Ein und dreißigste Predigt.
Sechszehnte Lagerstätte: Libna.
4. Buch Mosis 33,20.
Auch die 16te Lagerstätte liegt noch an der Grenze Kanaans, welche uns zur Rechten liegt. Der Zug geht noch immer in grader Richtung auf die große Heerstraße zu, als sollte es nicht nach dem roten Meer, wohin es doch soll, sondern geraden Wegs in Ägypten hinein. Denn wir sollen ja zurück. Libna mag etwa drei Stunden von Rimon liegen. Ist denn so eine kleine Ortsveränderung, all der Umstände, als des Abbrechens und Aufrichtens wert? Kann das irgend von Bedeutung sein? O ja. Es kann dem eigenen Willen einen Streich versetzen, und die eigene Weisheit zurückweisen, die nicht um Rat gefragt, deren Billigung nicht abgewartet, deren Missbilligung nicht berücksichtigt wird; der neue Mensch hat eine Gelegenheit, seine Geduld und Folgsamkeit zu beweisen, der alte, sich in seiner Unart zu zeigen. Die Genauigkeit der göttlichen Regierung wird offenbar, die sich bis auf die Zählung der Haare erstreckt, wie wenig wir’s auch glauben. Den Vorzug haben die Kinder Israels, dass sie stets die Gewissheit haben, sie seien da, wo der Herr sie haben wolle, und die können wir auch haben, wenn wir nicht eigenwillig und eigenmächtig verfahren, sondern uns nach Seinem Wort richten und beten, in zweifelhaften Dingen uns lieber enthalten, und unsere Hoffnung auf den Herrn setzen, dass Er uns unterweisen und den Weg zeigen wolle, den wir wandeln sollen. Alsdann haben wir’s mit einem barmherzigen Herrn zu tun, der unvorsätzliche Missgriffe verzeiht, und dessen Geduld wir für unsere Seligkeit achten dürfen. – Die Nähe Kanaans, der Blick in dasselbe hinüber, war in der Tat ein stetes Märtyrertum, da sie nicht hinein durften. An einem ganz anderen Ende sollten sie hinein, und zuvor noch gar mancherlei durchgehen und erfahren, auch vielfach sterben.
Doch lasst uns jetzt der 16ten Lagerstätte näher treten. Sie heißt Libna, und das ist zugleich alles, was uns davon gemeldet wird. Auf Deutsch würde es Weißenburg heißen. Sie hat ihren Namen von weiß sein, werden, oder machen. So heißt es Daniel 12,10 von jener letzten, bedrängten Zeit: viele werden gereinigt, geläutert, weißgemacht und bewährt werden. Der Mond hat auch seinen Namen davon, so wie Weihrauch, Ziegelsteine und Pappelbäume. Diese Bedeutungen liefern uns den Stoff zu unserer weiteren Betrachtung, namentlich die von der weißen Farbe.
