Maß, in welchem wir unseren ehrlichen und aufrichtigen Willen dazugeben, dass Gottes reiche Gnade uns auf die Asaphsspur leite und zum Ziel derselben führe; nur in dem Maß, in welchem wir einstehen zu der Geistestat, alles tun zu lassen durch Gnade, werden wir den Glaubensproben auch dieses Jahres eine Kraft entgegenbringen, die uns befähigt, in dem allem weit zu überwinden. „Wer glaubt der fleucht nicht“! (Jes. 28,16), der bleibt treu und wird nicht scheu, steht auch in allen Proben fest! Noch mehr: wer glaubt, der steht im Erbe der Verheißung: „Der HErr ist meine Kraft, Er wird meine Füße machen, wie Hirschfüße und wird mich in die Höhe führen, dass ich singe auf meinem Saitenspiel!“ (Habak. 4,19.) Wo bleibt dann das Verschmachten? (Theodor Hans)


Es ist ganz verkehrt, den Heiland nur um des Nutzens, um des Gewinnes willen zu suchen. Da begehrst du eigentlich nur die Seligkeit, aber nicht Ihn; wenn du ohne Ihn in den Himmel eingehen könntest, so wäre dir das vielleicht viel lieber. Du weißt, dass Er der Herr ist und alle Gewalt, Herrschaft und Seligkeit im Himmel und auf Erden vom Vater empfangen hat; dass du also ohne Ihn gar nichts bekommen kannst. Willst du nur seine Gaben, nicht Ihn selbst? An einem Bräutigam würdest du es verurteilen, wenn er das Erbgut der Braut liebte, nicht aber sie selbst- Viele aber begehen diese Lieblosigkeit gegen den allwissenden Gott! Seligwerden wollen so viele Leute, aber Geistesmenschen, Gottes Kinder, Nachfolger Jesu Christi werden, dahin steht nicht der Sinn, nicht das Begehren ihres Herzens. Nur Reichtümer der zukünftigen Welt, nicht Erlösung von allen Sünden suchen so manche, die sich Christen nennen. Ich möchte nun auf den Herrn selbst dein Augenmerk richten. Ist Er Dir so teuer, dass du sprechen kannst: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde!“ Wäre es dir Seligkeit, die denkbar höchste Seligkeit, Ihn so zu umgeben, wie eine Frau ihren Mann umgibt? - Wenn der Herr so deine Freude wird, wenn Seine Persönlichkeit dich ganz und gar anzieht und umgibt, dann, so glaube ich, ist der erste Schritt zu deiner Versiegelung getan, und Jesus bringt dir voll und ganz Seine Liebe entgegen. (Markus Hauser)


Es schien der Christenheit oft vorteilhaft, wenn sie auch unter den Himmlischen Freunde habe. Kann uns ihre Fürbitte nicht beistehen und ist es nicht ein Trost, der uns den Gedanken an den Tod erleichtern kann, wenn uns drüben himmlische Helfer erwarten? Im Herzen des Psalmisten hatten solche Gedanken keinen Raum mehr. Er erwartete von denen, die im Himmel sind, keine Hilfe und keinen Trost. Noch näher liegt es, auf der Erde Helfer und Tröster zu suchen. Es gibt ja dort Machthaber, deren Gunst uns wertvoll sein kann und Freundschaften, die uns wirksam unterstützen. Aber auch von denen, die ihm auf der Erde nahe sind, wendet sich der Psalmist ab. Er stützt sich nicht auf ihre Hilfe und sucht seinen Trost nicht bei ihnen. Warum sucht er weder im Himmel noch auf Erden einen Helfer? „Weil ich dich habe.“ Er erkennt, dass er Gott deshalb habe, damit er in ihm alles habe, nicht einen unter vielen Helfern, sondern den Helfer, nicht einen Herrscher neben anderen, sondern den Herrn, nicht einen unter vielen Tröstern, sondern den, der ihm die ganze Freude gibt. Er hat es kraftvoll empfunden, dass es bei Gott immer um das Ganze geht, um die ganze Welt, so weit sie ist, mit allem, was sie enthält, nicht weniger aber auch um das ganze Herz, was immer in mein Sehfeld hineintreten mag, und um das ganze Leben, was immer mein Schicksal werden mag. Für unser Verhältnis zu Gott ist es ein wesentliches Merkmal, dass es jedes gleichwertige Verhältnis ausschließt und uns ganz an ihn bindet. Wenn ich Gott habe, so hat Er mich ganz. Wenn ich Ihm glaube, gibt es nicht noch Raum für einen anderen Glauben. Ich kann mich nicht auf Ihn und neben Ihm noch auf etwas anderes stützen. Wenn ich ihm nicht ganz glaube, so glaube ich ihm nicht. Es steht ebenso mit meiner Liebe und mit meinem Gehorsam. Eine Liebe, die ihm nicht alles gibt, ist keine Liebe Gottes, und wenn mein Gottesdienst nicht aus meinem ganzen Handeln besteht, so ist es kein Gottesdienst. Darum wendet sich der Psalmist von allen himmlischen und irdischen Helfern und Genossen weg. Wie sollte er sie neben Gott setzen? Wendet er sich zu ihnen, so verlässt er Gott. Er hat ihn aber; denn er hat ihn an seiner rechten Hand erfasst und er spürt diesen Griff Gottes, der ihn zu Gottes Eigentum macht, damit er in ihm alles habe, was er bedarf und begehren kann.
Lass mich spüren, dass Du meine Hand erfasst hast, damit ich nach nichts begehre als nach Dir. Ich will es meiner Seele sagen, dass sie Dich loben soll, Dich allein, und Dir trauen soll, Dir allein. Amen. (Adolf Schlatter)


Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte, und meine Zuversicht setze auf den Herrn Herrn, dass ich verkündige alles dein Tun.
Mein Gott! wie heißt doch meine Zuversicht, was ist es doch, worauf ich mich in diesem Leben verlassen kann? oder was von allen Dingen unter der Sonne kann mir den größten Trost gewähren? Bist du es nicht, Herr, mein Gott! dessen Barmherzigkeit grenzenlos ist? Wo war mir je wohl ohne dich! Oder wie hätte mir je übel sein können, wenn du bei mir warst? Lieber will ich mit dir arm sein, als reich ohne dich. Lieber will ich mit dir pilgern auf Erden, als ohne dich den Himmel besitzen. Wo du bist, da ist der Himmel. Wo du nicht bist, da ist Tod und Hölle. Du bist mein Verlangen, darum muss meine Seele beständig seufzen, schreien und flehen. Ich kann auf keinen andern ein volles Vertrauen setzen, der mir in der Not gerade zur rechten Stunde helfen könnte und wollte, als du allein.

Du bist meine Hoffnung, du meine Zuversicht, du mein Tröster, du mein treuester Freund in jeder Hinsicht. Alle andern suchen nur das ihre. Du suchst nur mein Heil und meine Förderung im Guten; du lenkest mir alles zum Besten. Und wenn du noch so viele Versuchungen und Trübsale über mich kommen ließest, so weiß ich doch, du ordnest dies alles mir zum Heile, der du ja auf tausenderlei Art und Weise deine Freunde zu prüfen pflegest. Ich darf dich in Prüfungen nicht weniger lieben und loben, als wenn du mich mit himmlischen Tröstungen erfüllst.

Auf dich also, Herr, mein Gott! setze ich meine ganze Hoffnung. Du bist meine Zuflucht; auf dich lege ich alle meine Trübsal und Angst. Denn was ich außer dir ansehe, finde ich schwach und unbeständig. Denn viele Freunde können mir nichts nützen, starke Helfer können nicht helfen, kluge Ratgeber nichts kluges raten, die Bücher der Gelehrten nicht trösten, kein kostbarer Schatz mich erlösen, kein geheimer und befestigter Ort mich schützen, wenn du mir nicht beistehst, du selbst mir nicht hilfst, mir nicht rätst, mich nicht tröstest, auch nicht erlöst, auch nicht unterrichtest und beschützt.

Denn alles, was Friede und Seligkeit zu gewähren scheint, ist nichts, wenn du nicht dabei bist, und verschafft ohne dich wahrlich nichts von Seligkeit. Du bist also das Gut aller Güter, die höchste Weisheit und der Abgrund alles dessen, was gesprochen werden kann. Auf dich über alles hoffen, ist der stärkste Trost deiner Knechte. Zu dir hebe ich meine Augen empor, auf dich vertraue ich, mein Gott, Vater der Barmherzigkeit. Segne meine Seele, segne sie mit deinen himmlischen Tröstungen, damit sie eine heilige Wohnung werde, ein Sitz der ewigen Herrlichkeit, ein Tempel der Gottheit, in dem nichts mehr gefunden werde, was die Augen deiner Majestät beleidigen könnte. Nach der Größe deiner Güte und nach der Fülle deiner Erbarmungen siehe herab auf mich, und erhöre das Flehen deines armen Knechtes, der fern verbannt von dir im Schattenlande des Todes umherirrt. Beschirme und erhalte die Seele deines geringen Knechtes in so vielen Gefahren dieses gebrechlichen Lebens. Begleitet von deiner Gnade leite sie auf dem Wege des Friedens in das Vaterland der ewigen Klarheit. (Thomas a Kempis.)


Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden.
Herr Gott, Brunn aller Freude und Seligkeit, neige Dein Angesicht heute von der zu mir. In Dir hat Kreatur. jede irdische Freude ihren Ursprung, Deine Güte ist Leben, Deine Ungnade schlimmer als der Tod. Wenn ich Dich verliere, so verliere ich alles, wenn ich Dich habe, so mangelt mir nichts.

