Da nun Gideon sah, dass es ein Engel des Herrn war, sprach er: O Herr! Herr! habe ich also einen Engel des Herrn von Angesicht gesehen? Aber der Herr sprach zu ihm: Friede sei mit dir! fürchte dich nicht; du wirst nicht sterben. Da baute Gideon daselbst dem Herrn einen Altar; und hieß ihn: der Herr des Friedens. Der steht noch bis auf den heutigen Tag zu Ophra.
Gideon war also ein Friedenskind, obgleich er hernach ein Streiter des Herrn ward. Ja, gerade weil er den Frieden Gottes geschmeckt hatte, konnte er hernach so tapfer streiten. Zweierlei ist es, das ihn zum Friedenskinde macht: erstlich sein Glaube, welcher den Engel des Herrn erkennt, und sodann die heilige Furcht, welche ihn so tief beugt vor der himmlischen Erscheinung, dass er meint sterben zu müssen, nachdem ihm Solches widerfahren! Darum spricht der Herr zu ihm: Friede sei mit dir, fürchte Dich nicht, Du wirst nicht sterben. So mochte wohl Gideon nun dem Herrn einen Altar bauen, und ihn heißen: der Herr des Friedens. Ist das nicht groß und herrlich? ist es nicht tief beschämend, dass Solches in alttestamentlicher Zeit geschehen konnte, und nun geschieht es uns nicht mehr? Müssen wir's nicht beklagen, dass so wenige Friedenskinder unter uns sind? dass unsere Glaubens-Augen schwach und stumpfsinnig geworden, da wir sonst gewiss auch oft den Engel des Herrn sehen und seine Nähe noch deutlicher spüren würden als Gideon; - und dass uns die heilige Furcht abhandengekommen und sind so aufgebläht vom Wissen und so selbst - klug, dass wir die persönliche Offenbarung des lebendigen Gottes anzweifeln, statt uns davor zu beugen. So geschieht es, dass der Friedensgruß des auferstandenen Christus durch die Gemeinde geht, aber die Friedenskinder sind nicht da, dass er auf ihnen berufen bleibe. Sei gefragt, Lieber, in dieser Abendstunde: Wo und wann hast Du dem Herrn einen Altar gebaut, den Du genannt hast: Herr des Friedens!? - ach, dass wir jetzt gleich an solchem Altar unsere Knie beugten! und in Wahrheit anstimmen dürften: „Nun ist groß' Fried' ohn' Unterlass!“ da erweckt sich der Herr Seine Streiter! (Nikolaus Fries)