Die weiße Farbe war die herrschende bei dem alttestamentlichen Gottesdienste, und neben derselben: Purpur, Scharlach und Himmelblau, aber durchaus kein Schwarz. Die Priester waren in Weiß gekleidet. Herodes ließ Christo einen weißen Mantel umwerfen und schickte ihn so dem Pilatus zurück. Die Engel erschienen in Weiß gekleidet. Weiße Kleider werden, Offenb. 3., dem verheißen, welcher überwindet, und die es wert sind, sollen mit ihm wandeln in weißen Kleidern, Vers 4. Vers 8 wird uns geraten, uns weiße Kleider zu kaufen, um damit angetan zu werden, dass nicht offenbar werde die Schande unserer Blöße. Kapitel 1 wird Er als ein solcher geschildert, dessen Haupt und Haar weiß war wie Wolle; nach Kapitel 19 erscheint das ganze Himmelsheer in weißer Seide, und auf Thabor wurden alle Kinder weiß wie der Schnee. David betet Psalm 51: wasche mich, dass ich schneeweiß werde, und Jes. 1. verheißt der Herr: wenn euere Sünde blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden. – Aus allen diesen Stellen erhellt, dass die weiße Farbe ein Bild der Heiligkeit und Unschuld ist, weiß werden, also im geistlichen Stande so viel ist, als heilig werden. Folglich muss ein jeder nach Libna, ja, am besten wäre, wir wären wirklich daselbst gelagert. –
Von Natur sind wir schwarz, das Gegenteil von weiß; wir sind Fleisch, das Gegenteil von Geist, wir sind Feinde Gottes und das Gegenteil von ihm: unheilig und befleckt. Wo will man einen Reinen finden, bei denen, wo keiner rein ist? fragt Hiob; wir sind allesamt, wie die Unreinen, bekennt die Kirche; sie sind unrein, die umherliegen, - so urteilt Gott vom ganzen Volke. Wir haben das ursprüngliche Ebenbild Gottes verloren, sind ihm nicht ähnlich, sind schwarz, da wir weiß sein sollen, Finsternis statt des Lichtes. So werden wir erzeugt und geboren, und David findet die erste Quelle seiner schweren Sünde, eben in diesem bedauernswerten Umstande. Der Keim des Bösen liegt schon in uns, wenn wir des Tages Licht zum ersten Mal erblicken. Das Samenkorn des Unkrauts liegt schon da, und wartet nur auf den ihn begünstigenden Nebel und Heerrauch, um hervorzubrechen. Die Gelegenheiten, die Versuchung, fördern das böse Kind zur Geburt. Die Gefahr ist droß. Eine schlechte Erziehung, böse Beispiele, giftige Lehren, unmittelbare Verführungen und dergleichen, bringen das Böse nicht in den Menschen, als ob’s vorher nicht da gewesen wäre, sondern sie wecken das schlafende Kind gleichsam nur, oder helfen das Ei ausbrüten. Eine zweckmäßige Erziehung, gute Vorbilder, heilsame Lehren, Sicherung vor bösen Einflüssen von außen, Gewöhnung zu allerlei Gutem, ist an und für sich weiter nichts, als ein frischer Anstrich eines verfallenden Hauses, oder die Tapete einer schlechten Wand, mag die Welt es auch ungleich höher taxieren. Im Grunde betrachtet, hat man sich über Irrtümer, Ketzereien, Bestreitung der heiligen Schrift, über allerhand Treulosigkeiten, Sünden und Schanden, so sonderlich nicht zu verwundern, da sie auch bei denen zu Grunde liegen, bei welchen sie eben nicht durchbrechen, wiewohl es zuweilen geschieht, dass auch solche Personen, von denen man es nicht erwartet, und die es selbst nicht von sich gedacht, in solche Sünden fallen, die man von ihnen am wenigsten vermutet hätte, wie Petrus, damit sich niemand für unschuldig halte. – Es ist eine demütigende, aber wohl begründete Wahrheit, dass aller Menschen Herzen in gleichem Maße verderbt sind, wenn es sich auch nicht bei allen in gleichem Maße äußert, und wir finden auch in anderen einen Spiegel, worin wir uns selbst sehen können, welches die wohlfeilste Art der Selbsterkenntnis ist. –
