2. Mose 20,16

Andachten

Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Das ist der Liebe Gebot, dass wir dem Nächsten an seinem guten Namen nicht wehe, sondern wohl tun. „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ kostbarer noch, als Gold und Edelgestein. Falsche Zeugen nach dem Sinn des Gesetzes Gottes wir nicht nur, wenn wir, vor Gericht zum Zeugnis aufgefordert, mit Bewusstsein ein falsches Zeugnis, eine erlogene Anklage über den Nächsten aufbringen; falsche Zeugen sind wir auch, und oft noch viel gefährlicher wenn wir an Stellen, wo nicht, wie vor Gericht, unser Zeugnis untersucht und die Vertheidigung des Beschuldigten gehört werden kann, sondern wenn wir hinter seinem Rücken seinen guten Namen verunreinigen und verderben durch erlogene oder entstellte Mitteilung von ihm. Lasst uns nur diesen einen Punkt recht ernstlich als Prüfstein an unsern Umgang halten! Herr, erbarme dich!

Wie viel, oft offenbar boshaftes, oft aus heimlicher Tücke, oft leichtsinnig, unbedacht hingeworfenes Reden über dem Nächsten steht vor dem Herrn auf unserm Schuldbuch angeschrieben! Und wieviel ist dadurch schon angerichtet, wie manches Herz tötlich gekränkt worden! Der Herr gebe uns Erkenntnis und rechte Buße, dass wir darüber Vergebung finden, damit Christi Liebe, die für uns beim Vater so gut redet und alles zum besten kehrt, uns die Liebe lehre, die so lieblich und köstlich im Verborgenen dem Nächsten an seinem Namen wohltun kann; die Liebe, die von ihm alles Gute hofft und glaubt, am Bösen gerne zweifelt, Ungewisses nicht weiter sagt, entschuldigt, Gutes von ihm redet und alles zum besten kehrt!

Wollen wir Liebe untereinander haben, so müssen wir aber auch nicht nur über, sondern auch gegen einander die Wahrheit reden. Ohne Wahrheit kein Vertrauen; ohne Vertrauen ist keine wahre Liebe im Umgang möglich. Es ist etwas sehr Wehmütiges, dass es so sehr oft unter denen, die doch nichts anderes sein wollen, als Christi Eigentum, an allem Vertrauen fehlt; und die Wurzel davon wird immer die Unwahrheit im Umgange sein.

Wie dem Herrn gegenüber Wahrheit die Grundbedingung ist, um zu ihm zu kommen und Gemeinschaft mit ihm zu haben, so ist die Wahrheit unter den Brüdern die Grundbedingung alles Vertrauens und aller Gemeinschaft der wahren Liebe: Lasst uns nicht unter einander lügen, dieweil wir Glieder sind. -Der Herr richte unsere Seele in das ernste, strenge Gleis der Wahrheit, dass wir darauf wandeln mit aller Behutsamkeit! Alles sagen, was man denkt, können und dürfen wir nicht; das fordert auch die Wahrhaftigkeit nicht; aber das fordert sie, dass man nicht anders redet und tut, als man es meint. Aber, glauben wir es nur, um mit aller solcher Unwahrhaftigkeit gründlich aufzuräumen, gehört in dieser argen Welt größte Treue, heiliger Ernst und Strenge im Wandel vor den Augen. des Herrn. Ein solcher Wandel aber macht den Umgang mit den Menschen offen, licht und freundlich, dass man sich so fröhlich Auge in Auge sehen kann! (Theobald Wunderling.)


Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Unser Name, unser unbescholtener Ruf, unsre Ehre - das sind auch Güter, welche wir selbst achten und bei Andern in der Achtung erhalten sollen. Denn es ist nicht möglich, dass Menschen neben einander glücklich leben sollten, welche sich nicht gegenseitig achten. Das fühlt man am lebhaftesten da, wo ein enges Zusammenleben ganze Geschlechter hindurch stattfindet, da findet sich auch das eifrigste Wachen über den unbescholtenen Ruf. Darum hat denn Gott auch dieses Gut durch sein Gebot geschützt. Keines aber wird wohl so missachtet, wie dieses, denn der Weg vom Herzen bis zur Zunge ist so kurz, und die Zunge selbst ist so beweglich, die Worte werden so mühelos und so gefahrlos ausgesprochen, dadurch des Nächsten Ruf verunglimpft und zerstört wird. Durch die Zunge loben wir Gott den Vater, und durch sie fluchen wir den Menschen, nach dem Bilde Gottes gemacht; aus Einem Munde gehet Loben und Fluchen. Es soll nicht also sein. Ach, und doch ist es so! Es ist ein göttliches Vorrecht, welches uns durch die Sprache zu Teil geworden ist, ein Vorrecht, welches uns über alle andern Kreaturen erhebt und uns eine große Macht über sie verleiht. Aber wie haben wir diese heiligen Rechte missbraucht! Wieviel haben wir gesündigt mit unsrer Zunge! Wie viel Faules, Unnützes, Sündliches, Giftiges ist aus der sündlichen Welt der Lüste und Gedanken unsres Herzens über unsre Lippen gegangen, so lange wir leben! Wie oft haben wir unseren Nächsten, statt ihn zu entschuldigen, Gutes von ihm zu reden und Alles zum Besten zu kehren, fälschlich belogen, verraten, afterredet und bösen Leumund gemacht. Siehe, die Pferde halten wir in Zäumen, dass sie uns gehorchen, und regieren den ganzen Leib. Aber die Zunge können wir nicht aus eigener Vernunft noch Kraft regieren und im Zaume halten, und am wenigsten, wenn sie von der Hölle entzündet ist. Nirgends sehen wir es deutlicher, als hier, dass wir Knechte sind und dienen müssen. Fühlst du nicht, dass der Apostel Recht hat, wenn er dich ermahnt: „Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denkt nach.“ Fühlst du es nicht, dass du für deine vielen Zungensünden, die du nicht mehr zurücknehmen, nicht wieder gut machen kannst, welche fortzeugend nur Böses gebären, eine Versöhnung gegen Gott brauchst, und dass du, um jene Ermahnung inskünftige zu erfüllen, eine Erlösung brauchst, welche dir die Lust zu allen jenen Tugenden und die Kraft dazu ins Herz gibt? - Wohlan, Lüge, Verrat und Verleumdung haben deinen Herrn Jesum ans Kreuz gebracht, und da er gescholten ward, schalt Er nicht wieder, drohte nicht, da Er litt, fehlte auch in keinem Worte siehe, darin liegt deine Versöhnung und deine Erlösung von allen deinen Zungensünden, so du es glaubst. Durch seine Sanftmut und sein Stillesein bei allen Leiden und Verleumdungen hat Er deine Scheltworte und deine giftigen Worte und deine faulen Worte und deine lügnerischen Worte gut gemacht und gebüßt. Gott vergibt dir alle deine Zungensünden um des Stilleseins und der Wahrhaftigkeit seines Sohnes willen. Und wenn ein Fünklein Dankbarkeit in deinem Herzen sich gegen Jesum für seine Wohltat regt, so wird die Gewalt des Bösen darin gebrochen und mit der Liebe zu Jesu zieht auch die Liebe zu seinen Tugenden in dein Herz ein, und so wird Er auch dein Erlöser. Ach, sollte Er noch lange auf dich warten müssen?! (Anton Camillo Bertoldy)

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