Mit Reue und Betrübnis muss ich Dir bekennen, dass ich meine größte Freude nicht immer in Dir suche. Ich bin eitlen Schatten nachgejagt, die doch stets meiner Hand wieder entschlüpften, ich habe der Kreatur mehr gedient und ihr mehr Ehre gegeben als dem Schöpfer, der da ist Gott über alles, gelobt in Ewigkeit.

Herr, lehre mich doch erkennen, dass nichts anderes als Du Selbst das Verlangen und den Durst meiner unsterblichen Seele stillen kann. Mache mich los von allem Vergänglichen, mache mich in Ehrfurcht zufrieden mit allen Mitteln und Wegen, die Du verwendest, um mein unbeständiges Herz zu Dir zurückzubringen, Du allgenugsamer Hort meiner Seele. Unterwirf mich lieber der schärfsten Züchtigung, als dass Du mich meinen Götzen nachlaufen ließt - lass mich erfahren, dass Deine Liebe und Treue den Verlust alles irdischen Glückes reichlich zu ersetzen vermag. Wenn alles vergeht, was meinen Lebensweg verschönert hat, dann zeige mir was es heißt, unter dem Schirm des Höchsten zu stehen, und unter dem Schatten des Allmächtigen zu wohnen. Wie Du über alles Irdische das Urteil gesprochen hast: Erde bist du, und sollst zu Erde werden so Lehre mich dagegen, mich an den Einen zu halten der besser und beständiger ist als alles, was mir auf Erden teuer ist, an den Freund, der immer treu bleibt, der nicht müde noch lau wird, der nicht stirbt Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe in Ewigkeit.

Liebster Heiland, ich werfe alle meine Sorge auf Dich, Du zählst auch jetzt auf Deinem Thron alle Schmerzen und Seufzer jedes geängstigten Herzens. Alle Liebe außer der Deinen ist selbstsüchtig, alle Teilnahme unvollkommen - so lass mich denn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften Dich lieben, und mich nicht an Kreaturen hängen. Lass es meine größte Freude sein, Dir zu dienen, Dir nachzufolgen, und wenn es sein muss, mit Dir zu leiden. Wenn ich Dich habe, so verliert das Kreuz die Bitterkeit, wenn ich Dich nicht habe, so ist das Leben eine Wüste.

Dein Nahesein nimmt den Stachel aus jedem Schmerz, und gibt Stille und Zuversicht selbst im Sturm des unruhigen Lebens.

Wasche mich auch heute in Deinem Blut, lass mich den ganzen Tag über die Gewissheit meiner Versöhnung haben. Möge mein Herz von Lob und Preis Gottes voll sein, und Er selbst so darin thronen, dass ich mir keine Abgötter mache, und alle irdischen Neigungen der Liebe zu Ihm unterordne.

Himmlischer Vater, Dir befehle ich alle meine Lieben, sorge Du für sie. Segne sie und setze sie zum Segen nimm sie unter den Schatten Deiner Flügel, bis alle Not des Lebens zu Ende ist. Erhöre dieses mein Gebet, was ich im Namen Jesu Christi Deines lieben Sohnes, unsers Herrn, in dieser Morgenstunde vor Dich bringe. Amen. (John Ross MacDuff)

Predigten

Ahlfeld, Friedrich - Cholerapredigten - 2. Sonntag nach Trinitatis 1849.

I. Wäre der Herr nicht mein Trost gewesen, so wäre ich vergangen in meinem Elend.

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Text: Psalm 73, V. 25. 26.
Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Das waren vierzehn schwere Tage vom Trinitatissonntage bis zum heutigen Tage. Der liebe Herrgott hat diese vierzehn Tage hindurch den Leuten die Trinitatisepistel ausgelegt. Sie lautet: „O welch eine Tiefe des Reichtums beides der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie gar unbegreiflich sind seine Wege und unerforschlich seine Gerichte. Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen. Oder wer hat ihm etwas zuvor getan, dass ihm werde wieder vergolten. Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen.“ Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Das sei unser erstes Wort nach der gewaltigen Heimsuchung.

Dass wir aber seinen Rat nicht ergründen, noch begreifen können, dass seine Gerichte unerforschlich, seine Wege unbegreiflich sind, das merken wir auch. Draußen auf unserm Friedhofe schlafen an vierzig, denen in der Zeit die Erde als Deckbett aufgeschüttelt ist. Wir aber sind noch hier versammelt, wir können noch ein Vaterunser beten; wir haben noch singen können: „Meine Seele senket sich Hin in Gottes Herz und Hände.“ Wir sind zum Teil ganz unangetastet geblieben, zum Teil hat uns der Herr von ferne gewinkt: „Du, ich kann auch an dich kommen; es ist nur meine Gnade, dass es jetzt nicht geschieht.“ Womit haben wirs verdienet, dass unsere Namen in dem langen Register vor acht Tagen nicht abgelesen sind, oder heute abgelesen werden? Was bin ich und mein Haus, dass du mich bis hierher gebracht, errettet hast? Sag, was ist für ein Unterschied zwischen denen in den Gräbern und uns hier in der Kirche? Die haben sich versündigt und wir haben uns versündigt. Die bedurften der gewaltigen Weckstimme, und wir bedürfen der eben so gewaltigen Weckstimme. Die waren vor dem Gange der göttlichen Majestät wie ein Wurm auf dem Wege, und wir sind vor dem Gange der göttlichen Majestät wie ein Wurm auf dem Wege. Warum leben wir nun und die sind tot? Warum sind die tot und wir leben? Unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen.

