Psalm 57,2

Andachten

Herr, auf dich trauet meine Seele. Unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorüber gehe. Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meines Jammers ein Ende macht.

Wer, wenn er diesen ganzen Psalm durchliest, sich etwa in gleicher oder ähnlicher Lage mit David findet, da er, von Saul verfolgt, in die Höhle floh; 1. Samuel 22,1. wer von irgend einer Anfechtung und Trübsal niedergebeugt ist, der schlage denselben Weg ein, wie David: er fliehe und setze sich unter den Schatten der Flügel des Herrn, da kann er ruhig und sicher warten, bis das Wetter vorüber geht. Wo finden wir den Schatten seiner Flügel? wo breitet er sie über uns aus? wo bedecket er uns mit seinem Schutze? Überall, wo wir ihn suchen; wo wir ihn anrufen, wo unser Herz sich nach ihm sehnet Mitten im Glut-Ofen und in der Hitze der Trübsal wird er uns Kühlung und Labung, wenn wir nicht erst anderswohin laufen, sondern ihn gerade da, wo er uns mit Trübsal heimsucht, aufsuchen, in unsern Herzen; denn da wird er sich gewiss finden lassen. Ich bin bei dir in der Trübsal, sagte er. Er ist uns nie näher, er ist nie leichter zu finden, als wenn er uns durch Leiden heimsucht. Fallen wir unter die Zähne der Menschen, dass sie uns wie mit Spießen und Pfeilen, mit scharfen Schwertern ihrer Zungen stechen, schlagen, zerreißen, so bleibt uns kein ander Mittel, als gerade aufzublicken zu dem, der sie über uns schickt; der kann nicht fern sein. Sie sind nur Werkzeuge in seiner Hand. Die Hand muss so nahe als das Werkzeug sein, weil sie es führt und regiert. Der die Trübsal anfängt, wird sie auch zu enden wissen. Indes ist dir sein Schatten genug. (Johannes Evangelista Gossner)


Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig, denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis dass das Unglück vorübergehe.

Dazu wird uns die Not von Gott gesendet, dass wir beten lernen. Wenn plötzlich ein Schlag uns trifft, wenn das über Nacht scheitert, worauf unser Herz sich verlassen, dann stehen wir arm und hilflos da. Auch durch deren Seele, die sonst nichts von Gott wissen wollen, die sich lange Jahre hindurch von ihm abgekehrt, leuchtet dann wohl unwillkürlich der Gedanke: Einer ist es, der meinem Jammer ein Ende machen kann. Einer ist es, der vom Himmel mir seine Hilfe senden kann. Eine Zuflucht bleibt mir, und die ist ganz sicher. Das ist Der, der höher ist, als aller Welt Macht, der Allerhöchste! Aber nicht alle halten diesen Gedanken fest und folgen ihm, dass sie nun wirklich Gott suchen und sein Angesicht. Und doch soll uns grade dahin die Not führen, dass wir betend zu ihm rufen: Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig. Erhebe dich Gott über den Himmel, und deine Ehre über die Welt. So bete in der Not, halte an am Gebet.

Lass dich nicht irre machen, wenn es dir Anfangs und zuerst im Gebet scheinen will, als sei dir Gott so fern, als könnte deine Stimme Gottes Ohr und Herz nicht erreichen. Halte nur an am Gebet. Du bittest nicht umsonst. Zuletzt hört und erhört dich dein Gott. (Adolf Clemen)

Predigten