Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der Herr Sodom und Gomorra verdarb, war sie wasserreich, bis man gen Zoar kommt, als ein Garten des Herrn, gleichwie Ägyptenland. Da erwählte Lot die ganze Gegend am Jordan und zog gegen Morgen.
Die Welt gleicht jenem Tale von Siddim, das Lot sich erwählte. Wie jenes Tal lieblich und anmutig anzusehen war, so auch die Welt mit ihrer Lust. Da sind Bilder, die das Auge erfreuen, liebliche Klänge, die das Ohr entzücken, fröhliche Genüsse, die das Herz berauschen. Wie jenes Tal fruchtbar war, so scheint auch hier eine süße Frucht neben der anderen zu wachsen. Man vertreibt sich die Zeit, man findet eine angenehme Zerstreuung, man macht erfreuliche und oft einflussreiche Bekanntschaften, man gewinnt an Bildung und Benehmen und dergleichen. Aber die Welt gleicht jenem Tale auch in dem Einen, was von den Leuten zu Sodom erzählt wird: „Sie waren böse und sündigten sehr wider den Herrn“. Wer nur Augen und Ohren dafür hat, der weiß und erfährt es tagtäglich, wie der Name des Herrn von den Kindern dieser Welt entheiligt, wie sein Wort von ihnen verachtet, sein Feiertag von ihnen gebrochen und seine heiligen Gebote von ihnen übertreten werden. Darum sollen wir uns vorsehen, dass wir nicht, wie Lot, unsere Hütten gen Sodom setzen.
Wir wollen gar nicht davon reden, dass wir, wie er, an unserer Gesundheit, an unserem Vermögen, an unserem ganzen Lebensglück Schaden leiden können. Wir wollen auch nicht davon reden, dass unsere Lieben, vielleicht unser Weib oder unsere Kinder, dort verloren gehen können, wie Lot das zu seinem Schmerz erfahren musste. Wir wollen nur an das Eine denken, dass wir an unserer eigenen Seele Schaden nehmen und am Glauben Schiffbruch leiden können. Das ist das Wichtigste und Bedenklichste. Unser Herr und Heiland spricht: Was hilft es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Der Apostel Paulus sagt sehr schön und richtig: „Ich habe es alles Macht; es frommt aber nicht alles. Ich habe es alles Macht; es soll mich aber nichts gefangen nehmen.“ Das ist ein Wort, welches wir immer vor Augen und im Herzen haben sollen. Ein Christenmensch ist ein Herr aller Dinge. Es ist alles euer“, spricht derselbe Apostel. Wir können die Kreatur unseres Gottes gebrauchen, wir können, ja wir sollen unseres Lebens uns freuen und fröhlich sein. Aber wir sollen und müssen bei allen Dingen fragen: Frommt es mir auch? Frommt es auch weinen Brüdern? auch das Heil und das Gewissen der Brüder muss dabei in Rechnung kommen. Wird es mich auch nicht gefangen nehmen, sodass ich das Ziel, das mir gesteckt ist, das Kleinod, zu welchem ich berufen bin, darüber vergesse, mein Heil und meine Seligkeit dabei verliere? Wenn wir uns immer also fragen, wird dieses Wort des Apostels unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege sein. (Friedrich Ziethe.)