Diese Erbsünde ist es insbesondere, die uns verunreinigt, ist der Aussatz, der uns entstellt. Dieser böse Baum offenbart doch auch in einem größeren oder geringeren Maße, auf eine mehr oder weniger in die Augen fallende, zuweilen auf eine von fast jedermann verabscheute Weise in giftigen Früchten der Gedanken, Lüste, Begierden, Leidenschaften, Worte und Werke, als so viel Beweisen, wie giftig der Baum sei, worauf dergleichen wächst, wie böse das Herz, woraus dergleichen hervorgeht. – Diese Untugend scheidet Gott und uns von einander. Denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis, oder die Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit? Wie stimmt Christus und Belial, Misston und Harmonie? Wir hassen Gott, und Gott hasst unsere böse Natur, deren Gesinnung Feindschaft gegen ihn ist. Er verabscheuet sie, und will sie aus gerechtem Urteil zeitlich und ewig strafen. Seine Heiligkeit ist uns ein verzehrendes Feuer; schrie ein Jesajas beim Anblick derselben: wehe mir! ich vergehe, was will aus uns werden; was will aus uns werden! wenn es für uns kein Libna gibt, wo wir weiß werden? –
Gott sei ewig Lob und Preis und Dank, es gibt ein Libna, es gibt eins für uns, wo wir weiß werden. Gott ist barmherzig, das ist wahr. Er ist barmherziger, als wir’s fassen, verstehen und begreifen können. Aber dies gilt auch von seiner Heiligkeit, und diese muss notwendig erst befriedigt werden, ehe jene sich erweisen kann. Denn die Erweisungen des Erbarmens sind frei, die der Heiligkeit und Gerechtigkeit notwendig. Aber seine erbarmende Weisheit fand ein wundervolles Mittel, uns ein Libna zubereiten zu lassen, wo wir weiß werden, uns einen Born wider alle Sünde und Unreinigkeit zu eröffnen, wo wir mit reinem Wasser besprengt, rein werden von unseren Sünden und all unseren Götzen. Da steht auch ein Baum, mag’s auch nur ein schlechter Pappelbaum sein, da steht ein Kreuz, an sich ein Zeichen des Fluchs, an demselben hängt Einer, als der große Verfluchte, und dadurch, dass Er am Kreuze hängt, dadurch, dass Er ein Fluch wird, erlöst Er vom verdienten Fluch, und erwirbt den verscherzten Segen. Er, der Allerheiligste, wird kraft einer wunderbaren Verwechslung im göttlichen Gericht zur Sünde, zur Unreinigkeit gemacht, ging, wie David Psalm 88,7 sagt, den ganzen Tag in Schwarz. Unter die Übeltäter ward Er gerechnet, und als ein Übeltäter behandelt, obschon Er von keiner Sünde wusste, und kein Betrug in seinem Munde je erfunden ward. Auf ihm lag die Strafe, die wir verdient hatten. Als ein Unreiner ward Er von dem Angesicht seines Gottes verstoßen. –
Aber nun heißt es auch im vollsten Sinne, was einst in einem sehr eingeschränkten Verstande, von jenem vorbildlichen Versöhntage gesagt wurde. An diesem Tage geschieht eure Versöhnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euern Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn, 3. B. Mos. 16. Hier floss ein Blut, das Blut des Sohnes Gottes, das uns rein macht von allen unseren Sünden. Hier ward eine vollkommene Versöhnung gestiftet, die von allen Sünden reinigt und ewig gilt. In einer mondhellen Nacht ward sie begonnen, und der Vollmond war gleichsam mit seinem Menschenangesicht der stille Zeuge Seiner großen Angst, in Nacht ward sie vollendet, wo die Sonne samt dem Monde sich in Finsternis verhüllten, und ihren Glanz wieder annahmen, als Er ausgerufen hatte: Es ist vollbracht. Da wurde Gott vollkommen mit dem Sünder versöhnt; da ward die Macht des Satans aufgehoben; da der Eingang zum Leben eröffnet; da machte Er die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst; da sind wir Verabscheuungswürdige angenehm gemacht worden durch den Gerechten.
