So wahr ich sündhaft bin,
So feste glaubt mein Sinn:
Der andre Mensch in Gnaden
Macht von des ersten Schaden
Mich ewig los und ledig.
Gott, sei mir Sünder gnädig! Amen.
Text: 1 Mose III., V. 20.21.
Und Adam hieß sein Weib Heva, darum, dass sie eine Mutter ist aller Lebendigen. Und Gott der Herr machte Adam und seinem Weib Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.
Die Worte der Strafe waren ausgesprochen; jetzt folgen auf die göttlichen Strafworte die göttlichen Straftaten: Gott treibt Adam aus dem Paradies. Aber ehe Er es tut, versüßt und erleichtert Er wieder, wie bei Seinem Strafurteil, die Strafvollstreckung durch tatsächliche Verheißungen und Gnadenzeichen, und bedeckt die durch den Sündenfall in ihnen entstandene Blöße. Unser Text handelt daher von der Menschen Bekleidung und sagt uns
Man hätte denken sollen, Adam würde nach Anhörung des furchtbaren Strafgerichts über sich und sein Weib vor Schmerzen vergangen, vor Schreck zu Boden gesunken und unfähig gewesen sein, noch ein Wort zu stammeln. Statt dessen lesen wir in unserem Text zu unserem großen Staunen die Worte: „Und Adam hieß sein Weib Heva, darum, dass sie eine Mutter ist aller Lebendigen.“ Wie ist das möglich, Geliebte? Woher diese Ruhe, dieser Gleichmut, der nicht einmal erblasst, geschweige zittert? Ja, woher diese Hoffnung und diese Freude? Ein Lichtstrahl, ein Lebensschimmer mitten in seiner Todesnacht ist ihm in der Verheißung seines Gottes aufgegangen, dass der Weibessame den Kopf der Schlange zertreten, sie aber ihm in die Ferse stechen sollte: diese Verheißung hat er verstanden, ergriffen, geglaubt, sich angeeignet; darum ist er voll Muts und voll Zuversicht, darum verzweifelt und fürchtet er sich nicht, sondern hofft, bricht nicht ohnmächtig und leblos zusammen, sondern freut sich des Lebens und gibt seinem Weib einen neuen Namen. Indem er ihn derselben gibt, beweist er, dass er ihr Herr ist, der das Recht und die Macht hat, ihren Namen zu verändern; und sie muss es sich gefallen lassen. Aber er gibt ihr keinen bösen Namen, wie das so nahe gelegen und Tausende unter uns getan hätten - sie hatte ihn ja verführt und unglücklich gemacht und mit ihm alle seine Nachkommen; durch ihre Übertretung war ja Sünde und Tod in die Welt gekommen -; er hätte also wohl Ursache gehabt, sie Tod oder Todesmutter zu nennen; aber nein, Gottes Gnadenwerk ist in Folge der Verheißung vom Weibessamen und Schlangentreter so kräftig in seiner Seele, dass er im Licht Gottes einsieht und hofft, dass durch den Samen des Weibes den Sündern großes Heil und Leben aus dem Tod werde zu Teil werden, dass er ihr den lieblichen und fröhlichen Namen Heva gibt, d. h. Leben, Lebengeberin, und diesen Namen selbst so erläutert: Du sollst von nun an Heva heißen, darum, dass du bist eine Mutter aller Lebendigen. Seinen eigenen Namen Adam, soviel wie Erdensohn, veränderte er nicht: er sollte ihm eine bleibende Erinnerung sein an seinen Beruf, an die Mühe und Arbeit im Schweiß des Angesichts, an sein Zurückkehren zur Erde, von der er genommen war. Sein Weib, von der der verheißene Sohn und Schlangentreter kommen sollte, konnte er aber nicht mehr, wie bisher, weil sie von seiner Rippe genommen worden war, Männin heißen; nein, er hieß sie Eva, die Mutter der Lebendigen. Hätte er in ihren künftigen Kindern nur Erben des Todes, der