“Und er bat, dass seine Seele stürbe.“
Es ist merkwürdig, dass der Mann, der nie sterben sollte, der Mann, der in einem feurigen Wagen mit feurigen Rossen sollte gen Himmel fahren und verwandelt werden, so dass er den Tod nicht sah, - es ist merkwürdig, dass dieser Knecht Gottes beten musste: „Nimm, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser, denn meine Väter.“ Wir haben hier einen auffallenden Beweis, dass Gott die Gebete nicht immer in der gewünschten Weise, aber immer nach der heilsamen Wirkung erfüllt. Er gab dem Elias etwas Besseres, als was er erflehte, und erhörte ihn also wirklich. Es ist sonderbar, dass der löwenmutige Elias von der Drohung Isebels so niedergeschlagen war, dass er zu sterben wünschte; und köstlich war die Güte unsers himmlischen Vaters, dass Er Seinen verzweifelnden Knecht nicht beim Wort nahm. Die Lehre vom Gebet des Glaubens hat ihre Grenze. Wir dürfen nicht erwarten, dass Gott uns alles gibt, um was wir bitten; wir wissen, dass wir manchmal bitten und nicht empfangen, weil wir übel bitten. Wenn wir um etwas bitten, was keine Verheißung hat; wenn wir dem Geist, nach dem uns der Herr trachten heißt, entgegen stehen; wenn wir etwas gegen Seinen Willen oder gegen den Ratschluss Seiner Vorsehung suchen; wenn wir nur um unsertwillen bitten, und nicht im Hinblick auf Seine Verherrlichung, so dürfen wir auf keine Erhörung zählen. Wenn wir aber im Glauben bitten und nicht zweifeln, und wir nicht gerade das empfangen, was wir meinten, so empfangen wir etwas Anderes und Besseres dafür. Wie Einer sich ausdrückt: „Bezahlt der Herr nicht in Silber, so bezahlt Er in Gold, und bezahlt Er nicht in Gold, so bezahlt Er in Diamanten.“ Wenn er auch nicht genau das gewährt, warum ihr bittet, so gibt Er euch das, was ihm an Wert gleich. kommt, und worüber ihr euch mehr freut, als über das Begehrte. Darum, liebe, gläubige Seele, pflege das Gebet, und mache diesen Abend zu einer Stunde ernstlicher Fürbitte; aber habe Acht, was du bittest.
„O, große Gnad' und Gütigkeit!
O süße Lieb' und Mildigkeit:
Gott schenkt nach Seiner Güt' und Macht
Uns mehr, als wir uns je gedacht.“ (Charles Haddon Spurgeon)
Es ist genug. So nimm nun HErr meine Seele.
So betete der Prophet Elia in der Wüste, in welche er wegen der Drohung der Königin Isabel geflohen war. Er hatte vorher, weil die zehn Stämme Israels auf den Baalsdienst verfallen waren, um den HErrn, den Gott Israel, geeifert und in seinem Eifer um eine viereinhalbjährige Dürre gebeten, damit das Volk dadurch gedemütigt und zum heilsamen Nachdenken gebracht werden möchte. Hernach tat er ein Wunder auf dem Berg Carmel, wobei das versammelte Volk schrie: Jehovah ist Gott, Jehovah ist Gott, und hieß die Propheten Baals nach dem Gesetzt Mosis (5 Mos. 8,20.) töten. Hierauf bat er um einen Regen, welcher auch kam, und lief sodann in die königliche Residenz Jesreel, um da das Weitere zur Zerstörung der Abgötterei und Anrichtung des wahren Gottesdienstes vorzunehmen. Indem er aber mit diesen Gedanken umging, ließ ihm die Königin Isabel mit einer Beteuerung sagen: sie wolle ihn töten lassen, und der König Ahab, der vorher gerührt schien, ja der ganze Hof und das ganze Volk entzogen ihm ihren Schutz. Nun floh Elia, und ging in die arabische Wüste eine Tagereise hinein, setzte sich unter einen Wachholder, und bat, dass seine Seele stürbe. Er stellte sich nämlich vor, sein Eifer um den HErrn Zebaoth sei vergeblich gewesen, und seine angefangene Reformation, die ihm so sehr am Herzen lag, sei ins Stocken geraten. Dass sein Gemüt von dieser traurigen Vorstellung eingenommen gewesen sei, beweist seine Rede V. 10., worin er sagte: ich habe geeifert um den HErrn, den Gott Zebaoth; denn die Kinder Israel haben Deinen Bund verlassen, und Deine Altäre zerbrochen, und Deine Propheten mit dem Schwert erwürget, und ich bin allein überblieben, und sie stehen danach, dass sie mir da Leben nehmen. Er redete also, wie hernach der Messias einmal in der Absicht auf Sein prophetisches Amt gedacht hat: Ich arbeite vergeblich, und bringe Meine Kraft umsonst und unnützlich zu; wiewohl Meine Sache des HErrn und Mein Amt Meines Gottes ist, Jes. 49,4. Hätte Elia eine Frucht seiner Arbeit vor sich gesehen, so hätte er gern noch länger gelebt, und sich die Arbeit, Armut und Schmach nicht verdrießen lassen: nun aber sagte er: es ist genug, so nimm nun meine Seele. Er bat also um seinen Tod, weil er dachte, er sei auf Erden nichts nütze: allein Gott nahm seine Seele damals nicht weg, und hieß ihn durch einen Engel essen, trinken, und bis an den Berg Sinai gehen, wo Er ihm neue Anweisungen gab, nach welchen er voraus sah, dass Hasael, Jehu und Elisa nach verschiedenen Weisen die angefangene Reformation unter Israel befördern werden. Auch bekam er V. 18. eine Anzeige von einer schon gegenwärtigen Frucht seines Eifers. Auch jetzt kann ein Knecht Gottes leichtlich in die Vorstellung hinein geraten, er arbeite vergeblich, und dabei wünschen, aufgelöst zu werden. Allein Gott verbirgt zuweilen vor Seinen Knechten die Frucht ihrer Arbeit, und überhaupt sind Seine Gedanken nicht unsere Gedanken. Wenn ich auch heute bäte: nimm HErr meine Seele, so nähme Er sie vielleicht noch nicht. Er wird sie aber zu der von Ihm selbst erwählten Stunde nehmen; indessen gefällt Ihm doch mein kindisches Verlangen, bald bei Ihm zu sein. (Magnus Friedrich Roos)