Nun heißt’s aber auch: Macht euch gen Libna, wohin die Wolken- und Feuersäule weisen, damit ihr weiß werdet; ich will sagen, jagt nach der Heiligung, ohne welche wird Niemand den Herrn sehen. Wascht euch, reinigt euch, tut euer böses Wesen vor meinen Augen weg, lernt Gutes tun, trachtet nach Recht. Wer gen Libna geht, der sieht ein, wie unrein er sei. Es gab schon zu Salomo’s Zeiten nach Spr. 39. eine Art, die sich rein dünkte, und doch von ihrem Kot nicht gewaschen ist. Es gab zu Christi Zeiten Leute, die sich selbst vermaßen, fromm zu sein, und fragten: sind wir auch blind? Diese Art ist noch nicht ausgestorben. Erkenne aber deine Missetat. Werde ganz schwarz in deinen eigenen Augen, wie du es in den Augen Gottes bist, also, dass du dir selbst missfällst, so hast du den ersten Schritt gen Libna getan, und wirst den zweiten tun, wenn du die Notwendigkeit der Abwaschung erkennest. So, wie du bist, kannst du keine Gemeinschaft mit Gott haben, kannst ihm nicht gefallen, kannst ihm nicht dienen. Bleibst du so, wie du von Natur bist, so gibt’s für dich keinen Himmel, keine Seligkeit. Es ist gar ungemein Vieles, was du noch nicht hast, was aber in dir gewirkt werden muss, und was niemand als die Gnade Gottes, die dem ruft, das nicht ist, dass es sei, aus lauter Barmherzigkeit in dir schaffen muss. Wahrlich, wahrlich, beteuert uns Christus, es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, sonst kann er das Reich Gottes nicht sehen. Es ist ein Erbteil da, aber ein Erbteil der Heiligen im Lichte, und die Tüchtigmachung zu demselben, ist was Großes und Notwendiges. Es ist ein Himmel da, aber nichts Gemeines und Unreines kommt in denselbigen, sondern muss draußen bleiben. Wohl dir, wenn dir dies alles gewisse Wahrheiten sind, wenn du mit Johannes bekennst: ich bedarf’s, von dir gewaschen zu werden, und mit Petro sagst: Herr, wache mir Hände, Füße und Haupt. Den dritten Schritt gen Libna wirst du tun, wenn du die Reinigung der Seele von allen ihren Sünden von Herzen suchst und begehrst. So war’s bei David. Wasche mich wohl von meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde. Entsündige mich mit Isop, dass ich rein werde, wasche mich, dass ich schneeweiß werde. Schaffe in mir, o Gott, ein rein Herz, und gib mir einen neuen gewissen Geist – so betete er Ps. 51. Was verdient mehr von uns gesucht zu werden, als jenes weiße Kleid der Unschuld und Heiligkeit, als die Reinigung unserer Seele durch die Vergebung der Sünden und Wiedergeburt. Dies Kleid berechtigt zugleich zur Teilnahme an dem himmlischen Hochzeitsmale. Sollten wir unseren Leib schmücken, wohl mit Sorgfalt zieren, und unsere Seele vernachlässigen? Sollten wir ungern an unserem Körper den Schmutz, oder ein verstellendes Malzeichen dulden, und unsere Seele, mit allerlei Makeln und Flecken entstellt bleiben lassen wollen? Das würde ja höchst unverständig sein und schreckliche Folgen haben. Wer verständig ist, sucht mit dem größten Ernst die Reinigung seiner Seele von allen seinen Sünden, der betrachtet die Vergebung der Sünden, und die Erneuerung unserer Herzen, als den allerkostbaresten Schatz.
Ist eine Seele bis zu diesem Punkt gekommen, dass sie ihre Schwärze und Schmutz mit Leidwesen an und in sich gewahr wird, dass sie die Notwendigkeit der Reinigung lebendig einsieht, und sie von ganzem Herzen begehrt: so wird ihr das Libna freilich gewöhnlich zu einem Lebena, Ziegelstein. Es geht ihr, wie den Kindern Israel in Ägypten, wo sie eine übermäßige Anzahl Ziegelsteine liefern mussten, und misshandelt wurden, wenn sie dies Unmögliche nicht vollführten. Sie bekommt Gebot auf Gebot, Regel auf Regel. Dieses soll sie nicht denken, das nicht wollen, jenes nicht begehren; so soll sie gesinnt sein, solche Empfindungen haben, so handeln. Rührt kein Unreines an: so will ich euch annehmen, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, und ich will euer Gott sein. Lasst uns fortfahren in der Heiligung, und uns so reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes. Lasst