Sünde, des Fluche erblickt, - er hätte ihr diesen Namen nicht gegeben, noch geben können; aber er erblickte in ihnen Kinder des Lebens, der Gnade und des Segens. Er glaubte also fest an Gottes Wort, im Gegensatz zu allem Schein der Wirklichkeit, und hielt sich an das, was er nicht sah, als sähe er es. Er glaubte, dass die Drohung: „An welchem Tage du davon isst, wirst du des Todes sterben“ nicht nach ihrer Strenge - an ihm und seinem Weib würde erfüllt werden, - sondern dass die Gnade Gottes dem Leben Raum lassen würde, dass trotz Tod und Verwesung das Menschengeschlecht doch zum Leben, ja zum ewigen Leben bestimmt sei. Er sah sich schon im Geist umgeben von Kindern und Kindeskindern, Enkeln und Urenkeln, von einer immer mehr anwachsenden und allmählig die ganze weite Erde ausfüllenden Nachkommenschaft. In diesen engen und süßen Familienbanden hoffte er leichter des Lebens Last und Hitze ertragen zu können und an der Freude über seine Nachkommen Trost und Ersatz zu finden für den Verlust des Paradieses und des Umganges mit den Engeln des Himmels. Aber nicht nur war ihm nunmehr der Fortbestand des menschlichen Geschlechts ungeachtet der gegebenen Todesdrohung gesichert, sondern auch der Sieg seines Geschlechts und seines Samens über die Schlange und ihren Samen. Mitten unter dem Zorn Gottes erfasste er im kindlichen Glauben die göttliche Verheißung, und der Name, den er als Ausdruck desselben seinem Weib gab, war das erste Glaubenswort, das über seine Lippen kam, das erste Aufflackern eines neuen Lebens, das in ihm begann, das erste Zeichen einer inneren Rückkehr zu Gott, an dessen Verheißungsworten er sich jetzt mehr anklammerte, als er sich früher an das Gebot und Verbot des Allerhöchsten gehalten hatte; die erste Glaubenstat seines Herzens und Lebens, welche die eigentümliche Bedeutung Evas, dieser ersten unter allen Frauen, für die Menschheit und ihre Geschichte aussagte. Indem Adam eine unabsehbare Reihe lebendiger Söhne und Töchter vor seinen Geistesaugen entstehen sah, erkannte er in ihnen doch vorzugsweise einen Weibessohn, der der Träger und Erfüller der Verheißung sein sollte, das Leben seines und ihres Lebens, der Segen alles Segens für die Welt. Da konnte er nicht anders, im Vollgefühl seines Glücks, seiner Begnadigung, seiner Wiederannahme, seiner großen Zukunft in Zeit und Ewigkeit musste er ausrufen: Du bist fortan Eva, die Mutter aller Lebendigen. Mit Recht sagt Luther zu dieser Stelle: „Es scheint aus diesem Text, dass Adam den heiligen Geist empfangen habe und wunderbarlich sei erleuchtet gewesen, habe auch geglaubt und verstanden die Verheißung von Samen des Weibes, welcher der Schlange den Kopf zertreten solle; habe auch diesen Glauben versiegeln und zieren wollen mit dem Namen seine Weibes, welchen er darum keiner andern Kreatur gegeben hat, dass er dadurch erhielte die Hoffnung auf den zukünftigen Samen, stärkte und versicherte seinen Glauben, und tröstete sich, dass ein Leben zu hoffen und zu glauben wäre, da auch schon die ganze Natur dem Tod unterworfen war. Denn wo er nicht ein künftiges Leben gefühlt und geglaubt hätte, so hätte sein Herz nicht können getröstet werden, hätte auch seinem Weib so einen fröhlichen Namen nicht aufgelegt. Weil er ihm aber diesen Namen aufgelegt hat, zeigt er genugsam an, dass sein Herz sei durch den