Und nun von ihm hernieder zu uns, zu den lebenden und den Toten. Sehen wir, teure Gemeinde, unsere Stadt an. Sie liegt da, wie jener, der von Jerusalem nach Jericho hinabging, der unter die Räuber fiel, die ihn auszogen, die ihn halb tot schlugen. Denn die Toten sind tot, und die Lebenden haben bis heute gezittert auf der Scheide und Schneide zwischen Leben und Tod. Unsere Sünde hat uns in das Elend gebracht. Unsere Sünde hat Gotte das Schwerdt des Gerichts in die Hand gegeben. Er hat Monate lang mit demselben gezuckt und nur hie und da zugeschlagen. Da dachten wir: das geht mich nichts an. Man aß, man trank, man freite und ließ sich freien wie in den Tagen, da Noah in die Arche ging. Man war so stark und stolz geworden, dass man nicht einmal mehr erschrak vor der alten Drängerin von 1832. Da sprach der Herr: „Ich kann doch noch hindurch, und wenn dein Panzer siebenfach im Feuer gelötet wäre.“ Er ist hindurch gekommen. Gott Lob und Dank, wenn er recht, wenn er bis in den Grund hindurchgekommen ist. Aber zurück zu unserm Wunden und Halbtoten auf dem Wege nach Jericho. Da der barmherzige Samariter kam, von seinem Tier stieg und sich seiner annahm, da goss er zuerst in die Wunde Öl, dass er sie erweichte und das Schneiden und Brennen in derselben stillte. Alles Predigtamt ist dies Samariteramt. So wollen wir heute auch in die Wunde zuerst das Öl des Trostes gießen, dass das Herz weich werde aus stummem, starrem Schmerz, und dass es seinen Trost in dem einigen Manne des Trostes suche. Wir rufen uns heute zu, und das Wort wird ein Echo finden aus einem Herzen in das andere:

Wäre der Herr nicht mein Trost gewesen, so wäre ich vergangen in meinem Elende.

Sehen wir:

1) dass wir des Trostes bedürfen,
2) dass wir uns vor falschem Trost zu hüten haben,
3) dass wir nach dem rechten Troste greifen.

Und du barmherziger Samariter, der du im heiligen Geist alle Tage den Weg herniedergehst von dem himmlischen Jerusalem nach Jericho, komm auch heute, geh an unserer Stadt, geh an unserer Gemeinde, geh an dieser stillen Kirche nicht vorüber. Komm und hebe die Verwundeten auf. Komm und gieße von dem Balsam aus Israel in ihre Wunden. Sage uns: „Ich, Ich habe es getan. Ich mache das Licht und schaffe die Finsternis; ich gebe den Frieden und schaffe das Übel. Ich habe aber nicht Lust ewiglich zu schlagen. Denn so der Mensch lernet Herz und Knie und den stolzen Nacken beugen, so er lernet mich als seinen Herrn und Hort ehren, so verbinde und heile ich wieder.“ Ja komm Herr, verbinde und heile, dass sich kein Herz zu Tode blute in Trauer und Verzweiflung. Gnädig und barmherzig bist du.

Mir kennen dich also. Wir hatten nur vergessen, dass du auch ein gerechter Herr und Gott bist. Ach Herr, wir habens gelernt, wir wollens behalten. Erbarme dich unser. Amen.