uns ablegen die Sünde, die uns immerdar anklebt und träge macht. Zieht aus den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verdorben, erneuert euch aber im Geiste eueres Gemüts, und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Diese wichtigen Gebote setzen die Seele in eine ernstliche Tätigkeit, und halten sie unablässig in Atem. Aber was ist der Erfolg? Die Klagen jenes Liedes, wo es heißt: ach! wer bin ich mein Erlöser! täglich böser, find’ ich meiner Seele Stand; die des Hiobs: Kap. 9,30: wenn ich mich gleich mit Schneewasser wüsche, und reinigte meine Hände mit Seife: so würdest du mich doch tunken in den Kot, und meine Kleider würden mir scheußlich anstehen. Ich werde doch gottlos – was arbeite ich denn vergeblich? Wohl ist hier Arbeit, wenn man ernstlich mit dem alten Menschen ringt, ihn unter die Füße zu kriegen, mögen es auch keine andere wissen, als die in dieser Arbeit stehen. Sie aber werden es gewahr. –
Mag es aber auch ausgemacht sein, dass die Weißmachung unseres schwarzen Herzens, dass die Reinigung unserer Seele von der Sünde, ein Werk ist, was alle unsere Kräfte bei weitem übersteigt; mag es gewiss sein, was Jer. 2,22 gesagt wird: wenn du dich mit Lauge wüschest, und nähmst viel Seife da, so gleißt doch deine Untugend um so mehr von mir – so ist doch ein Libna da, wo auch Mohren weiß werden. Bei dem nämlichen Propheten heißt es doch auch einige Kapitel weiter, im 30. nämlich: Dein Schaden ist zwar verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Es kann dich niemand heilen. Aber ich will deine Wunden heilen, und dich gesund machen, spricht der Herr, und soll von dannen herausgehen Freude und Lobgesang, und ihr sollt vor mir gedeihen. Ist die Sünde mächtig, die Gnade ist es nicht nur auch, sondern viel mächtiger. Wir haben einen Christus. Er ist in die Welt gekommen, die Werke des Teufels zu zerstören, und es gelingt ihm auch vollkommen. Sein Blut und sein Geist sind beisammen, und bewirken die große Weißmachung und Reinigung der Seele. Durch jenes wird sie gerechtfertigt, durch dieses aber zu seinem Bild erneuert; durch jenes wird sie im Gericht Gottes von allen Sünden frei gesprochen und in das verlorene Recht zum ewigen Leben wieder eingesetzt, durch diesen aber, ihm ähnlich. Jenes tilgt die Schuld, dieser die Einwohnung der Sünde. Doch geschieht jenes auf einmal und vollkommen, dieses aber nur nach und nach, staffelsweise, und bleibt hienieden gebrechlich.
Wenn nun die Seele diesen freien, offenen Born wider alle Sünde und Unreinigkeit, im Lichte des Heiligen Geistes, in seiner zwiefachen Kraft, entdeckt, so wirft sie sich mit gänzlichem Vertrauen – Alles von demselben, nichts von sich erwartend – getrost in denselben hinein, und erfährt seine wundertätige Kraft mit Erstaunen an sich selbst. Die allergrößte Veränderung geht auf einmal mit ihr vor, eine Veränderung, von welcher sie früher keine Vorstellung hatte. Die Sünde ist wie weggewischt. Sie ist wirklich wie ein Nebel vor der Sonne der Gerechtigkeit verschwunden. Sie ist nicht mehr da, weder in ihrem verklagenden Andenken, noch auch in ihren versuchenden Anfällen. Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht worden durch den Namen des Herrn Jesu, und durch den Geist unseres Gottes. Solche Wunder geschehen zu Libna. Nun wird’s auch zu einem Lebona, Weihrauch. Denn bleiben in der hebräischen Sprache auch die Mitlauter dieselben, so bekommen sie doch, je nachdem die Selbstlaute verändert werden, eine andere und andere Bedeutung, und so wird aus Ziegelsteinen Weihrauch. Es steigt ein Dankopfer, eine Rauchwolke des Lobes nach der anderen empor. Sonst war ich blind, jetzt sehe ich. Sonst war ich tot, nun lebe ich, doch nicht ich, Christus lebt in mir. Sonst war ich schwarz, wie die Nacht, nun weiß, wie der Schnee, schön, wie die Sonne, lieblich, wie der Mond, schrecklich, wie Heeresspitzen. Das ist Libna an der Grenze Kanaans. Ist da nicht gut sein? Sollen wir da nicht Hütten bauen?