heiligen Geist getröstet worden, durch den Glauben an die Vergebung der Sünden durch den Samen des Weibes, die er darum Eva nennt, dass er an dem Namen ein Gedenkzeichen hätte der Verheißung, dadurch er auch wieder lebendig worden war und diese Hoffnung des ewigen Lebens auch auf seine Nachkommen gelangen lässt. Diese Hoffnung und diesen Glauben malt er mit diesem Namen gleich als mit einer Farbe seinem Weibe an die Stirn, wie die, so von Feinden errettet sind, Paniere und andere Zeichen des fröhlichen Sieges aufrichten.“
Meine Lieben, eine Frage: Hätten wir wohl auch so geglaubt wie Adam an die gegebene Verheißung und uns an ihr aufgerichtet und getröstet? Versetzt euch einmal recht lebendig in seine Lage, um die Schwierigkeit und Herrlichkeit seines Glaubens zu würdigen und zu bewundern. Zwar hatte Gott ihm die Verheißung gegeben, und der ist wahrhaftig und hält gewiss, was Er zusagt; aber derselbe Gott hat auch zu uns geredet, und wir wissen nicht minder, dass Er wahrhaftig ist und nicht lügen und trügen kann, und doch glauben wir so oft nicht, wenn Er nicht gleich tut, was wir wünschen und bitten! Die Verheißung war indes für Adam noch sehr dunkel und unverständlich, so dass viele Schriftgelehrte bis auf diese Stunde sie noch immer nicht fassen und richtig deuten; die Verheißungen dagegen, welche Er uns gegeben hat in Seinem Wort, sind so klar, dass jedes Kind sie verstehen kann, - und doch glauben wir ihnen so oft nicht! Adam hatte nur eine ferne Zukunft, auf die er seine Blicke zu richten hatte, und die er hienieden niemals erlebte; wir dagegen haben bereits hinter uns eine lange Vergangenheit, die lautes Zeugnis für die göttliche Verheißung ablegt und doch glaubt er, und wir so oft nicht. Weiter. Adam hatte nur eine einzige Verheißung, an die er sich zu halten hatte im Leben und im Sterben; wir so unzählige, dass ihrer mehr sind, denn Sterne am Himmel. Adam hatte nur ein Wort Gottes, und noch dazu ein gar kurzes Wort, das war Alles; wir dagegen besitzen außer diesem Wort noch Gottes Taten aller Art, Jesu Menschwerdung, Jesu Kreuz, Jesu Kirche, Jesu Gnadenwirkung und Einwohnung in den Herzen aller begnadigten Sünder, die Sein Wort besiegeln und bekräftigen, so dass Er mit vollem Recht auch uns zurufen kann wie den Juden: „Tue ich nicht die Werke meines Vater, so glaubt mir nicht; tue ich sie aber, so glaubt doch den Werken, wollt ihr mir nicht glauben“. Adam sah, so lange er lebte, nicht nur nichts von der Verheißung, er sah vielmehr nur das Gegenteil, den furchtbarsten Tod nicht sehr lange darauf am frommen Abel und wer weiß, an wie vielen Nachkommen noch, die er überlebte; wir sehen Erfüllung über Erfüllung, eine immer schlagender und überzeugender, als die andere. Adam wurde, bei aller Verheißung der Erlösung, doch die angedrohte Strafe nicht abgenommen, sie kam sofort unabänderlich und ging ihren Lauf; wir erleben oft die doppelte Gnade, dass uns Gott die Sündenschuld vergibt um Jesu Christi willen und zugleich die Strafe erlässt, und doch, und doch glauben wir nicht! Wie wir vor der Sünde nicht glauben wollen an Gottes strafende Gerechtigkeit, so mögen wir nach der Sünde nicht glauben an Gottes Gnade; das trotzige Herz wird dann leicht ein verzagtes Herz und jammert: Andern mögen die Verheißungen gelten, mir gelten sie nicht, ich bin ihrer zu unwürdig, ich