I. Wir bedürfen des Trostes.

Der Psalm, aus dem wir unser teures Trostwort genommen haben, ist ein lieb des frommen Sängers Assaph. Er war ein Vorsänger an der Hütte des Stifts bei den heiligen Gottesdiensten in den Tagen des Königs David. Welcherlei Not ihn all betroffen hat, das wissen wir nicht. Nur einiges hat er uns in dem Psalm selber aufgezählt, besonders von Unterdrückung durch seine Feinde. Aber sein Kreuz und seine Last muss gar schwer gewesen sein. Denn unsere Verse klingen, wie wenn einer aus einer tiefen Grube herausschreiet, oder wie wenn sich einer recht ausgeseufzt und ausgeweint hat, sich dann aber ein Herz fasset und sich fest anklammert an den Herrn seinen Gott. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Schon vorher hat er gerufen: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich mit deiner rechten Hand.“ Vor diesem „dennoch“ liegt seine Not wie die große Wüste vor Kanaan. Und wenn es in unserm Texte heißt: „Wenn ich nur dich habe,“ so deutet dies nur dahin, dass ihm alles genommen war, dass er dastand wie ein Baum, dem der Sturm Blüten, Blätter, Zweige und Äste heruntergerissen hat. Gott Lob, der gesunde Saft war noch da, er konnte wieder grünen. Wer so rufen und beten kann, in dem ist gesunder Saft. Teure Gemeinde, unsere Not kennen wir genauer. Vom Morgen her, wo die Sonne aufgeht, vom Morgen her, wo Jesus Christus geboren ist, kam unsere Geißel heran. Weil wir den lieben Boten aus dem Morgenlande so lange verachtet haben, hat Gott diese raue Botin nachgesandt. Sie hat uns geschlagen bis in das Gebein hinein, und sie schlägt noch fort. Nur eine schwerere Zeit haben wir durchlebt, die im März des vorigen Jahres. Die diesjährige war leichter und ist leichter, weil wir mit dem Könige David lieber in die Hände Gottes, als in die Hände der Menschen fallen wollen. Aber gar schwer waren die Tage, und sie sind es noch. Wir wissen es, wir sind keinen Tag unseres Lebens sicher, auch in den gesundesten Zeiten. Aber gewöhnlich hat doch der Herr die Gnade, dass er uns Vorboten des Todes voraussendet. Er hört gern auf die Bitte: „Behüte uns vor einem bösen, schnellen Tode.“ Diese Gnade hatte er diesmal zurückgezogen. Wie der Vogel mitten im Fluge und frischem Flügelschlage getroffen wird, so traf seine Hand das stolze und sichere Geschlecht mitten in seiner Gesundheit. Wie am Seidenfaden hing das Schwerdt des Herrn über unsern Häuptern.

Der Tod ist uns auch sonst kein Unbekannter. Es geht selten eine Woche hin, wo nicht auch in unserer Gemeinde einem oder etlichen Feierabend geläutet würde, wo nicht weinende einer Leiche auf dem Kirchwege nachgingen. Aber solche Tage haben wir noch nicht verlebt. Er ist zu den Fenstern hereingestiegen, wie der Prophet sagt. Es ist Ernte Gottes gewesen auf dem Felde der Menschheit, ehe die Ernte kam. Es ist wohl kaum einer unter uns, dem der Herr nicht einen Riss in seine Familie oder in nahe Freundschaft und Verwandtschaft gemacht hätte. Noch weiß es unsere Gemeinde nicht, dass zwei und zwanzig Tote an einem Sonntage auf dieser Kanzel genannt sind. Witwen und Waisen haben wir auch sonst gehabt. Die Schrift hat im alten und neuen Bunde viel Trostessprüche an ihren Dornenweg gesetzt, wie man in Berglanden an die gefährlichen Wegesstellen Kreuze zu setzen pflegt. Es waren zu Eliä Zeiten viel Witwen in Israel. An Waisen hat es dabei auch nicht gefehlt. Aber das ist uns noch nicht geschehen, dass die Stadt Halle in 14 Tagen bis drei Wochen 3 - 400 Waisen gehabt hätte. Von den Witwen aber weiß ich die Zahl nicht. Da fiel es den Leuten aufs Herz, auch dir und mir und uns allen. Da änderten sich die Angesichter der Menschen. Wie nach dem Sonnenschein eine Wolke über das Feld läuft, und die lichte Flur in den grauen Schattenmantel hüllet, so fiel der Schatten des Schreckens und der Trauer auf die Angesichter. Von Labans Söhnen heißt es in der Schrift: „Ihre Angesichter waren nicht wie gestern und ehegestern.“ Unsere waren auch nicht wie gestern und eher gestern. Ohne Flor und Trauergewand hing doch Flor und Trauergewand darüber. Selbst die wüsten Kinder dieser Welt änderten Tritt und Schritt, Farbe und Rede. Das Gespräch konnte nicht weg von der Züchtigerin Gottes. Die Politik verstummte, denn der Herr, der Allmächtige, redete. Man fragte nicht mehr nach dem Pulsschlag des Staatslebens, sondern nach dem Pulsschlag des eignen armen Lebens! Das war die Lebensfrage geworden: Werde ich morgen noch leben? Man fragte nicht mehr nach Konstitutionen, sondern darnach, ob des armen Leibes Konstitution nicht jeden Augenblick zusammenbreche. So lag es auf uns zentnerschwer. So schauten wir herauf aus der tiefen Grube. Wonach schauten wir? Nach Trost. „Um Trost war mir sehr bange“ ruft König Hiskia. In diesen Tagen haben wir alle so gerufen. Wir haben auch recht deutlich erkannt, dass es nichts sei mit