Aber was wird bei dem Propheten Ezechiel 21,13 gesagt? Deine Unreinigkeit, heißt es daselbst, ist so verhärtet, dass, obschon ich dich gereinigt habe, du doch nicht rein worden bist, darum kannst du fort nicht rein werden, bis mein Grimm sich an dir gekühlt hat. Hören wir noch andere Stellen: Ich will dich aufs lauterste fegen, und all dein Zinn wegtun. Ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends. Er wird sitzen und schmelzen die Kinder Levi, dann werden sie ihm Speisopfer bringen in Gerechtigkeit. Der Vater der Geister züchtigt uns, dass wir seine Heiligung erlangen. Durch viel Trübsal müssen wir ins Reich Gottes gehen. Diese sind’s, die aus großer Trübsal kommen, und haben ihre Kleider gewaschen, und haben ihre Kleider helle gemacht im Blute des Lammes. Nach diesen Regeln geht’s einem auch zu Libna, und so ist das zuweilen schlimm wohnen.
Bisweilen ist eine Seele besonders zu Libna, wo sie weiß wird. Der Herr tröstet sie auf eine gar liebliche und stärkende Weise, also, dass sie läuft den Weg seiner Gebote, und, wo nicht auffährt mit Flügeln, wie ein Adler in jene höheren Regionen, wo kein Wind mehr weht und keine Nebel sind, doch läuft, ohne matt, oder wandelt, ohne müde zu werden – wo sie die belebenden Einflüsse des lebendigmachenden Geistes genießt, und sowohl die beruhigende Kraft des Blutes, als die reinigende Kraft des Wassers reichlich erfährt – wo sie vorzugsweise von der allen Menschen heilsamen Gnade unterwiesen, verleugnet das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gottselig und gerecht wandelt in dieser Welt, und wartet auf die selige Hoffnung und Erscheinung unseres großen Gottes und Heilandes Jesu Christi, welcher sich selbst für uns gegeben hat, auf dass er uns erkaufte von aller Ungerechtigkeit und reinigte ihm selbst ein Volk zum Eigentum, das da fleißig wäre zu guten Werken. Da gibts wohl eine Geduld, eine Ergebung, eine Liebe, über welche die Seele sich selbst verwundert. Ich bin geworden vor seinen Augen, als die Frieden findet, sagt die Braut Hohel. 8,10. -
Doch es ist wie der Mond. Die Gemeine wird Hohelied 6,5 dem Monde verglichen, schön, wie der Mond. Wie er all sein Licht von der Sonne hat, ohne welche er, wie er genugsam beweist, ein finsterer Klumpen sein würde: so hat die Gemeine Alles von der Sonne der Gerechtigkeit Jesu Christi, der sie auch zu einem hell leuchtenden Lichte macht, das die Nacht besiegt. Der Mond ist wandelbar. Bald ist er gar nicht mehr zu sehen, bald nimmt er ab, bald zu; jetzt ist nur ein schmaler Streifen, bald seine ganze Scheibe beleuchtet, leider auch jezuweilen eine Verfinsterung. Dennoch steht er fest. Die Kirche ist auch mancherlei Abwechselungen unterworfen, sogar vielen feindlichen Anfällen, aber sie steht fest gegründet auf einem Felsen. Ist sie denn auch hienieden dem Monde ähnlich, so wird sie doch wie die Sonne leuchten in ihres Vaters Haus. –
Wohlan denn, macht euch auf gen Libna, dass ihr weiß werdet. Wascht euch und lasst euch waschen damit ihr schneeweiß werdet. Tut euer böses Wesen von meinen Augen weg. Lasst ab vom Bösen, lernet Gutes tun, trachtet nach dem Recht. So kommt denn und lasst uns mit einander rechten, spricht der Herr: Wenn euere Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden. Wollt ihr mir gehorchen: so sollt ihr des Landes Gut essen. Weigert ihr euch aber und seid ungehorsam, so sollt ihr vom Schwert gefressen werden, denn des Herrn Mund sagt es. Amen.