habe es zu grob gemacht, oder: Ich bin ihrer nicht würdig genug, ich muss mich erst mehr vervollkommnen und reinigen, ehe ich sie mir aneignen darf. Wie laut und oft auch der gnädige und barmherzige Gott uns beteuert: „Wo die Sünde mächtig geworden, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden; und ob eure Sünde blutrot wäre, soll sie doch schneeweiß werden, spricht der Herr; es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen; Gott ist nicht ein Mensch, dass Er lüge, noch ein Menschenkind, dass Ihn etwas gereue; sollte Er etwas sagen und nicht tun, sollte Er etwas reden und nicht halten? Alle Verheißungen Gottes sind Ja in Ihm und sind Amen in Ihm, Gott zu Lobe; wer zu Ihm kommt, den will Er nicht hinausstoßen“; und wie sehr daher alle unsere Bedenken ebenso sündhaft wie nichtig sind, Gott hat unendlich viel mit uns zu tun, bis Er in uns den kindlichen Glauben an Sein Wort wirkt, und uns der Vergebung unserer Sünden gewiss und frohmacht. dass wir denn in unseres Stammvaters Fußtapfen träten, der in diesem Stück Millionen seiner Kinder beschämt und ihnen ein so herrliches Vorbild gibt! Dass wir mit Abraham glauben lernten, auch wo wir nichts sehen, und hoffen, wo nichts zu hoffen ist! Dass wir mit Jakob sprächen: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn“; mit Paulus unsere Vernunft gefangen nähmen unter den Gehorsam des Glaubens; mit dem Liederdichter gegen uns selbst zeugten: „Und ob das Herz spräch' lauter Nein, Sein Wort soll mir gewisser sein!“
Was geschieht? Auf die erste Glaubensäußerung Adams folgt sogleich eine Gnadentat Gottes, welche den Menschen die durch die Verheißung dargereichte und im Glauben ergriffene Vergebung durch ein Gnadenzeichen besiegelt; denn Gott gibt einmal immer mehr, als wir erwarten können, damit wir die Fülle haben. Unmittelbar nach jenem Geständnis beweist Er Seine Fürsorge für die leiblichen und geistigen Bedürfnisse der Menschen, lässt sich herab zu ihrem jetzt vor Seinen Augen verabscheuungswürdigen Zustand, und verschmäht es nicht, zu ihrer Aushilfe alles Nötige zu tun. Es heißt in unserem Text: „Und Gott der Herr machte Adam und seinem Weib Röcke von Fellen und zog sie ihnen an“. Welche väterliche Fürsorge! Waren sie ihrer im mindesten wert? Und doch kann Ers nicht lassen, sich ihrer anzunehmen in ihrem großen Elend. Tut Er das aber nicht fortwährend auch an uns von Kindesbeinen an, ja, mehr noch als das? webt uns nicht nur den Rock, den wir tragen, sondern gibt uns auch das tägliche Brot, dessen wir bedürfen, das Wasser, wonach wir dürsten und das Obdach, wo wir unser Haupt des Abends betten können zum Schlummer, einmal zum letzten Schlummer? Und müssen wir nicht auf die Frage: „Habt ihr je Mangel gehabt?“ mit den Jüngern antworten: „Herr, nie keinen“? In der Tat, es gibt kein Bedürfnis, das Er nicht kennte, für dessen Stillung Er nicht reiche Mittel besäße und zu rechter Zeit anwendete; Er hat noch nie etwas versehen in Seinem Regiment, nein, was Er tut und lässt geschehen, das nimmt ein selig End'. Gewiss, wir haben Ursache, über Ursache, Leib und Seele Ihm getrost anzuvertrauen in allen Lebenslagen und Sein Wort wohl zu beachten: „Sorgt nicht für den andern Morgen, was ihr. essen und trinken und womit ihr euch kleiden werdet; es ist genug, dass ein jeder Tag seine eigene Plage habe“.