II. falschem Troste.

Assaph spricht: Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Was will der Mann Gottes damit sagen, dass er nicht nach Himmel und Erde fragt. Wollte er an dem Himmel keinen Teil haben? Wollte er nicht selig werden? Nein, das kann nicht gemeint sein. Er wollte ja den Herrn haben. Und wer den hat, der hat den Himmel mit. Es kann keinen Christus ohne Himmel geben. Es kann keinen Himmel ohne Christus geben. Wo Christus ist, ist der Himmel, und wo der Himmel ist, da muss Christus sein. Nein, das will Assaph sagen: Wenn ich nur den Herrn habe, so mag es droben am Firmament gehen wie es will, so mag es hienieden, auf der Erde gehen wie es will. Mögen droben der Himmel Kräfte beweget werden, mag drunten das Meer brausen und die Berge vor seinem Ungestüm versinken, mag das arme Leben hinfallen, wie ein Blatt vom Baume: ich habe genug, ich habe meinen Teil, ich habe was Not ist, ich habe Leben mitten im Tode, ja Leben, wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet. Teure Gemeinde, auch uns wollte Leib und Seele verschmachten, der Leib vor der Krankheit, die Seele vor den Schrecken des Todes. Sagt, haben wir keine falschen Tröster gesucht? haben wir nicht nach Himmel und Erde gefragt? Der Herr hatte Mühe genug, uns von diesem Fragen abzubringen. Nach dem Himmel haben wir aufgeschaut, ob sich kein Gewölk zusammenzöge, ob sich kein Gewitter auftürmen wollte. Aber wir armen Menschenkinder können auch nicht einmal eine Wolke machen wie eine Hand groß. Wir haben nicht hoch genug geschaut. Die Wolken regieren die Welt nicht. Als Wetter und Wolken kamen, hielt das Sterben doch noch an, ja es stieg noch.

Auf den Mond haben wir gewartet. Wenn er abnähme, hofften wir, sollte die Krankheit mit abnehmen. Er nahm ab in der Nacht von jenem Mittwoch zum Donnerstage. Aber die Krankheit nahm nicht ab, sondern stieg noch. Da haben wir gemerkt, dass es einen andern geben muss, der Welt, Wind, Wetter und den Mond mit regiert. Wir hatten wieder nicht hoch genug geschaut. -

Auf die Sonnenwende lauern wir, die in diesen Tagen eintritt. Da hoffen wir, dass dem Sterben gesteuert werden soll. Hoffe nicht darauf. Bitte und flehe, dass der Zorn des Herrn sich wende. Er ists allein, der der Trübsal Ende und Wende machen kann. Das ist die rechte Sonnenwende, wenn er uns sein Gnadenangesicht wieder zuwendet.

An den Luftmessern haben wir gestanden und gesehen, welche Bestandteile die Luft enthält. Man klagte, es sei zu wenig Sauerstoff in der Luft. Es gibt einen andern Posten, wo wir stehen sollten, an dem Herzensmesser, an dem Gesetze. Und wenn wir da stehen, sehen wir, dass zu wenig Buße drinnen ist. Das ist auch ein Sauerstoff, denn sie will dem Menschen gar sauer ein und macht es dem Menschen sauer, dient aber zur rechten Gesundheit. Daran hat es gefehlt. Darum waren auch jenes alles leidige Tröster. -

Ich frage nicht nach Himmel und Erde. Ei, wie haben wir erkannt, dass sie so gar nichts hilft. Der sonst zum Goldklumpen sprach: „Du bist mein Trost,“ und zum Gelde: „Du bist meine Zuversicht,“ wie lag sein Trost und seine Zuversicht im Winkel! Sie wollten nicht trösten, sie waren kalt wie Eis. Du getröstetest dich deiner guten Natur und Gesundheit. Es war in diesen Tagen ein alter Krieger in der Gemeinde, der wollte den Kampf gegen die Krankheit aufnehmen. Er wollte sich wehren gegen sie, wie man sich gegen einen Feind wehrt. Aber es wehrt sich so gegen Gott. Dass wir mit unserer Kraft nichts ausrichten, fühlen wir. Gegen Gott gibt es keine Gegenwehr, denn auf den Knieen mit gefalteten Händen, mit einem zerschlagenen Herzen. Will ich mich rühmen gegen ihn, muss ich mich meiner Schwachheit und seiner Gnade rühmen. Du dachtest, ich habe mich mit aller Arznei versehen, ich weiß, wie ich mich setze gegen ihren Anfall. Vergiss nicht, der Herr hat die Arznei zur Arznei gemacht, und sie hilft und heilt nur so weit als er will. Er muss jedes Mal seine segnende Hand darüber breiten. So er das nicht tut, ist es umsonst. Hast du auch über deiner Arznei emporgeschaut in seine Gnade, in den Quell des Lebens und der Gesundheit? Wir haben es ja endlich wohl gelernt. Wir haben uns verlassen auf unsere Ärzte. Sie haben auch mit großer Treue ihrem Amte obgelegen. Wir wollen es hier öffentlich bekennen. Sie haben gearbeitet, bis sie selbst zum Teil darniederlagen. Aber was ist der Arzt? Mit aller Kunst und aller Klugheit vermag er es nicht. Wenn er vor dem Bette sitzt und spricht: „Es wird besser werden,“ dann wird es doch nur besser, wenn der Herr am Hauptende steht und spricht: „Ich will es auch.“ Du sollst nicht Fleisch halten für seinen Arm, du sollst nicht unter dem Himmel bleiben mit deinem Bitten und Hoffen. Du musst hinein in das Allerheiligste, ja hinein in das Allerheiligste. Da war, da ist

