Da schwur David weiter und sprach: Wahrlich, so wahr der Herr lebt, und so wahr deine Seele lebt, es ist nur Ein Schritt zwischen mir und dem Tode.
Nur Ein Schritt! ein inhaltschweres Wort! Dieses Freundes-Gespräch zwischen Jonathan, dem Sohne Sauls, und David, ist tiefergreifend! Jonathan hatte gesprochen, es wird nicht so sein, dass mein Vater nach Deinem Leben steht; seine reine Seele vermag es nicht, in den finstern Abgrund zu dringen, wo der böse Geist regiert. Aber David hat diesem Geist in das glühende Auge gesehen, daher weiß er's gewiss: nur Ein Schritt zwischen mir und dem Tode! das dringt wie ein Schwert durch Herz und Gewissen. Es hat Jemand gesagt: In des Todes Nähe erheben sich die begangenen Sünden wie feurige Schlangen wider uns. Da erzittert man und liegt im Staube, und all' das hochfahrende Wesen und weltliche Gebaren sinkt zusammen, wie ein Haus, darin die Feuersbrunst wütet; da lernt man der Ewigkeit gedenken, die man sonst so leicht vergisst im Zeit- und Welt-Gebrause; da sucht man ein Asyl, wohin man sich verberge vor dem heiligen und gerechten Gott. Als David nur einen Schritt zwischen sich und dem Tode sah, da mögen wohl die tiefernsten Klänge und Weisen in ihm aufgewacht sein, die er aus der Tiefe zu Gott geschrien; sowie auch das majestätische und herrliche Rühmen von der Größe und Gewalt des Herrn, und hat vielleicht gerade damals das Eine Wort gehört, dass Gott alleine mächtig sei! Und nun, Du und ich? wir sollten's doch billig auch wissen, dass nur Ein Schritt zwischen uns und dem Tode. Saul ist es freilich nicht, der das tödliche Wurfgeschoss auf uns zielt, aber ein Anderer ist es, von dem es heißt: Es ist ein Schnitter, der heißt Tod, hat große G'walt vom lieben Gott! Das wollen wir doch ja nicht vergessen, damit wir stille, geringe, arm, nackt, blind und bloß werden und gründlich lernen die heilige Sterbekunst! (Nikolaus Fries)