Gott hatte jedoch bei dieser Bekleidung Adam's und Evas noch mehr Absichten, als bloß ihre Bedeckung, Er wollte damit auch die sinnlichen Begierden verhüten, Zucht und gute Sitte aufrecht erhalten, und das Schamgefühl, dass unmittelbar nach der Sünde erwacht war, als ein rechtes und unerlässliches bestätigen. Darum erhob Er jetzt die natürliche Regung zur heiligen Pflicht und weihte den Gebrauch verhüllender Kleider. Wie das Gesetz später im Alten Testament Zuchtmeister auf Christum war, so sollte auch diese äußere Zucht auf das Evangelium vorbereiten. Erst die Röcke von Fellen, dann der Rock der Gerechtigkeit Christi. Erst die äußeren Ordnungen, durch welche die Reize zum Bösen beschränkt und dem Willen Gottes dienstbar gemacht werden, und das Bewusstsein der Sünde erwacht, dann die innere Überwindung der Sünde und die vollkommene Erfüllung des Gesetzes in Jesu Christo. Wie schwer versündigen sich daher alle Eltern, die nicht frühe schon den Geist der Sittsamkeit, der Zucht, der Ordnung, des Anstandes in ihren Kindern wecken: sie werden er später bitter bereuen, wenn diese ohne Scham und Gram, ohne zu erröten und zu erblassen, sich allen. Lastern hingeben! Denn wo Scham ist, da ist Tugend; wo keine Scham, ist auch keine Ehre; Scham ist ein Schloss ob allen Sitten; Scham hindert Schande.
Gott wollte ferner durch die gegebene Bekleidung dem Menschen eine Schutzwehr darbieten vor der jetzt ihm weniger zugetanen Tierwelt; was die natürliche gottgeordnete Unterwürfigkeit nicht mehr vermochte, das sollte jetzt die Furcht bei ihnen erzeugen. Mehr als ein Reisender berichtet, dass die Ungeheuer in der Wüste vor dem bekleideten Menschen Scheu haben; wenigstens ist zwischen einem Bekleideten und einem Nackten nie Wahl, der Nackte ist ihre Beute. Die Kleidung war also den hilflosen unbewehrten Menschen Harnisch und Schild.
Indem sie ihm aber so ein Damm und ein Schutz nach außen hin war, war sie ihm nach innen eine beständig anschauliche Erinnerung an den Sündenfall und seine traurigen Früchte, eine tägliche Bußpredigt und eine ergreifende Mahnung an das eigene Sterben, das er zuerst an den Tieren erblickte, die Gott tötete, oder durch einen Engel oder Adam selbst töten ließ, um ihm die Felle zu seiner Kleidung zu gewähren. Bisher hatte Adam noch nicht dem Tod ins Angesicht geschaut, hatte nur etwas von dem Schwert geahnt, das über seinem Haupt hing; jetzt verkündete ihm das Todeszucken des sterbenden Tieres, sein Schreien und Winseln, das krampfhafte Erstarren seines Augenlichtes, sein Röcheln und Erkalten, sein Reden und Strecken wie mit Donnergewalt: „Siehe da, das heißt sterben; so wird einmal auch dein Ende sein, denke daran, und bereite dich darauf vor“, 'Als Gott den Menschen, welcher noch kurz vorher in der Schönheit und Unschuld des Paradieses geglänzt hatte, mit der Haut toter Tiere bedeckte, hatte Er ihm damit gleichsam den Tod angezogen. Und noch immer sind unsere Kleider, die nicht bloß meist aus den Überbleibseln toter Tiere bereitet, sondern auch dem Wechsel der Mode und den Einflüssen der Witterung und der Abnutzung unterworfen sind, anschauliche Bilder unserer Vergänglichkeit und werden als solche in der heiligen Schrift beständig gebraucht und angeführt. David sagt von der sichtbaren Welt, Himmel und Erde (Psalm 102,27.): „Sie werden alle veralten wie ein Gewand, sie werden verwandelt wie ein Kleid, wenn Du sie verwandeln wirst“, und Jakobus verkündigt den Reichen dieser Welt: „Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über euer Elend, das über euch kommen wird; euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind mottenfräßig geworden“ (Kap. 5,1.2.). Wie töricht daher, wenn Menschen mit ihren eitlen und vergänglichen Kleidern prangen, sich derselben überheben und auf Andere, welche dürftiger gekleidet einhergehen, mit Verachtung herniedersehen; es ist ja gerade so, als wenn ein Verbrecher mit dem Strick an seinem Hals oder dem Brandmal an seiner Stirn prangen oder selbstgefällig sich blähen wollte! Wie traurig, wenn ein Anderer Gespräche über den Tod scheut, und sich mit dem Andenken daran nicht vertragen kann, weil er kein Erbe hat in der andern Welt, da doch die vergänglichen Stoffe aus der Natur, welche er selbst an sich trägt, ihm täglich das Gebet auf die Lippe legen: „Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss!