Lieder zu Psalm 22

Friedrich August Koethe - Die Psalmen - Der 22. Psalm.

Mel. O Freudigkeit, die wir zu Christo haben rc.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du verlassen
Mich Armen? Fern bleibt meiner Angst dein Licht,
Antwortest nicht, wenn ich dich zu umfassen,
Bei Tage ruf, und schweig' auch nachts noch nicht.
Doch du bist ja der Heil'ge, bist
Der Herr, von dessen Lobe Israel voll ist.

Der Väter Hoffnung war auf dich gebettet,
Und da sie hofften, tröstetest du sie;
Sie schrie'n zu dir und wurden bald errettet,
Dir trauend wurden sie zu Schanden nie.
Ich bin ein Wurm, ein Mensch ich nicht,
Der Leute Hohn, vom Volk verschmäht ins Angesicht.

Ja, die mich sehen, spotten mein, verziehen
Den Mund, schütteln den Kopf und sagen laut:
„Er klag's dem Herrn, hat der ihm Gunst verliehen,
Der rette ihn, wie er auf Ihn vertraut!“
Du zogst hervor mich an den Tag;
Ich traute dir, da ich an Mutterbrust noch lag.

Ich warf auf dich mich, seit das Licht ich sahe,
Du bist mein Gott von Mutterleibe an.
Herr, sei nicht fern von mir; denn Angst ist nahe,
Und Niemand steht mir bei. Auf meiner Bahn
Steh'n große Stiere um mich her,
Und Basans Büffel zeigen stolz mir ihre Wehr.

Wie grimme Löwen schnaubt mich an ihr Nachen,
Wie Wasser hingeschüttet lieg ich hier.
Getrennt ist mein Gebein im langen Wachen,
Wie Wachs zerschmilzt das Herz im Busen mir;
Verdorrt ist meine Kraft wie Laub,
Am Gaumen klebt die Zung', ich lieg' in Todesstaub.

Der Bösen Rott' umringt mich, und durchgraben
Sind Händ' und Füße mir, durchbohrt die Brust;
Ich zähl' all mein Gebein und kann's nicht laben;
Sie schau'n und sehen an mir ihre Lust.
In meine Kleider teilt sich schon
Die Schar, und wirft das Los um mein Gewand zum Lohn.

Du aber, Herr, sei mir nicht fern! O eile,
Du meine Stärke, mir zur Hilf herbei;
Errette meine Seele vor dem Pfeile,
Mein Leben vor der Hunde Raserei!
Bewahr' mich vor des Löwen Trutz,
Sei vor der Stiere Hörnern mir ein starker Schutz!

Dann will ich meinen Brüdern deinen Namen
Verkünden, dich in der Gemeind' erhöh'n.
Rühmt, ihr von Israels, von Jakobs Samen,
Jehovas Diener, bebend rühmt Ihn schön.
Des Armen Not verschmäht' Er nicht,
Er hört' sein Fleh'n, barg nicht vor ihm sein Angesicht.

Dich will ich preisen vor dem Volk auf Erden,
Bezahlen mein Gelübde vor der Schar
Der Frommen. Essen sollen, satt zu werden,
Die Armen; die Ihn suchen treu und wahr,
Die werden preisen ihren Hort;
Jehova! Euer Herz erquickt Er fort und fort.

Kund wird's, bekehrend alle Nationen;
Bis an der Erde Enden tönt dein Ruhm;
Jehova wird auch unter Heiden thronen,
Sein ist das Reich, sein ist das Königtum.
Die Reichen essen, werden satt,
Und beten an mit dem, der kaum die Notdurft hat.

Ihm dienen sie, die Not und Elend beugen,
Die Nachwelt huldigt seinem Licht und Recht;
Vom Herrn wird man an allen Orten zeugen,
Ihn predigen dem kommenden Geschlecht;
Sie werden laut verkündend nah'n:
Jehova ist gerecht und Er hat wohlgetan!

Burkard Waldis

Deus deus meus.
Weissagung vom Leiden und aufferstehung Christi, erlösung menschlichs geschlechts, unnd ehre Göttlichs namens.