III. unser wahrhaftiger Trost.

„Wenn ich nur dich habe“ sagt Assaph, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Wenn das Leben ein schöner Garten ist, - es gibt ja solche Zeiten - so ist er der Brunnen darin. Ist dieser Brunnen nicht da, so verwelken Bäume und Blumen. Wenn das Leben eine Wüste ist, - es gibt ja solche Zeiten - so ist er der Brunnen darin. Ohne ihn würde uns nicht allein der Leib, auch die Seele, auch der Geist verschmachten. Assaphs Leben war zur Zeit eine Wüste. Aber er kniete an diesem Brunnen unter den Palmen Elims. Darum war ihm wohl. Unser Leben war in diesen Tagen auch eine Wüste, und es ist es noch. Wer ist denn dein Trost gewesen? Wer hat dich denn erquickt in der großen Hitze der Anfechtung? Er, und nur Er. Worauf haben wir uns gestützt? Alle Stäbe brachen. Nur Er hielt. In diesen Tagen hast du beten gelernt. Da wachten die alten Bibelsprüche auf: „Was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir. Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“ „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ „Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ „Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.“ Waren dir einst die teuren Sprüche aus dem Worte Gottes wie laues Wasser, so wurden sie dir jetzt wie ein erquickender, kühler Wein. Wenn du in diesen Tagen dein Vaterunser betetest, wie war da jede Bitte so lebendig! Und wenn du hinkamest an die Stelle: „Erlöse uns von dem Übel,“ wie klopfte das Herz empor: „auch von unserm großen Übel, Herr, du kannst es.“ In diesen Tagen bekam das Wort Heiland und Erlöser dir wieder einen rechten Sinn. Fühltest wohl, dass wir eines Heilandes und Erlösers bedurften. In seine Hände befahlen wir uns und die Unsern an jedem Abende. Wer hat jetzt wohl das Gebet vergessen? Der Herr ist unser einiger Trost gewesen. Er bleibt es auch. Wenn wir unsern schweren Gang dahingingen, und es kam eine Todesbotschaft nach der andern, so schauten wir empor und sprachen im Herzen: „Aber der lebet noch!“ Wenn es uns selbst anfasste und wir dachten: „In wenigen Stunden stehst du auch vor dem Richterstuhle Gottes und die Bücher werden aufgetan, und das Buch deiner Sünden wird auch aufgetan“ was tröstete uns da? Nichts, als der Glaube : „auch das Buch wird aufgetan, in dem geschrieben steht von dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.“ Nichts, als der Glaube, dass Er, unser Mittler, unser Bürge, selbst herfürtritt und für uns bittet mit unaussprechlichen Seufzern. An Todesgedanken konnte es nicht fehlen. Bei den Todesgedanken dachten wir auch an unsere Kinder. Wir fragten uns: „Wem vermachst du denn die?“ Und der Glaube antwortete: „Die will ich meinem Herrn und Heilande vermachen. Er hat seine Mutter einst einem armen Menschenkinde vermacht, und dieses hat das Vermächtnis angenommen. So wird er auch mein Vermächtnis annehmen. Er ist kein kalter Freund, der in solchen Nöten die Seinen nicht mehr kennt. Er hat Herzen genug in seinem Dienst, denen er hernach Befehl tut, Erzieher, Pfleger und Versorger in seinem Namen zu sein.“ Da war Trost.