“ So oft wir sie daher Morgens anziehen, lasst uns gedenken: Wer weiß, wie bald ich euch für immer werde ausziehen und das Totenhemd anlegen müssen, und dann hat alle Herrlichkeit des Lebens ihr Ende erreicht! So oft wir sie des Abends wieder ausziehen, wollen wir mit Paul Gerhardt beten: „Der Leib eilt nun zur Ruhe, legt ab das Kleid und Schuhe, das Bild der Sterblichkeit, die leg' ich ab, dagegen wird Christus mir anlegen den Rock der Ehr und Herrlichkeit“. So oft sie zerreißen oder abgetragen, fadenscheinig und morsch werden, wollen wir denken: Das ist ein Bild meiner leiblichen Hütte, die ja auch ein Kleid meiner Seele ist! Wie bald wird sie morsch und hinfällig werden oder vergeben!
Doch mit allen diesen Deutungen der menschlichen Bekleidung erschöpfen wir ihren eigentlichen Tiefsinn noch keineswegs; es liegt noch etwas ganz Anderes und Herrlicheres dahinter verborgen, und dies ist der eigentliche Kern der Sache. Die Feigenblätter hatten Adam und Eva sich selbst gemacht, sie waren jedem Wind preisgegeben, leicht zerstörbar und erfüllten mithin ihren Zweck nicht. Diese Feigenblätter sind ein Bild unserer eigenen Gerechtigkeit, unserer natürlichen Tugenden und sogenannten guten Werke. Wie stolz und eingebildet wir auch darauf sein mögen, vor Gottes Richterstuhl können wir mit ihnen nicht bestehen; es gilt von ihnen das prophetische Wort: „Wir sind allesamt wie die Unreinen und alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid“ (Jesaias 64,6.). Sie sind nichts als verwelkendes Laub und befleckte Lumpen, die auf dem Sterbebett wie Feuer auf der Seele brennen und jenseits ankleben wie glühendes Pech; sie sind das arme Sünderhemd, in welchem man zum ewigen Tod geht. Auf dem Weg kann kein Mensch vor den Augen bestehen, die da leuchten wie Feuerflammen und Herzen und Nieren prüfen, noch zum Himmel gelangen! - Was tut nun der Herr, der keinen Gefallen hat am Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe, in Seiner unendlichen Herablassung und Leutseligkeit? Er tötet ein Tier, Er bereitet aus seinem Fell dem Menschen Röcke, Er zieht sie ihm an; nun ist Adam ganz bedeckt, beschirmt, die Blöße verschwunden und Gott kann ihn wieder ansehen, unbeschadet seiner Nacktheit, die darunter verborgen ist, mit Augen voll Gnade und Huld. Versteht ihr Gottes geheimnisvolle, prophetische Zeichensprache? Das Tier, das getötet wird, unzweifelhaft ein Lamm, ist ein Opfer, ein Sündopfer für die Sünden der Menschen: der Tod, den es erleidet, ist ein stellvertretender Tod an Adams und Evas Statt, damit der göttlichen Gerechtigkeit ein Genüge geschehe. Wie die erste Verheißung: „Der Weibessame soll der Schlange den Kopf zertreten, und sie wird ihm in die Fersen stechen“, die Grundlage aller Weissagungen ist, so ist dies erste Opfertier die Grundlage aller Opfer des Alten Testaments, und wir finden in unserem wichtigen Kapitel die ganze Alttestamentliche Haushaltung Gottes im Keim schon angelegt, alle späteren Weissagungen schon ein- und angeschlossen an dies erste Evangelium, alle späteren Opfer bereite dunkel abgeschattet und vorgebildet in dem ersten Opfer, bis Christus mit Seinem vollgültigen Opfer in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden.