DA Christus an dem Creutze hieng
in schmach zu unsern ehren,
Für unser schuldt die straff empfieng,
rieff er zu got dem herren:
„Mein Got, Mein Got, wie hastu mich
so gentzlich ubergeben!
Ich ruff und schrei, kein hülff nit sih,
es geht mir an dz leben!
Ruff tag und nacht,
doch wirt meins schreiens nit gedacht!

Du aber wonst im heiligthumb
und Israel dich preiset,
Du bist gewest der vätter rhum,
den du stedts gnad beweisest
In aller not, die sie anfacht,
reychtstu in deine hande,
Auß jrem leyd und trübniß bracht,
sie wurden nit zuschanden,
all jr geschrei
erhörtestu und machtst sie frei.

Ich aber bin ein wurm veracht
und keinem menschen gleiche,
Verspeit von iederman belacht,
mich hönt beyd arm und reiche,
All, die mich sehen, spotten mein,
gegn mir jr maul auffsperren,
Sprechen: Wie bsteht er nun so fein!
wie rufft er nit zum HERREN,
daß Er ietz käm
und hülff jm, hat Er lust zu jm?

Dennoch bistu mein Got und hort
auß meiner mutter leibe,
Ich bin dein Son und ewig Wort,
Mensch geborn von einem weibe!
Auff dich mich stedts verlassen hab
von meiner mutter brüsten,
Drumb laß in diser angst nit ab,
mich auß der not zu fristen!
sunst ist niemand,
der mir ietz reycht der hülffen hand.

Groß Ochsen und vil feyster Stier
mich gwaltiglich umbringen,
Sperrn auff jrn rachen gegen mir,
wie Löwen mich verschlingen,
Bin wie ein wasser auß gestürtzt,
mein hertz wie wachs zerflossen,
Mein safft vertrucknet und verkürtzt,
gantz trostloß und verlassen,
mein zung anklebt
und ist nichts mehr an mir, das lebt.

Es rotten sich vil böser hund
mich gar umbgeben haben,
Han mir mein hend und füß verwundt,
mit negeln gar durchgraben,
Gantz außgereckt hang ich hie bloß,
all mein gebein möcht zelen,
Umb mein kleydt werffen sie daß loß
und meinen rock verspielen,
mein schmach und pein
lassens jrs hertzen freude sein.

Doch wirstu mich auß diesem leyd
vom todt und Hellschem schrecken
Bringen zu grosser herligkeyt,
am dritten tag erwecken,
Daß ich deins Namens ehr und rhum
meinn Brüdern mög verkünden,
Daß man durch Gnad allein wirdt fromb,
erlöst von Todt und Sünden,
Von pein der Hell,
des frewt sich Jacob und Israel!

Dann du, HERR Got, hast nit verschmeht
den elenden und armen!
Dein gnad ubr all gar reichlich geht,
läßst dich der welt erbarmen!
Vom Auffgang biß zum Nidergang
mit deinem wort sie peisest!
Des sagen dir die frommen danck,
den du solch gnad beweisest,
und frewen sich,
daß sie solln leben Ewiglich!

Dann wirdt dein nam gepredigt recht,
wann mich die Heyden ehren,
Für mir anbetten all geschlecht
und sich zu mir bekeren,
König und Fürsten alle die,
beyd armen und geringen,
Für mir solln biegen jre knie,
zu meinem Reich eindringen,
daß sich dein ehr
biß an das end der welt vermehr.“

Dein Sam bleibt in der Christenheyt,
deimn Namen zu verkünden
Von gschlecht zu gschlecht wirdt außgebreyt,
von kind zu kindes kinden,
Daß wir von Sünd gewaschen reyn
auffs new werden geboren:
Das thustu, HERR und Got, allein
an den, die du erkoren
durch Jesum Christ,
der unser Got und heyland ist.

Dein Nam, Vatter im himelreich,
muß hie geheilget werden,
Und widerfar dein gnad alln gleich,
dein will gescheh auff erden
Der maß wie dort im himel hoch,
den leib wöllst uns erneren,
Laß uns die schuldt gnediglich nach,
wöllst unser feind bekeren,
auß allem leydt
hilff uns zur Ewign seligkeyt!