Denken wir uns hin an die Gräber der vielen, die da schlafen gegangen sind. Wer tröstet? Etwa die große allgemeine Trauer, dass so viele gefallen sind? Ach, ein jeder findet seinen Teil wohl heraus. Bei einer Musik hört jeder Spieler seinen Ton heraus, und hier hört und fühlt man noch schärfer. Oder soll das Gras trösten, das über die Gräber wächst? Für zerrissene Erdschollen mag das ein Trost sein, aber für wunde Menschenherzen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, ist es keiner. Nein Er tröstet. Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören, und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben zur Auferstehung des Lebens. Es wird gesät verweslich, und wird auferstehen unverweslich; es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit; es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das erste ist vergangen. Das ist unser Trost, und den haben wir in dem auferstandenen Christus. In ihm haben wir Gnade und Vergebung unserer Sünden, so wir uns anders in der Buße von der Welt lobsagten, und im Glauben an ihn anhängten. Und wo ist Trost für die Witwen und Waisen? In dem ist er, er der Waisen Vater und der Witwen Versorger heißt. Der dem Vieh sein Futter gibt, der die jungen Raben speiset, die ihn anrufen, kann die nicht lassen und verlassen, die er mit dem heiligen, teuren Blute seines lieben Sohnes erlöst hat. Dahin, teure Gemeinde, wollen wir unsere Herzen richten, da hinein wollen wir den Anker unseres Glaubens werfen. Es ist Felsengrund, er reißt nicht aus. Es ist Treue bis in den Tod, sie betrügt uns nicht. Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet. Mit der Welt auch das Ende der Welt, den Tod. -

Aber sag, wer hat Teil an solchem Troste, wer darf kommen und sich an dem Quell leben? Alle sollen kommen. Darum ruft ja der Herr so gewaltig, darum rüttelt er die Welt so heraus aus ihrer Sicherheit. Der du geglaubt, der du gebetet, der du gesungen hast: „In dich hab ich gehofft“ rc., hast ja doch erst an dem Brunnen gelegen und mit zögernder Lippe genippt. Hast ja doch dem Herrn nur hin und wieder einen Besuch gemacht. Du sollst besser kommen, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzem Gemüte. „Auf dich habe ich mich geworfen von meiner Jugend an,“ spricht ein Frommer des Alten Testamentes. „Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen“ heißt es im Psalmbuch. Wissen wir schon etwas das von, was es heißt, uns auf ihn werfen, unser Anliegen auf ihn werfen. Geprobt haben wir wohl, ob er ein Stücklein unserer Last tragen wolle, aber es ist noch mehr Spiel gewesen. Wer soll kommen, wer soll ihn haben? Teure Gemeinde, es ist wohl manche bange und blöde Seele da, welche denkt: „Ich bin zu lange nicht bei ihm gewesen, ich habe so lange nicht gebetet, ich habe ihn lange verachtet, ich habe mit den Toren gesprochen: Es ist kein Gott und ich brauche keinen Heiland.“ Soll die auch kommen? soll die auch sagen: „Wenn ich nur dich habe“ und „so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil?“ Ja sie soll auch kommen. Sie ist das verlorene Schaf, das der Herr jetzt sucht, sie ist der verlorene Groschen, um den er das Haus kehret. Ist eine solche unter uns, so geh getrost herein.

Dem Könige Jerobeam in Israel lag sein Sohn krank. Er wollte Kunde haben von dem Propheten Ahia über dessen Leben und Sterben. Er wagte sich aber nicht zu ihm. Da musste sich sein Weib verkleiden und verstellen, dass der Prophet nicht merken sollte, dass sie Jerobeams Weib sei. So wollte sie sich einschleichen und sich den Trost stehlen. Vor Gott hilft kein Verstellen und Verkleiden. Geh hin, wie du bist. Sage ihm: „Ich bin in der Frühe herumgelaufen, Leib und Seele sind mir verschmachtet. Ich bin müde der Welt und ihrer Lügen. Ich komme wieder. Ich will dich haben, du sollst meines Herzens Trost und mein Teil sein.“ Und fürwahr, er wird dich annehmen, so wahr jener Vater seinen verlorenen Sohn angenommen hat. Aber greifet fest zu. Assaph sagt: Wenn ich nur dich habe. Was ich habe, das ist mein Eigentum, das besitze ich fest, das lasse ich mir nicht nehmen. Lass dir niemand deine Krone, deines Herzens Teil und deinen Trost nehmen. Vergeude und verliere sie auch selbst nicht. Wenn das Sterben nachlässt, soll dein Glaube nicht nachlassen, soll dein Gebet nicht nachlassen, soll deine Zuversicht auf den Herrn nicht nachlassen. Geld und Gut können trösten in bequemen und gesunden Tagen. Freunde können aushalten bis in den Tod, ja sie können mitgehen bis an die Gruft. Sie können aushalten über den Tod hinaus, sie können ihre Liebe an den Kindern noch bewähren. Aber nur einer ist, von dem es heißt: Du bist allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Allezeit bis ins tiefste Leid, allezeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wenn der Tod uns bedroht, wenn das Gesetz im Gericht den Stab über uns bricht, wenn alles weicht, weicht deine Gnade nicht. Herr dieser Gnade befehlen wir heute uns mit Leib und Seele, uns und unsere Kinder, diese ganze Gemeinde, diese ganze Stadt samt dem ganzen Vaterlande. Wir wollen dein sein, Du sollst unser sein. Wenn wir dich haben, so fragen wir nicht nach Himmel und Erde, und ob und gleich Leib und Seele verschmachte, bist du doch Gott allezeit unseres Herzens Trost und unser Teil. Amen. .