Kurz, die beiden Grundelemente der Alttestamentlichen Religion für Ohr und Auge unmittelbar von Gott selbst aus freier Gnade geordnet und eingesetzt! Waren die selbstgemachten Feigenblätter: Schürzen, Bilder der selbstgemachten Eigengerechtigkeit, die unsere Blöße mehr enthüllt, als verhüllt, so sind diese Tierfellkleider, dieses reine Vlies des Lammes, das bedeutungsvolle Abzeichen und Vorbild der Gerechtigkeit, welche Jesus Christus, das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trug, gehorchend, leidend und sterbend uns erstritt, und die Gott allen denen geben will, welche im Glauben an Jesum sich diese Gerechtigkeit aneignen und mit ihr geschmückt vor Ihm erscheinen; der Gerechtigkeit, von der es heißt (Jesaias 61,10.): „Ich freue mich im Herrn und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott, denn Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heile und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Schmuck geziert, und wie eine Braut in ihrem Geschmeide gebärdet“, und von der wir unaufhörlich singen und beten: Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott besteh'n und zu der Himmelsfreud' eingeh'n. Mit dieser inneren Gerechtigkeit bekleidete Gott Adam und Eva, indem Er äußerlich ihnen die Tierfelle anlegte. Nun waren sie nicht mehr Sünder in Seinen Augen, sondern begnadigt und gerechtfertigt, und trugen an sich selbst das Symbol und Unterpfand ihrer Annahme. Nun waren ihre Geistesaugen noch heller gerichtet auf das zukünftige Heil und das große Opfer der Versöhnung, durch welches es ihnen erworben werden sollte. Nun hatte die Verheißung vom Schlangentreter erst die rechte Kraft und Weihe gewonnen und konnte ihnen ein Halt werden, um sich daran zu halten in jeder Lage ihres Lebens. Nun war der Weg von vornherein schon gezeichnet, auf dem der Sünder kann und soll vor Gott gerecht und selig werden, und dieser Weg trat im Lauf der Jahrtausende immer deutlicher hervor, bis er endlich in Christi Versöhnungsopfer am Kreuz Leben und Wirklichkeit gewann. O lasst uns denn, Geliebte, die wir allzumal Sünder sind und des Ruhmes mangeln, den wir vor Gott haben sollten, in diese von Gott uns dargebotene Gerechtigkeit uns einhüllen, auf sie allein unsere Seligkeit bauen, mit ihr allein unsere befleckte Seele reinigen und schmücken, sie immer wieder von Neuem begehren und genießen. Diese Gerechtigkeit Jesu Christi ist ein Kleid, das niemals zerreißt, das von keinem Feuer verbrannt, von keinem Fleck besudelt, von keinem Wurm zernagt und zerstört werden kann; ein Kleid, das schon von Kindheit an im Sakrament der Taufe uns Allen angeboten worden ist, denn also schreibt Paulus: „Wie viele eurer getauft sind, die haben Christum angezogen“ (Galater 3,27.); ein Kleid, das in Ewigkeit nicht veraltet, noch seinen Glanz verliert, der so hell und klar ist, dass die Engel im Himmel uns darum beneiden könnten und die Teufel in der Hölle davon geblendet werden und fliehen; ein Kleid, das nicht erst allmählig und stückweise gemacht zu werden braucht, sondern schon fertig daliegt und jeden Augenblick von uns kann angezogen werden. Selig der Mensch, den der König des Himmels also kleidet in die Gerechtigkeit Seines Sohnes! Salomo in all seiner irdischen Macht ist nicht also bekleidet gewesen. Wie schön sind wir in diesem Schmuck vor Gott! Wie groß ist unsere Herrlichkeit! Jesus Christus ist selbst unser Kleid, Sein Blut unser Purpur, Seine Gerechtigkeit unsere reine Leinwand, Samt und Seide, Seine Gnade unser Gold, Sein Verdienst unsere Perlen und Schmucksachen. Behalte, Welt, deine neuen prächtigen Roben, - dein reichstes Kleid ist oft gefüttert mit Herzeleid, uns gefällt die alte Mode besser, welche die getauften Christen von Anfang an getragen haben, Jesus und Seine Gerechtigkeit. Dadurch ist alle unsere Blöße zugedeckt, dadurch unsere Armut in Reichtum verwandelt, das durch besitzen wir einen Schmuck und eine Ehre, dass wir der Welt Eitelkeit verachten und wider Sünde, Tod, Hölle und Teufel trotzen und singen können: „Welt, behalte Samt und Seide, prange, wie es dir gefällt: meines Jesu Purpurkleide weichet alle Pracht der Welt! Ich verkleide mich in Ihn; Diamanten und Rubin kann Sein Blutschweiß mir gewähren, wenn ich wollte Schmuck begehren“. Wer will und nun noch schaden, wer uns verachten und verdammen, wenn wir mit Seiner Gerechtigkeit geschmückt sind? -
Und wisst ihr, was uns, angetan mit dem Rock Seiner Gerechtigkeit, dereinst noch für eine neue Überraschung bevorstehen wird? Die Tierfelle, mit denen Gott Adam im Paradies bekleidete, deuten nicht nur auf die Gerechtigkeit des Gottmenschen in der Mitte der Zeiten hin, sondern weissagen zugleich die Bekleidung unserer Seele mit dem verklärten Leibe der Auferstehung, den wir am Ende der Tage wiederum in der Gleiche des Gottmenschen empfangen werden, wenn Er unseren sterblichen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde Seinem verklärten Leib. Beim Gedanken daran konnte einen Paulus wohl der Wunsch anwandeln: „Über demselbigen sehnen wir uns auch nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, dass wir damit überkleidet werden“ (2 Kor. 5,2.). O was ist da Alles schon an der Ausgangsschwelle des Paradieses von Gott angelegt worden für Zeit und Ewigkeit! Was müsst ihr sagen, wenn ihr diese traurige Geschichte des Sündenfalls von ihrem Endpunkt aus anseht? Geht nicht da mitten in der tiefsten Verdunklung plötzlich ein Licht, ein Morgenrot des ewigen Lebens auf? Hat Gott nicht überschwänglich wieder gut gemacht, was die ersten Menschen böse gemacht hatten? Hat Er uns in Christo nicht viel Besseres wiedergegeben, als wir in Adam verloren hatten? Helfe uns denn der Herr, dass wir durch aufrichtige Buße und lebendigen Glauben an Gottes Gnade und Christi Verdienst uns die Gerechtigkeit aneignen, die vor Gott gilt: dann wird es auch bei uns gehen aus schwarzer Sünde zu strahlender Heiligkeit, aus Nacktheit und Blöße zu herrlicher Bekleidung, aus Verlusten, die einem völligen Bankrott an aller Unschuld und Seligkeit gleichkommen, zu unendlich reichem Gewinn, aus Tod zum Leben, aus arbeitsvollster Erdenwallfahrt zu unendlicher Himmelsruhe! Wie das Kleid, so ist einmal der Mann immer und ewiglich. Amen.